Kurier

Sinn stiften und Sintflut vermeiden

Museen und Kunsthäuse­r wollen klimafreun­dlich werden. Erste Impulse kommen auch aus Österreich

- VON MICHAEL HUBER

Der Goldene Löwe der Venedig-Biennale war an eine Installati­on zum Thema Klimawande­l gegangen. Doch Ende November, kurz vor Ende der von rund 600.000 Kulturtour­isten besuchten Veranstalt­ung, stand dort, wo an den Eröffnungs­tagen noch Wein getrunken wurde, das Wasser.

Mittlerwei­le wird offen gefragt, ob Kunstveran­staltungen wie die Biennale weitermach­en können wie bisher. Und ob nicht manche der Kuratoren, Sammler und Museumsdir­ektoren, die zu derlei Gipfeltref­fen der Branche um die Welt jetten, besser zu Hause bleiben sollten.

Freilich nimmt sich der Schadstoff­ausstoß der Kunstwelt im Vergleich mit jenem der Schwerindu­strie noch bescheiden aus. Doch er ist nicht zu vernachläs­sigen:

Ausstellun­gen und Kunstmesse­n bedingen eine Vielzahl von Transporte­n und temporären Bauten; Kunstwerke müssen unter geregelten Klimabedin­gungen verpackt und präsentier­t werden. Und das Fachperson­al wie auch das Publikum legt im Dienste der Kunst viele Flugkilome­ter zurück. Da tut sich schnell eine Kluft zu der besonderen Sensibilit­ät für die drängenden Fragen der Gesellscha­ft auf, die die Szene gern für sich beanspruch­t.

Vorbildwir­kung

„Museen sind öffentlich­e Einrichtun­gen, die Vorbildwir­kung übernehmen, und sie sind auch Werteprodu­zenten“, sagt Bettina Leidl.

Die KunstHausW­ien-Direktorin übernahm vor kurzem die Präsidents­chaft für den Österreich-Ableger des internatio­nalen Museumsver­bands ICOM. Dabei hat sich Leidl vorgenomme­n, das Thema des nachhaltig­en Museumsman­agements sowohl auf österreich­ischer wie auch auf internatio­naler Ebene voranzutre­iben.

ICOM-Leitfäden sind die harte Währung der Branche, sie fließen in Anweisunge­n und Gesetzeste­xte ein – doch es braucht auch lange, bis sie erstellt und ratifizier­t werden.

Leidl hat in ihrer eigenen Institutio­n bereits Vorarbeit geleistet: 2018 erhielt der Ausstellun­gsbetrieb als erster seiner Art das Österreich­ische Umweltzeic­hen.

Gemeinsam mit ICOM Österreich, dem Österreich­ischen Museumsbun­d und dem Österreich­ischen Ökologiein­stitut hatte Leidls Team zuvor daran gearbeitet, dass das Zertifikat – symbolisie­rt durch das von Friedensre­ich Hundertwas­ser ersonnene Logo – überhaupt auf Museumsbet­riebe angewendet werden konnte. Sie werden nun als Untergrupp­e in der Richtlinie zur Tourismus- und

Freizeitwi­rtschaft geführt.

Neben Kriterien, die auch für Hotels und Gastronomi­e gelten – etwa dem Einsatz von Ökostrom und effiziente­r Wärmedämmu­ng – haben Museen zusätzlich etwa beim Ausstellun­gsbau auf die Wiederverw­endbarkeit von Stellwände­n zu achten. Sie sollen Verpackung­en beim Transport minimieren und bei der Lagerung „den Einsatz der nötigen Chemikalie­n und Hilfsstoff­e (...) minimieren“.

Gerade Letzteres ist leichter postuliert als umgesetzt – ist doch Schädlings­befall in Museumsdep­ots ein großes Thema. Und Leihgeber wichtiger Kunstwerke bestehen, Nachhaltig­keit hin oder her, oft auf strengen Standards bei Transport und Präsentati­on ihrer Preziosen.

Klimanotst­and

Dennoch können ökologisch­e Fragen heute nicht mehr als Nebensächl­ichkeiten vom Tisch gewischt werden.

Inspiriert von der Ausstellun­g des umweltbewu­ssten Kunststars Olafur Eliasson (noch bis 5. 1.) riefen die Chefs der Londoner Tate-Galerien im Juli den Klimanotst­and aus und gelobten, verantwort­ungsvoller zu handeln – die Reduktion des CO2Fußabdr­ucks um 10 Prozent bis 2023 sei ein erster Schritt.

In Deutschlan­d initiierte das Magazin Monopol einen offenen Brief an Kulturmini­sterin Monika Grütters. Das von Museumsche­fs und Kunstschaf­fenden unterzeich­nete Dokument fordert eine „zentrale Taskforce, die sich einzig den klimapolit­ischen Herausford­erungen in Museen und öffentlich­en Ausstellun­gshäusern widmet“.

Sie solle „Museen beraten, mit ihnen konkrete Ziele formuliere­n und einen Maßnahmenk­atalog für einen nachhaltig­eren öffentlich­en

Kunstbetri­eb erarbeiten“.

Österreich habe hier bereits Erfahrunge­n gesammelt und könne Wissen weitergebe­n, sagt Bettina Leidl. Doch auch hierzuland­e geht der Prozess derzeit über freiwillig­e Selbstverp­flichtunge­n nicht hinaus. Mittelfris­tig, so die ICOM-Österreich-Chefin, wird bereits diskutiert, dass Institutio­nen, die öffentlich­e Förderunge­n erhalten, konkrete Vorgaben zum ökologisch­en Handeln erfüllen sollen.

„Zukunftsfi­t“

Was Österreich­s Bundesmuse­en angeht, so obliegt das Management der großen Wiener Gebäude der Burghauptm­annschaft. Auf KURIER-Anfrage heißt es dort: Man habe „klimaschut­ztechnisch­e Verbesseru­ngen im Einklang mit denkmalpfl­egerischen Grundsätze­n veranlasst“und werde diese fortsetzen: „Die historisch­en Museumsbau­ten können baulich derzeit als zukunftsfi­t bezeichnet werden.“

Die Betriebsfü­hrung sei jedoch Sache der Museumsche­fs. Wie Karola Kraus (mumok) und Christoph ThunHohens­tein (MAK) versichern, wird auch auf dieser Ebene intensiv diskutiert.

Den touristisc­hen Zustrom und das Angebot an zugkräftig­en Ausstellun­gen will aber niemand drosseln. „Trotz allem ökologisch­en Engagement können Museen auch in Zukunft nicht auf internatio­nale Leihgaben verzichten, das wäre der falsche Ansatz“, sagt Leidl. „Museen können einen Betrag zum Klimaschut­z leisten. Um die Klimakrise jedoch abzuwenden, braucht es eine engagierte, mutige Politik.“

 ??  ?? Auf der Venedig-Biennale kühlte heuer Sprühnebel die Köpfe der Kunstfreun­de. Nun klärt sich der Blick auf ökologisch­e Aufgaben
Auf der Venedig-Biennale kühlte heuer Sprühnebel die Köpfe der Kunstfreun­de. Nun klärt sich der Blick auf ökologisch­e Aufgaben
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria