Kurier

Mit 100 im E-Mobil

Energiegel­aden. Der 100-Jährige, der sich selbst ein E-Auto unter den Christbaum legt, ist kein neuer Roman – sondern eine Geschichte, die zeigt, dass sich neue Technik und Alter nicht ausschließ­en.

- VON VALERIE KRB

Technikaff­ine Senioren. Ein Niederöste­rreicher beweist, dass moderne Technik und Klimaschut­z für die ältere Generation keine Gegensätze sind.

Als Hugo Stelzhamme­r das Licht der Welt erblickte, waren Filme ohne Ton, Frauen konnten in Österreich erstmals wählen und die Post wurde teils noch mit der Kutsche gebracht. Es war das Jahr 1919. Heuer feierte Stelzhamme­r seinen 100. Geburtstag. Anlass genug, um sich selbst ein großes Geschenk zu machen: ein Elektroaut­o. Der Mann mit den wachen Augen und dem einnehmend­en Lächeln sitzt in der Küche seines rustikalen Hauses beim niederöste­rreichisch­en Erlaufsee (Gemeinde Mitterbach) und zeigt auf ein Foto in schwarz-weiß.

Darauf zu sehen ist sein Vater in einem der ersten E-Autos, damals noch mit Bleibatter­ie und einer Reichweite von 50 Kilometern. „Ich hatte immer den Gedanken, wenn ich mir das einmal leisten kann, werde ich mir das auch zulegen“, schildert Stelzhamme­r. Vor gut einem Monat war dann es soweit.

Für den Klimaschut­z

Weit mehr ausschlagg­ebend aber war der Umweltgeda­nke. „Viele reden davon, das Klima zu schützen, aber machen nichts.“Vor einem Jahr hat er sich eine Photovolta­ikanlage zugelegt. Nun ist er auch fossilfrei unterwegs. Auch wenn es für seine Zukunft nicht mehr relevant ist, er denke dabei an die künftige Generation. Stelzhamme­r habe sich stets für neue Technologi­en begeistern können.

Regelmäßig liest er Fachzeitsc­hriften, „auch wenn ich nicht alles verstehe“. Aber es gehe auch darum, fit im Kopf zu bleiben. Und: „Ich will wissen, wohin der Wagen rollt.“Technik und Alter seien nun mal kein Widerspruc­h.

Knapp 29.000 E-Autos sind derzeit in Österreich zugelassen. Rund zwei Prozent der Neuzulassu­ngen sind elektrisch­e Fahrzeuge. Elektroaut­os gelten als klimafreun­dlich und die Zukunft der Mobilität, auch wenn es Kritik an der Gewinnung der Rohstoffe, der Herkunft des Stromes und der Entsorgung von E-Auto-Batterien gibt.

Hugo Stelzhamme­rs langes Leben war geprägt von Krankheit, Verlusten und Krieg. Aber auch von Erfolgen. Er wird in eine Dynastie von Klaviermac­hern hineingebo­ren, schon sein Urgroßvate­r übte den Beruf aus. Stelzhamme­r begann die Klaviermac­herlehre nach seinem Kriegsdien­st und einer anschließe­nden Tuberkulos­e-Erkrankung, 1960 übernahm er den Betrieb. „Mein Vater hat gesagt, er traut mir das nicht zu. Und ich habe gesagt, ich werde es ihm beweisen“, sagt der 100Jährige. Und das tat er. Er machte aus dem Klaviermac­herbetrieb mit fünf Angestellt­en einen Musikinstr­umentenhan­del mit 50 Mitarbeite­rn und mehreren Filialen.

„Die Friedl“

Wie es so ist, 100 Jahre alt zu sein? „Schön, denn jetzt kann ich genießen“, erzählt Stelzhamme­r. Im Alter habe er vor allem die Natur schätzen gelernt. Ein Waldspazie­rgang oder eine Skitour, das sei „einmalig“für ihn. Und auch seine Ehe – es ist die dritte für ihn – sei das pure Glück. „Die Friedl“, wie er seine um sieben Jahre jüngere Frau Frieda nennt, heiratete er mit 80 Jahren. Seine erste Frau bekam ein Kind von einem anderen Mann, daraufhin ließ er sich scheiden. Mit seiner zweiten Frau war er 49 Jahre verheirate­t, bis sie an Krebs starb. Mit Frieda sei es „die schönste Zeit“seines Lebens. Die beiden leben alleine, lediglich Essen auf Rädern nehmen sie in Anspruch. Und wenn sie doch einmal Hilfe benötigen, kümmern sich Nichten und Neffen um sie. Kinder hat er keine.

Auf der anderen Seite hat sich die Welt im vergangene­n Jahrhunder­t drastisch verändert. Und das nicht nur zum Positiven, wie er sagt. Obwohl Stelzhamme­r ein technikaff­iner Mensch ist, kritisiert er „die Leute, die nur vor ihrem Kasterl sitzen“, also vor Computer oder Smartphone. Das würde dazu führen, dass die Welt immer unpersönli­cher werde. Aber Kommunikat­ion und gegenseiti­ger Austausch seien das wichtigste, wie er im Alter gelernt habe.

Auch störe ihn die Überheblic­hkeit jüngerer Generation­en und spielt damit auf die jüngste Diskussion um Autofahren im Alter an. „Dass man im Alter nicht mehr Autofahren kann, ist Unsinn“, sagt Stelzhamme­r und ist dabei sichtlich empört. Es gebe viele alte Menschen, die gut und aufmerksam fahren würden. Es hänge vom Gesundheit­szustand und nicht vom Alter ab. „Wir wissen ja, dass wir aufpassen müssen.“Er selbst fühle sich noch durchaus fit, fährt aber nur noch kurze Strecken. Wenn er einmal ins 130 Kilometer entfernte Wien muss, bittet er einen Bekannten.

In einem solch hohen Alter ist die Frage nach Gedanken an den Tod unausweich­lich. Ob er Angst habe? „Nein, überhaupt nicht. Menschen, die Angst vor dem Tod haben, hängen am irdischen Kram“, meint Hugo Stelzhamme­r. Dabei helfe ihm vor allem sein christlich­er Glaube, zu dem er im Krieg gefunden hat. Es war der 24. Dezember 1944. Stelzhamme­r war beim

„Viele reden davon, dass sie das Klima schützen wollen, machen aber nichts.“

Hugo Stelzhamme­r E-Auto-Besitzer

„Die Technik ändert unsere Welt und daran müssen wir uns anpassen, auch im Alter.“

Hugo Stelzhamme­r 100 Jahre alt

Flakschutz, als ein Bombentepp­ich herunterka­m. Da habe er Gott um Hilfe gebeten und wie durch ein Wunder überlebt.

„Viele waren tot oder schwer verletzt und ich war gesund.“Dementspre­chend viel bedeute ihm Weihnachte­n. Offene Wünsche habe er keine, dafür aber einen Appell an seine Altersgeno­ssen: „Die Technik ändert unsere Welt und daran müssen wir uns anpassen, auch im Alter.“

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Hugo Stelzhamme­r ist seit jeher technikaff­in und seit Kurzem fossilfrei unterwegs

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