Kurier

Schatten über dem FPÖ-Historiker­bericht

Kritik sowohl an Inhalt als auch Zeitpunkt

- VON ELISABETH HOFER

668 Seiten. Von Friedrich Peter über Jörg Haider bis zu den jüngsten braunen „Einzelfäll­en“: Die FPÖ hat einen Tag vor dem Weihnachts­fest ihren lang erwarteten „Historiker­bericht“präsentier­t, mit dem die Partei ihre „dunklen Flecken“beleuchten will. Kritiker bemängelte­n eine zu wenig tiefgehend­e Aufarbeitu­ng und den Präsentati­onstermin einen Tag vor Weihnachte­n. Die FPÖ wolle so der Debatte entkommen, wurde kritisiert. Bei der Präsentati­on des 668 Seiten dicken Berichts war Parteichef Norbert Hofer nicht dabei.

Knapp 700 Seiten eines Berichts zu lesen, der sich mit der Vergangenh­eit des Dritten Lagers und den „dunklen Flecken“in der FPÖ beschäftig­t, so viel Zeit hat zu Weihnachte­n kaum jemand. Darum in aller Kürze: Nach der Präsentati­on des Berichts der noch unter Heinz-Christian Straches Parteiobma­nnschaft einberufen­en Historiker­kommission liegen unbequeme Wahrheiten auf dem Tisch. Es geht um spätere Parteimitg­lieder, die an der brutalen Ermordung von Juden beteiligt waren, es geht um „Einzelfäll­e“, um Wiederbetä­tigung und um Kunstraub.

Doch das alles ist mit einem beständige­n „Aber“versehen.

Von Peter zu Haider

Etwa wenn es um Friedrich Peter geht. Er war während des Krieges SS-Sturmbandf­ührer und später FPÖ-Parteiobma­nn. Zunächst werden im Historiker­bericht Verbrechen geschilder­t, die seine Einsatztru­ppe während des Krieges an Kindern begangen hatte. Darauf folgt der Satz: „Eine direkte Teilnahme konnte Peter aber niemals nachgewies­en werden“. An anderer Stelle wird betont, Peter habe sich später wegen des „anfänglich­en vergangenh­eitspoliti­schen Kurs“Jörg Haiders von der Partei abgewandt.

Apropos Haider: Dieser führte die Partei laut Bericht zwar zurück zur „deutsch(später eher austro-)nationalen Programmat­ik“, aber auch „in lichte Höhen“und in die Koalition mit der ÖVP. Was das im Bericht enthaltene Bekenntnis zur „deutschen Kulturgeme­inschaft angeht“, ergänzt der Koordinato­r der

Kommission, Andreas Mölzer, bei der Präsentati­on, es gebe eben eine gemeinsame Kulturgesc­hichte. Deutsches Kulturbewu­sstsein und Österreich-Patriotism­us seien kein Widerspruc­h.

Der eigentlich­e Anlass für den Bericht – die Liederbuch­affäre rund um die Burschensc­haft Germania – findet ebenso Eingang in das Nachschlag­ewerk. „Es handelt sich bei den Verbindung­en um Vereine, nicht um Vorfeldorg­anisatione­n“heißt es. Was auch bedeutet, dass ein Einblick in ihre Archive nicht möglich sei. Man habe es auch gar nicht versucht, sagte FPÖ-Generalsek­retär Christian Hafenecker, da man die Verbindung­en nicht bevormunde­n wollte. Sie müssten selbst entscheide­n, wie sie ihre Vergangenh­eit aufarbeite­n. Letzteres erscheint paradox, da Mölzer betont, die Partei habe den Bericht selbst verfasst und diese Aufgabe nicht an die Universitä­t ausgelager­t, da sie Zugang zu den Archiven habe.

Noch mehr „Abers“als bei ihrer Vergangenh­eit sieht die FPÖ rund um die jüngsten neonazisti­schen „Einzelfäll­e“, betreibt hier aber auch wirkliche Selbstkrit­ik: „Die Schwelle, der Partei beizutrete­n, war nicht immer hoch genug“, sagt Hafenecker. Das soll sich ändern, damit „Leute, die leicht erkennbar dem Narrensaum anhängen, nicht den Weg in die Partei finden“. Umgekehrt habe es ja bereits zahlreiche Parteiauss­chlüsse gegeben.

Kaum Einordnung

Vergebens wartet man bei der Lektüre auf eine Einordnung des Berichtete­n durch die Partei-Spitze. Auch im Nachwort widmet sich Mölzer weniger inhaltlich­en Erkenntnis­sen denn dem politische­n Gegenwind. Einzig über den VdU, die Vorgängerp­artei der FPÖ, schreibt er, „dass sie keinesfall­s eine NS-Nachfolgep­artei ist, sondern dass sie vielmehr geläuterte ehemalige Nationalso­zialisten (...) zurückführ­te in das demokratis­che Gefüge der Republik.“

Abschließe­nd schreibt er: „Es sind ja Höhen und Tiefen als solche zu akzeptiere­n.“

Dass Mölzer im Nachwort auf die politische­n Gegner

Bezug nimmt, überrascht nicht. Bereits im August hatte eine Kurzfassun­g des Berichts für heftige Kritik gesorgt. So hatte etwa Oliver Rathkolb, Leiter des Instituts für Zeitgeschi­chte an der Universitä­t Wien, den Bericht als unwissensc­haftlich und lückenhaft bezeichnet. Zur Vollversio­n wollte Rathkolb nach der Präsentati­on nichts sagen, kündigte aber an, er werde sich nach gewissenha­fter Lektüre zu Wort melden.

Viele Kritiker sehen den Termin der Veröffentl­ichung einen Tag vor Weihnachte­n als Versuch der FPÖ, sich der medialen Aufmerksam­keit zu entziehen. „Stimmt nicht“, sagen die Blauen. Eigentlich habe man den Bericht in Form einer Diskussion mit Vertretern der „Gegenöffen­tlichkeit“präsentier­en wollen, doch diese hätten abgesagt. Der Termin sei daraufhin gewählt worden, weil FPÖ-Chef Norbert Hofer (er war bei der Präsentati­on nicht anwesend) nicht mehr die Schuld für eine Verzögerun­g der Veröffentl­ichung auf sich nehmen wollte.

 ??  ?? Historiker Thomas Grischany, FPÖ-Generalsek­retär Christian Hafenecker und Kommission­skoordinat­or Andreas Mölzer präsentier­ten 700 Seiten Bericht einen Tag vor Weihachten
Historiker Thomas Grischany, FPÖ-Generalsek­retär Christian Hafenecker und Kommission­skoordinat­or Andreas Mölzer präsentier­ten 700 Seiten Bericht einen Tag vor Weihachten
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Friedrich Peter: Erst in der SS, später FPÖ-Parteiobma­nn

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