„Haben in Österreich ein ‚Förderalismus‘-Problem“
Politkritik. Manager befürchtet Reformbremse
Viel zu viel Aufmerksamkeit für Skandale, Personalspekulationen und Parteischarmützel, zu wenig für echte Zukunftsthemen, beklagt Martin Hagleitner, Chef der Austria Email AG, im Gespräch mit dem KURIER.
Dass die Übergangsregierung für „Nichtstun und Symbolik mit schönen Fotos“gefeiert werde, kann der frühere Managementberater nicht nachvollziehen: „Wenn Skandal- und Korruptionsfreiheit schon als Erfolg gelten, steht die Sonne im Land ziemlich tief.“
Nach „jahrzehntelanger Herrschaft eines Stagnationskartells von SchwarzRot, Sozialpartnern und Landesfürsten“habe die türkis-blaue Regierung Tabus angegangen und aus seiner Sicht „wichtige Akzente gesetzt, die jetzt nachgeschärft und fortgesetzt gehören.“Dazu zählt er die Sozialversicherungsreform, die begonnene Steuersenkung, den Bürokratie-Abbau sowie Migration und Integration. Vieles sei zwar durch das „unrühmlichspektakuläre Ende“unvollendet geblieben. Nun habe er aber die Sorge, dass künftig eine „Reformbremse mit Linksdrall“greift.
An die Parteizentralen
Der künftigen Regierung schlägt der (laut früheren KURIER-Interviews selbstdeklarierte) Wut-Unternehmer eine „Eins-zu-dreiSelbstverpflichtung“vor: Demnach sollen auf jede Vorschrift und jedes Verbot drei zukunftsgerichtete Anreize und Maßnahmen kommen. „Das wünsche ich mir auch für die Parteizentralen:
Auf jede Skandal-PresseAussendung sollen drei folgen, die lösungsorientierte Vorschläge bringen.“
Mit wirtschaftskompatibler Klimapolitik gebe es jetzt eine historische Chance auf langfristiges Wachstum. Bisher hinke der Gebäudesektor beim CO2-Einsparen nach. Österreich weise bei alten Boilern und Heizkesseln eher die Sanierungsrate eines Schwellenlandes als eines „Green-Tech-Champions“auf. Da seien Investitionsanreize und bessere Abschreibungsmöglichkeiten nötig.
70 Prozent Förderung
Die Ansicht von Ökonom Gabriel Felbermayr, Förderungen für Wärmepumpen seien „unsinnig“, weil sie die Herstellerfirmen einstreifen, teilt Hagleitner nicht: Unternehmen wie seines hätten die hohen KV-Gehaltssprünge in Österreich und Materialkosten nicht über höhere Preise weitergeben können. Wo er Felbermayr recht gibt: „Wir haben in Österreich ein ‚Förderalismus‘-Problem.“Ein Haushalt, der zum richtigen Zeitpunkt alle Fördertöpfe von Bund, Land und Gemeinde ausschöpfte, lukrierte bis zu 70 Prozent der Investitionssumme. Das sei zu viel – er halte 30 Prozent für ausreichend, wenn diese zielgerichtet und effizient seien.
Austria Email AG wurde 1855 gegründet und gehört zur französischen Groupe Atlantic, wo Hagleitner die deutschsprachige Region verantwortet. Rund 340 Mitarbeiter in Österreich erzielten mit Produkten wie Warmwasserbereitern und Wärmepumpen zuletzt 73 Mio. Euro Umsatz.