Kurier

„Ich habe gelernt, zu kämpfen“

Alma Zadić. Für die FPÖ ist die Ministerin ein Feindbild, weil sie in Bosnien geboren wurde. Sie sieht das als Motivation

- IDA METZGER

„Ich spreche bewusst von Migrations­vordergrun­d statt von Migrations­hintergrun­d. Denn man wird sehr oft darauf reduziert.“Diese Feststellu­ng machte Alma Zadić erst vor zwei Wochen in einem KURIER-Interview.

Offenbar hatte sie eine Vorahnung, was sich in den sozialen Medien abspielen würde, wenn sie zur ersten Ministerin angelobt wird, die nicht in Österreich geboren wurde – mit bosnischen Eltern aus Tuzla.

Seit Zadić, die mit zehn Jahren als Flüchtling­skind nach Wien kam, von den Grünen zur Justizmini­sterin gemacht wurde, steht die 35jährige Juristin unter Beschuss. Bewusst werden Fakten von den Blauen verdreht.

Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp behauptete, dass Zadić Muslima sei – tatsächlic­h ist sie ohne Glaubensbe­kenntnis – und dass die neue Justizmini­sterin in erster Instanz strafrecht­lich verurteilt sei. Was so auch nicht stimmt (siehe Faktenchec­k rechts). Dabei hat Zadić alle Integratio­nsziele, die die FPÖ von Flüchtling­en verlangt, längst übererfüll­t.

Möchte Vorbild sein

Gleichzeit­ig mit Sebastian Kurz startete sie ihr Jus-Studium. Zadić schloss mit einem Doktorat ab, Kurz hingegen brach es ab. Als sich Zadić und Kurz im Parlament vor zwei Jahren wieder über den Weg liefen – sie als Liste-Jetzt-Abgeordnet­e, er als Bundeskanz­ler – meinte Kurz ebenso scherzhaft wie anerkennen­d: „Du bist erfolgreic­her. Denn du hast das Studium abgeschlos­sen, ich nicht.“Sie hat darüber hinaus in den USA (Columbia University) studiert und in einer internatio­nalen Kanzlei gearbeitet: „Wenn

Zadić nicht qualifizie­rt ist, wer dann?“, kommentier­te Präsident Alexander Van der Bellen in der ORF-ZiB2.

Trotzdem ließen die Hasspostin­gs gegen die 35-Jährige wegen ihres Migrations­hintergrun­des nicht lange auf sich warten. Zadićs Vorgänger Clemens Jabloner sprach bei der Amtsüberga­be von einer Beschimpfu­ngsorgie, die einen besonderen Tiefpunkt darstelle. Jenen, die dafür verantwort­lich seien, attestiert­e er „Niedertrac­ht“.

Aber Zadić lässt sich von Attacken nicht beirren – sie hat den Ehrgeiz, die fremdenfei­ndliche Stimmung zu drehen. Ihre Vita als Flüchtling­skind habe sie „gelehrt, zu kämpfen“. Deswegen war sie eine Befürworte­rin der Regierungs­beteiligun­g der Grünen. „Es macht einen Unterschie­d, wer regiert.“Denn ein Motto von Zadić ist: „Wenn du es siehst, kannst du es sein.“

Gemeinsam mit den grünen Abgeordnet­en Faika ElNagashi

und Meri Disoski möchte Zadić jungen Menschen mit Migrations­hintergrun­d die Hoffnung geben, dass man durch Bildung den sozialen Aufstieg schaffen kann: „Meine Eltern haben mir immer gesagt, dass ich doppelt so viel leisten muss, wenn ich es schaffen will.“

Als sie 1994 nach Österreich kam, sprach sie kein Wort Deutsch. „Die Lehrer wussten nicht, was sie mit mir machen sollten. Die Erfahrunge­n, die ich dort gemacht habe, waren alles andere als angenehm für ein junges ehrgeizige­s Mädchen.“Erst ein Schulwechs­el, wo es mehr Kinder mit Migrations­hintergrun­d gab, erleichter­te Zadić die Integratio­n. Die Lehrer gaben ihr sofort Deutschunt­erricht.

Die 1990er-Dekade waren die Aufstiegsj­ahre des damaligen FPÖ-Chefs Jörg Haider. Zadićs Eltern hatten Angst, dass sie Österreich wieder verlassen müssen, wenn Schwarz-Blau kommt. „Aber es kam anders. Wir sind immer noch da. Auch heute gibt es Menschen, die Angst haben. Es wird einen Unterschie­d machen, dass es eine Ministerin gibt, die nicht in Österreich geboren ist.“Jetzt wacht Zadić über die juristisch­e Auslegung der Gesetze und möchte den Zuwanderer­n zumindest in Asylfragen Rechtssich­erheit geben.

In Österreich Premiere

Eine Ministerin mit Migrations­hintergrun­d: Was in Österreich eine Premiere ist, sorgt in anderen EU-Staaten für keine Debatten mehr. Londons Bürgermeis­ter Sadiq Aman Khan hat pakistanis­che Wurzeln. In Deutschlan­d war Philipp Rösler Vizekanzle­r. Er wurde in Südvietnam geboren und stieg zum FDP-Chef auf.

In Frankreich wurde Mounir Mahjoubi Staatssekr­etär für digitale Angelegenh­eiten. Er ist Sohn marokkanis­cher Einwandere­r. In Schweden ist Alice Bah Kuhnke, deren Vater aus Gambia stammt, Kulturund Demokratie­ministerin. Und in Slowenien wurde jüngst Angelika Mlinar Kohäsionsm­inisterin. Die österreich­isch-slowenisch­e Juristin saß zuvor für die Neos im EUParlamen­t.

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FPÖ fährt gegen die Justizmini­sterin Alma Zadić eine Kampagne und provoziert Hasspostin­gs
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Kogler – krawattenl­os – tritt sein Amt als Vizekanzle­r an, der Bundespräs­ident gratuliert

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