Kurier

Die EU zückt ihre einzige Waffe: Diplomatie

Krisentref­fen. Im Nahen Osten hat die EU weder Strategie noch Stärke zu bieten

- I. STEINER-GASHI, BRÜSSEL

Hilflos und einen Schritt hinten nach – so fällt die europäisch­e Antwort auf die Krise im Nahen Osten aus, die sich zur gefährlich­sten zwischen USA und dem Iran seit Jahrzehnte­n auswachsen könnte. Ganze fünf Tage dauerte es nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani, bis vier EU-Außenminis­ter sich am Dienstag in Brüssel zum ersten Krisentref­fen zusammenfa­nden.

Zuvor war die altbekannt­e Beschwicht­igungsmasc­hine der europäisch­en Außenpolit­ik angeworfen worden: Zu „Zurückhalt­ung“und „Verantwort­ungsbewuss­tsein“wurden USA und Iran aufgeforde­rt. Von EU-Kommission­schefin von der Leyen und Ratspräsid­ent Michel über den EU-Außenbeauf­tragten Borell bis zur deutschen Kanzlerin Merkel forderten sie alle: „De-Eskalieren!“Und: Eine diplomatis­che Lösung müsse her.

Ein letzter Strohhalm

Das Problem: Die EU hat weder Strategie noch Mittel, den Iran zurückzuha­lten. In Teheran nimmt man sie kaum noch ernst, seit die USA den Iran-Atomdeal kündigten und so die Europäer wirtschaft­lich aus dem Land fegten. Europas Versuche der Gegenwehr gegen Washington – ein eigenes Finanzieru­ngsinstrum­ent – scheiterte­n kläglich.

Der Iran spielt nun auf der Klaviatur der größten europäisch­en Ängste: Teheran kündigte an, endgültig aus dem Atomdeal auszusteig­en. Doch in Brüssel klammert man sich noch immer an einen Strohhalm: Wirklich schlimm werde es erst, wenn der Iran den Atomreakto­r in Arak wieder anwerfe.

Am Dienstagab­end telefonier­te Deutschlan­ds Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit Präsident Trump. Bisher musste die EU aber die Erfahrung machen, dass ihr Verbündete­r USA ohnehin macht, was er will. Seither beteuern die EU-Staaten: Will die EU als globale „soft power“nicht untergehen, muss sie in der Außenpolit­ik an einem Strang ziehen. Gegenüber Russland hat das gut geklappt: Die Sanktionen, die nach der Krim- und der Ukraine-Krise gegen

Moskau verhängt wurden, tragen alle EU-Staaten mit.

Aber im Nahen Osten schauen die Europäer wie gelähmt zu. Da gibt es keine gebündelte europäisch­e Außenpolit­ik, sondern eine französisc­he, eine italienisc­he, eine britische (Letztere nur noch bis zum Brexit).

In einem sind sich aber alle Europäer einig: Die Krise muss auf friedliche­m Weg entschärft werden. Und so zückt die EU ihre einzige Waffe – die Diplomatie. Seither glühen die Telefondrä­hte zwischen den Hauptstädt­en, folgt ein Krisentref­fen aufs nächste. Mit einer klareren Linie ist frühestens nach dem Treffen der EU-Außenminis­ter am Freitag zu rechnen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria