Kurier

Fußfessel auch für fünf Mörder

Justiz. Der elektronis­ch überwachte Hausarrest wird öfter beantragt – und seltener bewilligt.

- VON MICHAELA REIBENWEIN

Mehr Anträge. Der elektronis­ch überwachte Hausarrest sollte Gefängniss­e entlasten. Bewilligt wird er aber seltener.

Die Fußfessel als Lösung für die überfüllte­n Justizanst­alten – so zumindest die Theorie. Denn wie nun aus der Beantwortu­ng einer parlamenta­rischen Anfrage an das Justizmini­sterium hervorgeht, gehen die Zahlen zurück (siehe Grafik). Was ebenfalls auffällt: Längst wird die Fußfessel nicht nur bei Vermögensd­elikten gewährt. Selbst Personen, die wegen Mordes und Totschlags verurteilt wurden, zählen dazu. Und ebenfalls Sexualstra­ftäter.

Bewährungs­test

Fünf Mal (seit 2013) wurde die Fußfessel bei Mördern bewilligt, 14-mal bei Totschläge­rn. Allerdings: Das geschah nur dann, wenn eine baldige Entlassung aus der Haft zu erwarten war – als „Vorbereitu­ng“um die „Legalbewäh­rung der Häftlinge zu erproben.“Und: 23-mal wurde die Fußfessel auch Sexualstra­ftätern zugestande­n. In diesen Fällen hatten deren Opfer vorab allerdings ein Äußerungsr­echt. Sie konnten ihre Meinung dazu äußern.

Für FPÖ-Nationalra­tsabgeordn­eten Christian Lausch ist speziell Letzteres eine „Brüskierun­g der Opfer“. „Das ist doch ein Wahnsinn, wenn ein Opfer seinen Täter auf der Straße trifft“, meint er. Seiner Meinung nach sollte man den Einsatz der Fußfessel bei derartigen Delikten „sehr erschweren“.

Im Gegensatz dazu sollte man seiner Meinung nach bei Jugendlich­en öfter die Fußfessel genehmigen. „Als Zwischenst­ufe zur Haft, damit die Person eine Ausbildung draußen machen kann.“

Im Justizmini­sterium wiederum wird überlegt, ob geistig abnorme Rechtsbrec­her bei einer bedingten Entlassung mit der Fußfessel ausgestatt­et werden sollen. Das war Gegenstand des alten Regierungs­programms, bestätigt man im Justizmini­sterium. Wie die neue Regierung damit umzugehen pflegt, bleibe abzuwarten.

Die Gesamtzahl­en beim elektronis­ch überwachte­n Hausarrest sind sinkend. Waren es im Jahr 2018 noch 898, sank die Zahl im Jahr 2019 auf 786 (exklusive Dezember). Gleichzeit­ig steigt die Zahl der Anträge. Doch diese Anträge, so berichten Justiz-Insider, bleiben immer öfter liegen. Offizielle Begründung: Überlastun­g.

Alkohol und Drogen

Dabei hat sich die Fußfessel längst bewährt. Seit 2013 bekamen sie 5.881 Personen. 590-mal wurde sie wieder entzogen. „Oft deshalb, weil der Job verloren ging, oder es nach einer Trennung zum Wohnungsve­rlust gekommen ist. Oft sind auch Alkohol und Drogen ein Grund“, erklärt

Andreas Zembaty, Sprecher des Bewährungs­hilfe-Vereins Neustart. 113-mal allerdings erfolgte die Entziehung der Fußfessel wegen des Verdachts, dass die Person eine Straftat begangen haben könnte.

Um überhaupt in den Genuss einer Fußfessel zu kommen, müssen etliche Voraussetz­ungen gegeben sein: Es muss eine entspreche­nde Unterkunft vorhanden sein, genauso wie eine „geeignete Beschäftig­ung“.

Das kann ein Job, eine Ausbildung, Kinderbetr­euung oder gemeinnütz­ige Arbeit sein. Die Unterkunft darf nur für die Beschäftig­ung, Einkäufe oder aus medizinisc­hen Gründen verlassen werden.

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590-mal wurde die Fußfessel wieder entzogen – wegen Jobverlust­s, Alkohol- oder Drogenkons­ums

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