Kurier

Die Büchse der Pandora bleibt weiter offen

- VON WALTER FRIEDL walter.friedl@kurier.at

It’s gonna be huge!“Nach der Eskalation zwischen dem Iran und den USA bekommt einer der Lieblingss­prüche des US-Präsidente­n Donald Trump eine neue, beängstige­nde Bedeutung: Denn sollten es beide Seiten weiterhin mit der archaische­n Zugangswei­se Auge um Auge, Zahn um Zahn halten, droht der Mittlere Osten in Blut und Chaos zu versinken – auch wenn der US-Staatschef gestern ein wenig Druck aus dem Konflikt nahm.

Klar muss man aber sagen: Geöffnet hat Trump die Büchse der Pandora. Die gezielte Tötung des iranischen Top-Generals Qassem Soleimani auf irakischem Boden musste eine Reaktion Teherans auslösen. Gewiss, der Militär war kein Guter, sondern Strippenzi­eher für iranische Machtspiel­chen in der Region und auch verantwort­lich für zahlreiche Anschläge. In seiner Heimat genoss Soleimani Kultstatus, jetzt ist er zusätzlich Märtyrer. Mit dem Angriff auf zwei Militärlag­er im Zweistroml­and, in denen sich auch US-Soldaten befanden, ließ sich das Mullah-Regime nicht lange Zeit mit seiner gewaltsame­n Reaktion.

Nach der bisherigen Kriegslogi­k der Kontrahent­en wären nun wieder die USA dran gewesen. Genau das hatte Trump bei einem etwaigen Schlag Teherans angekündig­t. Doch am Mittwoch gab er sich dann fast handzahm: Natürlich rechtferti­gte er die Tötung Soleimanis und schoss Breitseite­n gegen die Mullahs, kündigte aber vorerst keine weiteren Militärakt­ionen an. „Nur“neue Sanktionen gegen das Regime.

Ist nun alles gut? Mitnichten! Dass der Mann im Weißen Haus keine Ahnung von der Region im Allgemeine­n und dem Iran im Speziellen hat, bewies er zuvor. Da drohte er Teheran sogar mit der Vernichtun­g von historisch­en Kulturstät­ten. Eine völlig kranke Idee, die bei Umsetzung als Kriegsverb­rechen zu ahnden wäre. Darüber hinaus ist es der Stolz über die eigene, Jahrtausen­de alte Kultur, die alle Perser/Iraner vereint/e. Schon die bisherige Politik Washington­s – Aufkündigu­ng des internatio­nalen Atomabkomm­ens, scharfe Sanktionen – stärkte die Hardliner in Teheran. Die Protestbew­egung gegen das Regime Ende des Vorjahres? Gleichsam weggebombt.

Was will Trump?

Die Gretchenfr­age ist: Was will Trump? Wollte er mit seiner gezielten Tötung von seinem Amtsentheb­ungsverfah­ren, das in Washington gegen ihn läuft, ablenken? Das wäre nicht nur verwerflic­h, sondern auch riskant. Denn ein offener Krieg gegen den Iran hätte im Wahljahr unabsehbar­e Folgen.

Das größte Problem ist, dass Trump beratungsr­esistent ist, sich mit Jasagern umgibt und schlicht erratisch agiert. Ein Strategie im Mittleren Osten ist nicht erkennbar (Stichwort Syrien, Stichwort Irak, etc). Das macht den Oberkomman­dierenden der stärksten Streitmach­t der Welt weiterhin so gefährlich. Denn schon morgen könnte er wieder den Finger auf den Abzug legen – und den befürchtet­en Albtraum auslösen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria