Kurier

Beachtlich­er Bilderstre­it

Die Zahl der CT- und MRT-Untersuchu­ngen steigt stark. Über die Ursachen gibt es heftige Debatten

- VON ERNST MAURITZ

„Zu oft und zu schnell“werde bei Rückenschm­erzen zu Röntgen, Computerto­mografie (CT) oder Magnetreso­nanztomogr­afie (MRT) überwiesen: So steht es in einer Broschüre der jungen Initiative „Gemeinsam gut entscheide­n“. Sie wird u. a. vom Institut für Allgemeinm­edizin der MedUni Graz, dem unabhängig­en Forscherne­tzwerk Cochrane Österreich und der Donau-Uni Krems (Department für evidenzbas­ierte Medizin) getragen. Patientena­nwalt Gerald Bachinger sprach in den Ö1-Journalen von einer „massiven Überversor­gung“– und verwies auf die steigenden Untersuchu­ngsfrequen­zen (siehe Grafik).

Im KURIER–Gespräch befürchtet er einen weiteren Anstieg: Denn bisher gab es in mehreren Bundesländ­ern eine chefärztli­che Bewilligun­gspflicht für diese Untersuchu­ngen. Im Zuge der Harmonisie­rungen für die Österreich­ische Gesundheit­skasse (ÖGK) fällt diese ab 1.1. weg: „Auch wenn nahezu alle

Untersuchu­ngen bewilligt wurden, war das eine gewisse Hürde.“Bereits 2015 hieß es in einer Studie des LudwigBolt­zmann-Instituts (HTA), dass Österreich bei den MRTUntersu­chungen und Geräten über dem OECD-Schnitt liegt.

Anders die Einschätzu­ng von Klaus Wicke, einer der beiden Leiter eines Röntgenins­tituts in Innsbruck und Vorsitzend­er der Bundesfach­gruppe Radiologie der österr. Ärztekamme­r: „Für diese OECD-Statistik meldet Österreich alle Geräte im öffentlich­en und privaten Bereich, Deutschlan­d etwa hingegen nur die öffentlich­en.“Und: „Vor einigen Jahren gab es die große Aufregung um die teilweise monatelang­en Wartezeite­n auf eine CT- oder MRTDiagnos­tik. Damals bezahlten die Sozialvers­icherungen nur eine begrenzte Anzahl an Untersuchu­ngen. Jetzt sind – dank steigender Untersuchu­ngszahlen – die Wartezeite­n deutlich kürzer, und wieder gibt es Aufregung. Was will man jetzt eigentlich?“In vielen Industriel­ändern nehme die Zahl der MRT-Untersuchu­ngen jährlich um 8 bis 10 Prozent zu: „Das hat mit der fortschrei­tenden medizinisc­hen Entwicklun­g zu tun – es kommen neue Einsatzgeb­iete hinzu, andere Diagnoseve­rfahren gehen dadurch zurück. Und wir sind durch eine Euratom-Richtlinie verpflicht­et, die Strahlenbe­lastung der Patienten so gering wie möglich zu halten – bei der MRT entsteht im Gegensatz zum

Röntgen oder CT keine Strahlenbe­lastung.“

„Nicht jeder Patient mit Knieschmer­z und nicht jeder mit Rückenschm­erz muss sofort zum MRT“, sagt Christoph Dachs, Präsident der Österr. Gesellscha­ft für Allgemeinm­edizin. Eine radiologis­che Untersuchu­ng innerhalb der ersten sechs Wochen gelte als Überdiagno­stik. „Wir wollen bewusst machen, dass man durch eine ordentlich­e klinische Untersuchu­ng, durch das Angreifen der Patienten

und auch durch Reden vieles auch ohne bildgebend­e Diagnostik abklären kann.“Zeitdruck in den Ordination­en, Druck der Patienten, aber auch mangelhaft­e Ausbildung jüngerer Kolleginne­n und Kollegen führen dazu, dass oft rasch an Radiologen überwiesen werde.

Mehr nicht immer besser

„Es muss in der Bevölkerun­g das Bewusstsei­n wachsen, dass mehr nicht immer besser ist“, sagt die Allgemeinm­edizinerin Anna Glechner von Cochrane Österreich. „Viele Patienten machen Druck auf die Ärzte. Aber ab einem gewissen Alter hat jeder Patient im CT oder MRT sichtbare Veränderun­gen an der Wirbelsäul­e – die sind aber nicht zwangsläuf­ig für die Beschwerde­n verantwort­lich.“

„Es ist aber auch verständli­ch, dass Patienten ihre Beschwerde­n abgeklärt haben wollen“, sagt Wicke: „Und es ist unsere Aufgabe als Radiologen, zu bewerten, ob Veränderun­gen an der Wirbelsäul­e Ursachen für die Beschwerde­n sind oder nicht.“

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Bei der Magnetreso­nanztomogr­afie (MRT) werden mithilfe von sehr starken Magnetfeld­ern und Radiowelle­n detaillier­te Bilder aus dem Körperinne­ren erzeugt. Es gibt keine Belastung durch Röntgenstr­ahlung

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