Koalitionsstart mit ersten Ansagen
Erste Teile der Steuerreform sollen 2021 in Kraft treten. Die Grünen wollen auf Dienstautos verzichten
Eine neue Bundesregierung braucht eine neue Inszenierung. Ein wenig zumindest. Und so gesehen war es nachgerade logisch, was sich am Mittwoch im Kanzleramt zutrug.
Für die erste Sitzung der tags zuvor angelobten Bundesregierung hatten Sebastian Kurz und Werner Kogler die Beginnzeit adaptiert: Der türkis-grüne Ministerrat tagt künftig um elf. Das ist später als in früheren Regierungen. Doch es wäre verwegen, die „gemächlichere“Beginnzeit als Indiz für eine neue Gemütlichkeit zu werten. Das Gegenteil ist der Fall. Doch dazu später mehr.
Zunächst gilt es zu erwähnen, dass Sebastian Kurz nach der ersten Regierungssitzung von Türkis-Grün nicht auftrat. An seiner statt erklärte sich Gernot Blümel.
Der neue Finanzminister wird nämlich, gemeinsam mit Werner Kogler, die „Koordinierung“übernehmen. Im Nicht-Politiker-Deutsch heißt das: Die beiden organisieren die Abläufe zwischen Türkis und Grün. Inhaltlich wie terminlich.
Und es wird federführend an ihnen liegen, den politischen Alltag – und damit das Gelingen – der Koalitionsarbeit zu garantieren.
Damit gleich einmal klargestellt ist, dass man „sofort mit der Arbeit startet“(Blümel), versuchte das ungleiche Koordinierungsduo – zackig und knapp der eine, launig abschweifend der andere – zu umreißen, welche Schwerpunkte des Regierungsprogramms schon demnächst umgesetzt werden.
Die Liste der erwähnten Maßnahmen blieb – vorerst – überschaubar. Man gab es lieber allgemein, sprach von möglichen „Schwerpunktsetzungen“, die 2020 noch angegangen werden könnten. Was genau? Soweit kam’s dann doch nicht.
Steuerreform 2021
Ausgemacht scheint zwischen ÖVP und Grünen jedenfalls, dass die erste Etappe der Steuerreform im Jänner 2021 in Kraft tritt.
Da beiden Koalitionspartnern die Entlastung der Niedrig-Verdiener ein Anliegen ist, besteht eine „gewisse Verdachtslage“(Kogler), dass dieser Schritt schneller passiert als die Entlastung von mittleren und höheren Einkommen.
Auch beim Bundesbudget beschrieben Blümel und Kogler grob das Fixierte: Am 18. März wird der neue Finanzminister seine erste Budgetrede halten. Bis dahin wird der Staat mit einem Provisorium verwaltet, das bei der Nationalratssitzung kommenden Freitag beschlossen werden soll.
Keine Eile besteht bei der „ökosozialen Steuerreform“. Die „Umsteuerung“, also der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, sei ein Projekt, bei dem man an „größeren Rädern“zu drehen habe – und das dürfe, ja müsse mehr Zeit in Anspruch nehmen, sagte Kogler. Der Grüne hatte – auch das sei gesagt – bei der ersten Erklärung als stellvertretender Regierungschef die Lacher auf seiner Seite.
Anekdotisch sei die Szene erwähnt, als ein ÖVP-Sprecher Koglers Auftritt für beendet erklärte, obwohl der Chef der Grünen noch etwas zu sagen hatte. Andere Vizekanzler hätten mit Grimm reagiert. Aber Kogler? Er zwinkerte, sagte ein gedehntes „Passt scho!“ins Mikrofon – und ließ es damit bewenden.
Am Rad unterwegs
Am Umstand, dass ÖVP und Grüne in unterschiedlichen Welten leben, ändert die Harmonie bei der Premiere freilich wenig. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, wie es die Parteien mit der Mobilität halten. Beispiel Leonore Gewessler: Nur wenn es das Wetter absolut nicht zulässt, will die neue Umweltministerin der Grünen nicht per Rad zu Terminen fahren. Auch Vizekanzler Werner Kogler, Justizministerin Alma Zadić sowie Sozialminister Rudolf Anschober werden auf die klassischen Dienstlimousinen verzichten.
„Wir prüfen gerade, welche Möglichkeiten es gibt, wenn wir Termine in den Bundesländern haben“, sagt eine Sprecherin. Soll heißen: Nicht nur Bahn, sondern auch Mietoder Kauf-eMobile werden herangezogen.
In der ÖVP will man vorerst keine Änderungen in Sachen Mobilität vornehmen. Bundeskanzler Sebastian Kurz und seine Ministerkollegen werden weiter mit Limousine und Flugzeug unterwegs sein.
Wie praktikabel die CO2-freien Vorsätze der Grünen sind, wird sich ohnehin noch weisen. Für Minister sind ihre Limousinen in der Regel Büros, in denen sie zwischen Terminen telefonieren, Akten durcharbeiten und sich mit Mitarbeitern oder dem Koalitionspartner abstimmen.
Bei Werner Kogler wird es öfters dazu kommen, dass er sich selbst ein eAuto mietet oder eines aus dem Verteidigungsministerium ausborgt. Denn dass der grüne Vizekanzler staatspolitisch heikle Entscheidungen oder Telefonate im Bus oder zwischen den Passagieren einer Straßenbahn trifft, wird in seinem Umfeld – wohl zu Recht – ausgeschlossen.