Kurier

Die Opposition muss sich neu erfinden

- VON MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Bei Rot und Blau ist Krisenbewä­ltigung angesagt – und selbst Pinke werden eine neue Nische suchen müssen.

Wie geht es eigentlich der Opposition? Die neue Regierung hat ihr die Schau gestohlen. Zwei müssten darüber froh sein: SPÖ und FPÖ. Durch die scharf kalkuliert­e türkis-grüne Informatio­nspolitik, die lange vor allem eine Nicht-Informatio­n war, war die Opposition ins Scheinwerf­erlicht gerückt. Und damit all ihre Probleme.

Die SPÖ hat sich in den vergangene­n Jahren thematisch auf das Feindbild Türkis-Blau verengt. Jetzt wird sie notgedrung­en Opposition­sallianzen mit der FPÖ im Parlament schließen müssen. Das ist nicht so schwer, wie es wirkt: In Sozialthem­en war man oft einer Meinung. Rot-Blau bemüht sich jetzt schon, die Grünen als „sozial kalte“Wendehälse abzustempe­ln, die vom großen Bruder Sebastian Kurz über den Tisch gezogen wurden.

Das hat nur den Schönheits­fehler, dass Rot selbst mit Grün in Wien regiert. Genau dort steht heuer viel auf dem Spiel: Die letzte rote Machtbasti­on muss verteidigt werden, und die SPÖ hofft, dass bis zum Wahltag im Herbst die ersten Fetzen im Bund fliegen. Warum eine starke Sozialdemo­kratie notwendig ist, muss sie dennoch neu erklären. Ein bisschen scheint da die Platte hängen geblieben zu sein. In der heutigen Nationalra­tssitzung werden Anträge für mehr soziale Gerechtigk­eit eingebrach­t. Aber in einem Land mit so hoher sozialer Umverteilu­ng wirkt das schon etwas retro. Außerdem ist nicht klar, ob die SPÖ nun rechts blinkt oder doch als einzige linke Partei wahrgenomm­en werden will. (Oder so wie Hans-Peter Doskozil beide Richtungen zu vereinen sucht.) Und Pamela RendiWagne­r? Sie wäre eine tadellose Vizekanzle­rin gewesen, aber Opposition­schefin?

Spaltung nicht vom Tisch

Bei der FPÖ ist es ähnlich: Norbert Hofer war ein konziliant­es Regierungs­mitglied, passt aber nicht zum aggressive­n Opposition­skurs, zu dem die Partei wohl zurückkehr­en wird. Klubobmann Herbert Kickl steht dafür. Die Partei hat sich nach dem Ibiza-Desaster gestern neue Compliance-Regeln verordnet. Aber ein echter Neustart schaut anders aus. Auch eine Spaltung – sollte HeinzChris­tian Strache in Wien antreten – ist noch nicht vom Tisch. Gestern wechselten wieder drei blaue Bezirksrät­e (aus Wien-Favoriten) zur blauen Abspaltung DAÖ.

Bleiben die Neos. Krise gibt es keine, aber auch hier sucht man eine neue Nische. Während des Wahlkampfe­s war es die Rolle einer konstrukti­ven Opposition­spartei, die in einer wackeligen Koalition für mehr Stabilität sorgen könnte. Diese Erzählung ist jetzt erst einmal vorbei, was den Pinken sichtbar wehtut. Sie wirken neuerdings ein wenig verbissen, wenn sie nach den Haaren in der Koalitions­suppe suchen.

Nein, 2020 ist wohl nicht das Jahr der Opposition – aber möglicherw­eise das Jahr ihrer Selbstfind­ung.

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