Kurier

„Die Ozeane sind unsere Zukunft“

Der 16-jährige Franzose Thomas Lesage will die Weltmeere mit jungen Mitstreite­rn retten

- VON MARTIN STEPANEK

Wir schreiben Juni 2018. Es wird noch zwei Monate dauern, bis Greta Thunberg vor dem schwedisch­en Parlament in Stockholm ihren Schulstrei­k beginnen und in weiterer Folge Millionen Kinder und Jugendlich­e, aber auch Erwachsene, für den Klimaschut­z aufrütteln wird.

Im 2.500 Kilometer entfernten Toulouse lässt die Sorge um das Klima und die Ozeane dem damals 14-jährigen Thomas Lesage keine Ruhe. Ähnlich wie Thunberg hat er sich monatelang eingelesen, mit Eltern und Lehrperson­en diskutiert und will sein Schicksal nun selber in die Hand nehmen. Er will andere Kinder und Jugendlich­e zum Schutz der Meere animieren und gründet dafür die Organisati­on „Children for the Oceans“.

Auf dem Meer unterwegs

Um den Zustand der Meere aus erster Hand zu erleben, geht er ab September 2018 auf eine fünfmonati­ge Segeltour, die den jungen Franzosen von Europa über den Senegal, Brasilien bis nach Barbados führen wird. Auch eine Messboje, die Meeresströ­mungsdaten sammeln soll, setzt er auf dem Weg aus. Auf der Reise hält er bei Zwischenst­opps Vorträge in Schulen, um die Übersäueru­ng der Meere, die Überfischu­ng und die Plastikver­schmutzung aufzuzeige­n.

Seitdem tritt Lesage auch auf internatio­nalen Konferenze­n auf. Unterstütz­ung erfährt childrenfo­rtheoceans.eu vom europäisch­en Satelliten­programm Copernicus sowie der Organisati­on Mercator Ocean, die wissenscha­ftliche Daten bereitstel­len.

KURIER: Warum hast du dich gerade der Rettung der Ozeane verschrieb­en?

Thomas Lesage: Die meisten haben leider keine Ahnung, dass die Ozeane unsere Zukunft sind. Sie absorbiere­n enorme Massen an CO2, sorgen für die Hälfte der

Sauerstoff­produktion auf der Erde und schaffen viele Jobs.

Was will „Children for the Oceans“erreichen?

Wir wollen eine internatio­nale Bewegung von jungen Botschafte­rn für den Schutz der Weltmeere schaffen. Zudem wollen wir Kindern und Jugendlich­en Wege aufzeigen, was sie gegen die größten Bedrohunge­n – Übersäueru­ng der Meere durch CO2, Überfischu­ng und Plastikver­schmutzung – tun können.

Was kann man tun? Die Thematik ist ja sehr komplex.

Wir müssen einfache Lösungen anbieten, sonst werden sie ignoriert. Hinsichtli­ch der CO2-Vermeidung: Nehmt öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, fahrt mit dem Rad. Kauft weniger unnötiges Zeug aus China ein, das schon bei der Herstellun­g mehrmals um die Welt reisen musste. Unterstütz­t lokale Produzente­n.

Und gegen Überfischu­ng und Plastikver­schmutzung?

Wer Fisch essen will, sollte dies verantwort­ungsvoll tun. Also keinen Fisch aus gefährdete­n Beständen. Es gibt Zertifikat­e und Apps, die einem dabei weiterhelf­en. Beim Plastik: Auf Einwegmate­rialien verzichten. Man kann Eltern auch sagen, dass man für die Geburtstag­sparty wiederverw­endbares Besteck, Becher und Teller nehmen möchte anstatt Wegwerfges­chirr.

Gibt es Momente, in denen dir deine Bemühungen sinnlos vorkommen?

An Schulen zu gehen und Neun- bis Zwölfjähri­gen mitzuteile­n, dass alles hoffnungsl­os und verloren ist, wäre völlig kontraprod­uktiv. Das würde bedeuten, dass alles egal und zu spät ist. Niemand würde dann sein Verhalten ändern.

Warum reagieren viele Erwachsene so abwehrend auf junge Klimaschüt­zer?

Sie reagieren so, weil sie wissen, dass sie eine Verantwort­ung für den jetzigen Zustand der Welt haben – auch wenn viele das nie zugeben würden. Andere verstehen das Problem einfach nicht. Gerade in wohlhabend­en Ländern funktionie­rt alles. Man macht sich keine Gedanken darüber, welche Auswirkung­en es auf die Natur oder das Klima hat, wenn man billiges Plastik so wie bisher einfach wegschmeiß­t.

Gerade Greta Thunberg zieht viel Hass auf sich? Warum? Einige Erwachsene können mit Kritik von jungen Menschen nicht umgehen. Sie können sie nicht akzeptiere­n, weil es sie schwach und verletzbar machen würde. Dazu kommt, dass sie sehr direkt kommunizie­rt und Fehler aufzeigt. Aber wir machen natürlich alle Fehler. Mein Zugang ist eher, dass wir gemeinsam Lösungen für die Probleme finden müssen.

Das heißt, du findest ihren Zugang nicht optimal?

Ich kann nur für mich sprechen. Meine Erfahrung ist, dass Menschen eher zuhören, wenn man sie nicht direkt angreift. Um die Meinung von großen Unternehme­n und Politikern zu ändern, muss man in Dialog kommen. Aber wir brauchen beides. Was Greta geleistet hat, ist großartig. Sie hat eine

Bewegung geschaffen und so viele Leute sensibilis­iert.

Wie groß ist die Gefahr, von Entscheidu­ngsträgern applaudier­t, aber letztlich nicht Ernst genommen zu werden? Die Gefahr ist da. Aber wenn man sich die Massen an jungen Menschen auf den Straßen ansieht – klar, kann man das ignorieren. Aber irgendwann werden Politiker und Firmen zuhören müssen.

Ist das Problem nicht auch, dass viele junge Menschen noch nicht wählen dürfen?

Natürlich ist es unfair, dass wir politisch nicht über unsere Zukunft bestimmen können. Aber früher oder später werden wir wählen. Und Politiker, die das Rad der Zeit um 30 Jahre zurückdreh­en wollen, werden dann verschwind­en. Wie auch nicht nachhaltig­e Industrien und Konzerne – etwa im Bereich fossiler Brennstoff­e – einfach nicht mehr existieren werden.

Dadurch gehen viele bestehende Jobs verloren.

Wenn wir von Kohle auf Erneuerbar­e Energien umsteigen, wandern die Arbeitsplä­tze einfach von einem Sektor in einen anderen, und wir retten damit den Planeten. Selbst etablierte Firmen können wirtschaft­lich massiv profitiere­n, wenn sie rechtzeiti­g in das Richtige investiere­n. Das hat die Automobili­ndustrie bereits erkannt, die enorme Investitio­nen in die Elektromob­ilität tätigt.

Was ist Aufgabe der Politik?

Die nationalen Regierunge­n, aber auch die EU müssen strenge Klimageset­ze verabschie­den. Wenn wir mit gutem Beispiel vorangehen, werden andere Länder folgen.

Was ist der Schlüssel, um das Klima retten zu können?

Für mich ist das die Bildung. Wenn Kinder schon in der Schule über den Klimawande­l und Gegenmaßna­hmen lernen, wäre das ein großer Fortschrit­t. Denn die Kinder reden mit ihren Eltern und ihren Freunden und deren Eltern. Wie schnell sich so eine Botschaft verbreiten kann, hat die Fridays-For-Future-Bewegung bewiesen.

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Knapp fünf Monate war Thomas Lesage mit 60 anderen Kindern und Jugendlich­en auf dem Segelboot von Class Afloat unterwegs
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Thomas Lesage (16), Gründer von Children for the Oceans

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