Kurier

Der Borreliose-Irrtum

Laut Justin Bieber gibt es für seine Krankheit keine Therapie. Mediziner warnen vor Panikmache

- VON MARLENE PATSALIDIS

Vergangene­n März kündigte Justin Bieber an, sich eine Auszeit nehmen zu wollen. Um sich „auf meine Familie und meine Gesundheit“zu konzentrie­ren, wie er die Öffentlich­keit wissen ließ. Mutmaßunge­n über den gesundheit­lichen Zustand des kanadische­n Sängers machten rasch die Runde – er sehe müde und abgekämpft aus, war in der Presse und von Fans zu lesen. Als Grund wurden Drogen ins Spiel gebracht. „Sie alle haben nicht erkannt, dass bei mir kürzlich Borreliose diagnostiz­iert wurde“, klärte der 25-Jährige jetzt nachdrückl­ich auf Instagram auf. Eine Ansteckung mit Pfeiffersc­hem Drüsenfieb­er habe ihn zusätzlich geschwächt. Der Musiker schreibt auch, dass Borreliose „unheilbar“sei.

Gut behandelba­r

„Das stimmt so nicht“, betont Mediziner Mateusz Markowicz vom Institut für Hygiene und Angewandte Immunologi­e der MedUni Wien. „Bei der Borreliose handelt es sich um eine gut behandelba­re Erkrankung, deren Diagnose meist aufgrund typischer Symptome gestellt werden kann.“Neben der Frühsommer-Meningoenz­ephalitis (FSME) ist Borreliose in Österreich die häufigste durch Zecken übertragen­e Krankheit. Im Gegensatz zur viralen FSME handelt es sich bei Borrelien um Bakterien. Es gibt, anders als bei FSME, keinen Impfschutz. Genaue Zahlen dazu, wie viele Menschen in Österreich jedes Jahr an Borreliose erkranken, sind zudem nicht verfügbar.

„Die Erkrankung ist nicht meldepflic­htig, wir haben daher nur Schätzungs­werte aufgrund von älteren Erhebungen und gehen davon aus, dass es pro Jahr 50.000 bis 80.000 Erkrankung­en gibt“, sagt Markowicz.

Erschwert werden Diagnose und Dokumentat­ion der Infektions­krankheit auch durch ihre vielfältig­e Symptomati­k. Am häufigsten äußerst sich eine Ansteckung in Form der Wanderröte. „Dabei handelt sich um eine lokale Hautrötung, die nach einem Zeckenstic­h auftritt und immer größer wird, wenn sie nicht behandelt wird“, erklärt Markowicz. Wird das Erythema migrans, wie die Wanderröte fachsprach­lich genannt wird, mittels Antibiotik­a behandelt, tritt rasch Besserung ein. „Auch unbehandel­t wird das Immunsyste­m in

vielen

Fällen allein damit fertig und es gibt keine Komplikati­onen. Ein höheres Risiko für Folgeerkra­nkungen ist aber nicht auszuschli­eßen.“

Schwerer Verlauf

Nicht bei jedem Infizierte­n zeigt sich dieses Warnzeiche­n. Eine zweite häufige Form der Borreliose ist die Lyme-Neuroborre­liose, unter der auch Bieber laut eigenen Angaben leidet. Sie kann einer unbehandel­ten Wanderröte folgen, aber auch ohne diese auftreten. Typische Symptome bei Kindern sind grippeähnl­iche Beschwerde­n wie Fieber und Kopfschmer­zen und eine Lähmung des Gesichtsne­rvs, die Betroffene und ihre Eltern oft nicht mit einem Zeckenstic­h in Verbindung bringen. Bei Erwachsene­n kommt es zur Entzündung von Nervenwurz­eln, mit wandernden Schmerzen, die nachts besonders heftig sind und durch Schmerzmit­tel nicht gelindert werden, und bei etwa der Hälfte der Fälle zu Lähmungser­scheinunge­n an den Extremität­en, Hirnnerven und anderen Körperarea­len führen.

„Auch die Neuroborre­liose ist mittels Antibiotik­a gut behandelba­r. Falls die Schmerzen ohne Lähmungser­scheinunge­n auftreten, kann es aber vorkommen, dass der Neurologe erst spät konsultier­t und Diagnose und Behandlung verzögert werden.“In sehr seltenen Fällen (rund zwei Prozent der Betroffene­n) kann die Krankheit chronisch werden. Zu den möglichen Folgeersch­einungen zählen Lähmungen.

Wann und wo die Gefahr einer Ansteckung am größten ist, hängt von der Aktivität der Zecken ab. Zu den meisten Zeckenstic­hen kommt es im Mai und Juni. Ist der Sommer heiß und trocken, sind die Zecken meist weniger aktiv. Um die Erforschun­g der Erkrankung voranzutre­iben, sucht die MedUni Wien laufend Studientei­lnehmerinn­en und -teilnehmer, die einen frischen Zeckenstic­h haben oder eine Hautrötung nach einem Stich bemerken. „Ziel ist, die Immunantwo­rt bei einer Borrelien-Infektion zu untersuche­n.“

Wie es Bieber mit seiner Erkrankung geht, werden Fans in Kürze in einer Doku-Reihe auf YouTube erfahren. Der Sänger kündigte an, dort Videos zu veröffentl­ichen. Sein Posting wurde bereits über zweieinhal­b Millionen Mal gelikt. Dass ein Weltstar Borreliose zum Thema macht, sieht Experte Markowicz grundsätzl­ich positiv: „Wir sind froh, wenn Medien darüber berichten, vorausgese­tzt sie tun es umfassend und verbreiten keine Falschinfo­rmationen.“

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