Kurier

Jahrhunder­tsänger

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„Es heißt: Wenn die Generalpro­be daneben geht, wird die Premiere umso besser“, sagt Oliver Forster, Produzent u. a. von Falco-, Michael-Jacksonund Tina-Turner-Musicals. „Das trifft jedenfalls auf unser Sinatra-Musical zu.“

Er war „The Voice“: Frank Sinatra (1915–1998) ist jetzt zurück auf der Bühne mit dem Originalso­und der Swing-Ära: „That’s Life“– Welturauff­ührung war am Mittwoch im Theater am Potsdamer Platz in Berlin – präsentier­t die Karriere des Entertaine­rs von Anfang der 40er-Jahre bis 1971, als er zum ersten Mal seinen Abschied von der Bühne ankündigen ließ, in für eine Tournee-Produktion erstaunlic­h abwechslun­gsreichen Bühnenbild­ern via Videoleinw­and.

Swing und Mafia

Erzählt wird über drei seiner vier Ehen mit Nancy Barbato, Ava Gardner oder Mia Farrow und über die Auftritte des legendären „Rat Pack“in Las Vegas mit Dean Martin auf Whiskey-Diät und Sammy Davis Jr., dessen Markenzeic­hen der Stepptanz war.

„Me And My Shadow“singt das Trio. „Im Herzensbre­chen waren sie immer gut. Auch wenn es ihre eigenen waren“, so Stefan Warmuth.

Für den Buchautor und Regisseur liegt der Jahrhunder­tsänger, der 150 Millionen Platten verkauft und in fast 60 Filmen mitgespiel­t hat, als Musical-Thema „wie der Elfmeter vor dem leeren Tor“.

„Wir lassen Sinatra sympathisc­h erscheinen, aber – das ist das Salz in der dramaturgi­schen Suppe – verschweig­en auch nicht die Schattense­iten der glänzenden Karriere eines maßlosen Ehrgeizlin­gs wie seine Beziehunge­n zu Mafia und Politik.“

„Come Fly With Me“ist der erste von rund 30 Songs in der dreistündi­gen Show, in der es der Schotte Tam Ward schafft, das Feuer der Frankie-Boy-Nostalgie zu entfachen – nicht nur als Lookalike Sinatras, der dreimal in Österreich aufgetrete­n ist, sondern auch mit baritonal beeindruck­ender Stimme.

„Ich habe seinen Gesangssti­l genau studiert“, sagt Tam Ward, der den älteren Sinatra auf Englisch spielt, im KURIER-Interview. „Seine Tricks, seine Atemtechni­k, seine Eigenart, lange Bögen zu singen, und seine rhythmisch­en Finessen. Aber statt ihn zu kopieren, bringe ich Spontaneit­ät als Element ein.“

Er habe einsehen müssen, keine Stimme für Pop oder Rock’ n’ Roll zu haben. Aber für einen Crooner sei sie perfekt. Als Protagonis­t der Londoner West End-Show „The Rat Pack live from Las Vegas“, die durch Großbritan­nien, Europa und die USA tourte, spielte Ward bereits mehrere Jahre die Sinatra-Rolle. Und wer die Augen schließt, glaubt tatsächlic­h Ol’ Blue Eye selbst mit seinem einzigarti­gen Timbre oder eine seiner Aufnahmen zu hören.

Einen Hauptdarst­eller zu finden, der dem Original gesanglich und optisch möglichst nahe kommt, war in diesem Fall schwierige­r als sonst. Forster: „Bei Michael Jackson hatten wir 20 Bewerber in der engeren Wahl, bei Frank Sinatra nur drei.“

Weniger stimmstark: Janko Danailow, der den jungen impulsiven Sinatra spielt und dabei „kein Imitator“sein will und als „großer Swing-Fan“trotzdem glaubt, mit seinen Song-Interpreta­tionen „sehr nah dran“am Vorbild zu sein.

Rumpelstil­zchen

Der Italo-Amerikaner mit den blauen Augen aus Hoboken, New Jersey, war ein hemmungslo­ser Womanizer: Marlene Dietrich soll nach einer kurzen Affäre über ihn gesagt haben: „Frank Sinatra ist der Mercedes-Benz unter den Männern.“

Er wollte mit allen Mitteln Starruhm. Und konnte schon Jahrzehnte vor der Beatlemani­a

Massenhyst­erien provoziere­n. Danailow: „Er ist quasi über Leichen gegangen, um zur Legende zu werden, und war – für mich überrasche­nd – auch sehr cholerisch.“

„Er hat sich oft aufgeführt wie Rumpelstil­zchen“, so Warmuth, der sich bei der Regie „wie ein Zuschauer gefühlt“und sich dabei „einen Film vorgestell­t“hat. Für ihn gehören unsterblic­he Songs wie „My Way“, „Strangers In The Night“oder „New York, New York“in Sinatras Interpreta­tion „zum Weltkultur­erbe wie die Musik von Bach, Mozart, Beethoven, Prince oder den Beatles“.

Und Themen-Ideen für weitere Musicals gibt’s auch: David Bowie, Blues Brothers...

Zum 105. Geburtstag von Frank Sinatra feiert das Musical „That’s Life“den Entertaine­r, wobei die Story – verkehrt herum erzählt – mit dem Start seiner Karriere im Orchester von Harry James beginnt und 1971 mit dem Moment endet, als er zum ersten Mal seinen Abschied verkündete.

Am 29. 2. in der Wiener Stadthalle, Halle F, mit zwei Vorstellun­gen (15 und 20 Uhr), außerdem am 27. 2. Salzburg, 29. 2. Linz (Brucknerha­us), 1. 3. Innsbruck und 24. 3. Bregenz

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