Kurier

Ein Blutsauger als Pointensch­leuder

Die „Sherlock“-Macher haben Bram Stokers Klassiker für Netflix als Mini-Serie inszeniert

- VON NINA OBERBUCHER

Gegen Ende der ersten Episode steht Dracula nackt und blutversch­miert vor einer Gruppe von Nonnen und leckt ein Messer ab. Dabei hatte alles so gut angefangen.

„Dracula“, eine Neu-Adaption von Bram Stokers Klassiker in drei Teilen, ist aktuell bei Netflix zu sehen. Geschriebe­n wurde die Mini-Serie von Mark Gatiss und Stephen Moffat, den Machern von „Dr. Who“und „Sherlock“. Und auch in ihrer neuen Produktion wird – im weitesten Sinne – ermittelt: Schwester Agatha (Dolly Wells) knöpft sich einen seltsamen Mann vor, der völlig vernarbt und entkräftet aufgegriff­en und in ihr Kloster in Budapest gebracht wurde. Er sei vor dunklen Mächten geflohen, erzählt er, vor einem gewissen Graf Dracula.

Die resche Nonne will mehr wissen und unterzieht den Mann einem Verhör. Sie macht das mit Witz, ihre Fragen überrasche­n, ihre Sager sitzen: „Wie viele Frauen in meinem Alter bin ich in einer lieblosen Ehe gefangen und wahre den Schein, um mein Dach über dem Kopf nicht zu verlieren.“

Reise mit Folgen

Agathas entstellte­s Gegenüber heißt Jonathan Harker (John Heffernan). In Rückblende­n sieht man, wie der gutgläubig­e Anwalt aus Großbritan­nien sich nichts ahnend auf eine Reise ins schlecht beleuchtet­e Transsylva­nien begibt. Dort soll er Graf Dracula (Claes Bang) in seinem Schloss besuchen und mit ihm letzte Details für einen Immobilien­kauf durchgehen.

Während der unheimlich­e Gastgeber von Tag zu Tag jünger und vitaler aussieht, wird Harker immer schwächer und kränkliche­r und in der wohl grausamste­n Szene der ersten Episode fällt ihm sogar ein ganzer Fingernage­l aus.

„Dracula“greift viele bekannte Genre-Elemente auf, ohne sie einfach zu kopieren. Dazu kommen herrliche Dialoge: „Sie sind ein Monster!“, sagt Harker zu Dracula. „Und Sie sind Anwalt“, erwidert dieser: „Niemand ist perfekt.“

Dracula teilt sich die besten Pointen mit Schwester Agatha, die mit Freude sämtliche Vampir-Mythen auf den Prüfstand stellt, als sie dem charmanten Blutsauger endlich gegenüber steht.

Die Serie beginnt stark, kann die Spannung aber nicht aufrechter­halten und biegt unterwegs mehrmals falsch ab. Wer Folgen mit einer Länge von einer Stunde oft als anstrengen­d empfindet, für den könnte „Dracula“zusätzlich zur Herausford­erung werden: Jede der drei Episoden dauert rund eineinhalb Stunden.

Mini-Serie. 3 Episoden zu je circa 80 Minuten. Mit Claes Bang, Dolly Wells, John Heffernan. Verfügbar bei Netflix.

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