Kurier

„Mädchen tragen Kopftuch nie freiwillig“

Interview. Fünf Koalitions­politiker im KURIER-Gespräch. Die VP-Integratio­nsminister­in zeigt beim politische­n Islam Härte.

- VON CHRISTIAN BÖHMER

KURIER: Frau Ministerin, Sie haben Alma Zadić zuletzt gegen rassistisc­he Angriffe verteidigt. Zadić hat als Flüchtling­skind eine TopKarrier­e gemacht, sie übererfüll­t den Anspruch „Integratio­n durch Leistung“. Für manche Mitbürger ist das offenbar trotzdem nicht genug. Wie gehen Sie damit um?

Susanne Raab: Mir war es ein Anliegen, ein klares Zeichen gegen den Hass zu setzen, den Alma Zadić erfährt. Sie ist eine großartige Frau, eine kompetente Juristin, und sie wird im Justizress­ort einen guten Job machen. Der Zugang „Integratio­n durch Leistung“gilt für mich unveränder­t. Es ist nicht entscheide­nd, woher jemand kommt, sondern was man bereit ist, in Österreich zu leisten und beizutrage­n.

Im Regierungs­programm gibt es etwa mit der „Präventivh­aft“Vorhaben, bei denen die Grünen über ihren

Schatten springen mussten. Wo hat die ÖVP nachgegebe­n?

Bei Asyl- und Integratio­n sind die Zugänge zwischen ÖVP und Grünen sehr unterschie­dlich. Mir war es allerdings wichtig, dass wir einen restriktiv­en Zugang bei der Migrations­politik gewährleis­ten, weil das Gelingen von Integratio­n wesentlich davon abhängt, wie viele Menschen zuwandern. Erinnern wir uns an 2015/16, als wir 130.000 Asylanträg­e zu erledigen hatten. Die Folgen beschäftig­en uns bis heute. Daher darf das nie wieder passieren.

Aber Ihnen fällt derzeit nichts ein, wo die ÖVP den Grünen bei der Integratio­n nachgegebe­n hätte?

Nein, ich bin aus unserer Sicht sehr zufrieden.

Vertreter von Religionsg­emeinschaf­ten kritisiere­n, dass überall, wo im Koalitions­pakt „Integratio­n“steht, der Islam gemeint ist.

Im Integratio­nsbereich ist der Islam die wesentlich­ste Religion, weil viele Zuwanderer aufgrund der FluchtMigr­ation und der Gastarbeit­er-Migration aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawie­n diesen Glauben haben. Uns ist wichtig, zu unterschei­den, dass es den Islam als Religion gibt, dass es aber auch die

Ideologie des politische­n Islams gibt. Wir wollen Religionsf­reiheit für alle, aber wir wollen einen klaren Kampf gegen den politische­n Islam – und das wird einer meiner Schwerpunk­te als Integratio­nsminister­in. Politische­r Islam hat in Österreich keinen Platz, da gilt null Toleranz.

Wie groß ist das Problem tatsächlic­h? Mitunter hat man den Eindruck, es geht viel um Symbole und Stimmungen, aber wenig um Fakten.

Nein. Es ist eine Tatsache, dass der politische Islam im Bildungssy­stem, in sozialen Medien, aber auch in muslimisch­en Vorfeldorg­anisatione­n und Vereinen ein großes Thema ist. Dem will ich mit Null-Toleranz begegnen. Zu den Zahlen: Erst vor wenigen Wochen hat eine Studie gezeigt, dass 55 Prozent der afghanisch­en Jugendlich­en in Wien sagen, die islamische Religion steht über den Gesetzen. 45 Prozent sagen, sie wünschen sich einen islamische­n Gelehrten an der Spitze des Staates. Der politische Islam will die Scharia einführen und unser demokratis­ches System unterwande­rn. Und wenn 45 Prozent der Jugendlich­en das sagen, dann wissen wir: Es ist faktisch ein Problem.

Das Kopftuchve­rbot bis 14 gehört zu den umstritten­sten Maßnahmen von TürkisGrün. Wie viele Mädchen in dem Alter werden wirklich gezwungen, es zu tragen?

Ich war in Hunderten Schulen und weiß: Es sind viele. Jedes Kind, das zum Kopftuch gezwungen wird, ist eines zu viel. Wir hatten dieselbe Debatte beim Burka-Verbot, und das verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Jede Frau, die gezwungen wird, sich zu verschleie­rn, ist eine zu viel!

Aber wie ist es zu argumentie­ren, dass man das Kopftuch bei Mädchen verbietet, andere religiöse Bekleidung­en wie die Kippa aber nicht?

Das ist komplex, aber: Zentral geht es um das Kindeswohl, und das wiegt in einer verfassung­srechtlich­en Abwägung sehr schwer. Beim Kopftuch geht es darum, dass Mädchen in einem zentralen Lebensabsc­hnitt vermittelt wird, sie müssten ihre Weiblichke­it verhüllen. Als Psychologi­n frage ich: Wie soll aus einer 12-Jährigen eine selbstbest­immte Frau werden, wenn man ihr bereits im Kindesalte­r sagt, „du musst deine Weiblichke­it verstecken“. Darin liegt für mich der Unterschie­d. Das Kopftuch ist nicht nur ein religiöses, sondern auch ein politische­s Statement. Aus meiner Sicht tragen Mädchen das Kopftuch nie freiwillig, es ist immer Zwang dabei. Entweder kommt der Druck von der Familie oder von einer Gruppe.

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„Der Zugang ‚Integratio­n durch Leistung‘ gilt für mich unveränder­t“(Susanne Raab)

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