„Mädchen tragen Kopftuch nie freiwillig“
Interview. Fünf Koalitionspolitiker im KURIER-Gespräch. Die VP-Integrationsministerin zeigt beim politischen Islam Härte.
KURIER: Frau Ministerin, Sie haben Alma Zadić zuletzt gegen rassistische Angriffe verteidigt. Zadić hat als Flüchtlingskind eine TopKarriere gemacht, sie übererfüllt den Anspruch „Integration durch Leistung“. Für manche Mitbürger ist das offenbar trotzdem nicht genug. Wie gehen Sie damit um?
Susanne Raab: Mir war es ein Anliegen, ein klares Zeichen gegen den Hass zu setzen, den Alma Zadić erfährt. Sie ist eine großartige Frau, eine kompetente Juristin, und sie wird im Justizressort einen guten Job machen. Der Zugang „Integration durch Leistung“gilt für mich unverändert. Es ist nicht entscheidend, woher jemand kommt, sondern was man bereit ist, in Österreich zu leisten und beizutragen.
Im Regierungsprogramm gibt es etwa mit der „Präventivhaft“Vorhaben, bei denen die Grünen über ihren
Schatten springen mussten. Wo hat die ÖVP nachgegeben?
Bei Asyl- und Integration sind die Zugänge zwischen ÖVP und Grünen sehr unterschiedlich. Mir war es allerdings wichtig, dass wir einen restriktiven Zugang bei der Migrationspolitik gewährleisten, weil das Gelingen von Integration wesentlich davon abhängt, wie viele Menschen zuwandern. Erinnern wir uns an 2015/16, als wir 130.000 Asylanträge zu erledigen hatten. Die Folgen beschäftigen uns bis heute. Daher darf das nie wieder passieren.
Aber Ihnen fällt derzeit nichts ein, wo die ÖVP den Grünen bei der Integration nachgegeben hätte?
Nein, ich bin aus unserer Sicht sehr zufrieden.
Vertreter von Religionsgemeinschaften kritisieren, dass überall, wo im Koalitionspakt „Integration“steht, der Islam gemeint ist.
Im Integrationsbereich ist der Islam die wesentlichste Religion, weil viele Zuwanderer aufgrund der FluchtMigration und der Gastarbeiter-Migration aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien diesen Glauben haben. Uns ist wichtig, zu unterscheiden, dass es den Islam als Religion gibt, dass es aber auch die
Ideologie des politischen Islams gibt. Wir wollen Religionsfreiheit für alle, aber wir wollen einen klaren Kampf gegen den politischen Islam – und das wird einer meiner Schwerpunkte als Integrationsministerin. Politischer Islam hat in Österreich keinen Platz, da gilt null Toleranz.
Wie groß ist das Problem tatsächlich? Mitunter hat man den Eindruck, es geht viel um Symbole und Stimmungen, aber wenig um Fakten.
Nein. Es ist eine Tatsache, dass der politische Islam im Bildungssystem, in sozialen Medien, aber auch in muslimischen Vorfeldorganisationen und Vereinen ein großes Thema ist. Dem will ich mit Null-Toleranz begegnen. Zu den Zahlen: Erst vor wenigen Wochen hat eine Studie gezeigt, dass 55 Prozent der afghanischen Jugendlichen in Wien sagen, die islamische Religion steht über den Gesetzen. 45 Prozent sagen, sie wünschen sich einen islamischen Gelehrten an der Spitze des Staates. Der politische Islam will die Scharia einführen und unser demokratisches System unterwandern. Und wenn 45 Prozent der Jugendlichen das sagen, dann wissen wir: Es ist faktisch ein Problem.
Das Kopftuchverbot bis 14 gehört zu den umstrittensten Maßnahmen von TürkisGrün. Wie viele Mädchen in dem Alter werden wirklich gezwungen, es zu tragen?
Ich war in Hunderten Schulen und weiß: Es sind viele. Jedes Kind, das zum Kopftuch gezwungen wird, ist eines zu viel. Wir hatten dieselbe Debatte beim Burka-Verbot, und das verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Jede Frau, die gezwungen wird, sich zu verschleiern, ist eine zu viel!
Aber wie ist es zu argumentieren, dass man das Kopftuch bei Mädchen verbietet, andere religiöse Bekleidungen wie die Kippa aber nicht?
Das ist komplex, aber: Zentral geht es um das Kindeswohl, und das wiegt in einer verfassungsrechtlichen Abwägung sehr schwer. Beim Kopftuch geht es darum, dass Mädchen in einem zentralen Lebensabschnitt vermittelt wird, sie müssten ihre Weiblichkeit verhüllen. Als Psychologin frage ich: Wie soll aus einer 12-Jährigen eine selbstbestimmte Frau werden, wenn man ihr bereits im Kindesalter sagt, „du musst deine Weiblichkeit verstecken“. Darin liegt für mich der Unterschied. Das Kopftuch ist nicht nur ein religiöses, sondern auch ein politisches Statement. Aus meiner Sicht tragen Mädchen das Kopftuch nie freiwillig, es ist immer Zwang dabei. Entweder kommt der Druck von der Familie oder von einer Gruppe.