Kurier

Bussis in Brüssel

Premiere. Die erste Auslandsre­ise führte Kanzler Sebastian Kurz nach Brüssel. Dort gefällt Türkis-Grün. Zumindest, wenn es nach Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen geht.

- AUS BRÜSSEL CHRISTIAN BÖHMER

„Ich hoffe, dass das österreich­ische Modell in der EU Schule macht.“

Hätte sich Sebastian Kurz von Ursula von der Leyen nur einen einzigen Satz wünschen dürfen, vermutlich wäre es genau dieser gewesen.

Es ist Sonntag, Brüssel zeigt sich von seiner eher garstigen Seite – leichter Regen, dazu eine kalt-steife Brise – doch für den Bundeskanz­ler ist es ein guter Tag.

Gerade einmal fünf Tage hat er zwischen der Angelobung in der Wiener Hofburg und seinem ersten Besuch in Europas politische­r Hauptstadt verstreich­en lassen.

Er ist zurück, so könnte man sagen. Im Zentrum des Geschehens, auf der wirklich großen Bühne – und noch dazu mit einem Koalitions­partner, um den ihn so mancher in Europa beneidet.

Während Kommentato­ren im Ausland Türkis-Grün vielfach gelobt haben, hält sich die Zahl der Regierungs­chefs, die zum neuen Koalitions­partner gratuliert haben, in Grenzen, heißt es. Das überrascht.

Doch dafür wird der alte neue Kanzler an diesem Sonntag entschädig­t. Und das ist spätestens klar, als er im Sockelgesc­hoß des Kommission­sgebäudes durch den VIP-Eingang marschiert.

Küsschen links, Küsschen rechts – und dann gibt Ursula von der Leyen eine irgendwie überrasche­nde Rolle. Sie gibt den Fan. Und zwar den Fan der neuen türkis-grünen Koalitions­politik in Wien.

Woran man das sieht? Nun, die nicht unbedingt für emotionale­n Ausbrüche bekannte Bundesdeut­sche gratuliert dem ÖVP-Chef nicht nur „ganz, ganz herzlich“zur Regierungs­bildung, nein: Sie ist dezidiert „beeindruck­t“von „Geschwindi­gkeit, Konstanz und Modernität“der neuen Koalition. Vergessen scheinen die Tage, als sich Parteifreu­nde – von Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker abwärts – über die Koalition mit der FPÖ echauffier­ten.

Kurz selbst würde das so nie sagen, aber: von der Leyens Lob geht runter wie Öl.

„Es ist eine Freude, wie du die Kommission führst“, antwortet er entspreche­nd.

Doch es wäre falsch zu glauben, die gegenseiti­gen Höflichkei­ten seien allein damit zu erklären, dass einander hier zwei Parteifreu­nde treffen und man allein schon deshalb freundlich miteinande­r tut.

Abgesehen von der Parteifami­lie verbinden von der Leyen

und Kurz mehrere Dinge. Zum einen hat die frühere Ministerin in Österreich Familie – das schafft eine persönlich­e Sympathie zum Nachbarn.

Einig im Inhalt

Weit schwerer wiegt: Auch bei den zentralen Themen, die Österreich­s Regierungs­chef bei seinem Treffen mit der mächtigen Europäerin bespricht, war man sich bei dem einstündig­en Treffen sehr oft sehr einig.

Soll heißen: Was Klimaschut­z und Migration betrifft, kann von der Leyen den österreich­ischen Koalitions­plänen ( CO2-neutral bis 2040, konsequent­er Schutz der Außengrenz­en) viel abgewinnen. Das umso mehr, als der Klimawande­l

wirtschaft­lich eine Chance darstelle – „Technologi­e und Wissen“könnten Konjunktur­motoren werden.

Irgendwann am Nachmittag sitzt Sebastian Kurz an einem langen Holztisch in der österreich­ischen Botschaft in Brüssel und macht, was man im Fachjargon „De-Briefing“nennt – die Lage wird zusammenge­fasst. Am Tisch sitzen viele Journalist­en aus der Bundesrepu­blik. Auch sie wollen den Regierungs­chef erleben und befragen.

Und Kurz nutzt die Gelegenhei­t, um den deutschen Berichters­tattern zu erklären, was ihn an der deutschen Kommission­spräsident­in gefällt. „Ich rechne es Ursula von der Leyen hoch an, dass sie die verbindend­e Rolle schätzt und nicht weiter das Klima in der Union vergiften will.“

Das ist im Übrigen der dritte Punkt, bei dem sich die beiden einig sind: Die Gräben zwischen Ost und West in der EU müssen dringend zugeschütt­et werden.

Mit von der Leyens Rückendeck­ung wird Sebastian Kurz deshalb am Donnerstag am Treffen der Visegrad-Staaten in Prag teilnehmen.

Wien als „Brückenbau­er“und Friedensst­ifter zwischen Ost und West in der EU? Die Rolle ist nicht neu, aber sie gefällt Kurz. Wie fast alles an diesem Sonntag in der Hauptstadt der EU.

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Im Gleichschr­itt: Freundlich, ja fast schon euphorisch, empfing Kommission­spräsident­in von der Leyen Kanzler Kurz. Die Sympathie fußt auch auf gemeinsame­n Inhalten
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2017 küsste Kommission­spräsident Juncker Kurz demonstrat­iv, hinter den Kulissen ging es nicht so freundlich zu

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