Kurier

Wie menschlich dürfen Roboter sein?

Androide, die uns ähnlich sehen, fasziniere­n uns, lösen aber auch Unbehagen aus

- VON ANDREEA IOSA

Gruselig, unheimlich und dennoch anziehend. Auf der diesjährig­en Consumer Electronic­s Show (CES) in Las Vegas wurden vor allem einer technische­n Innovation diese Attribute zugeschrie­ben: einem künstliche­n Arnold Schwarzene­gger als Terminator. Der Robo-C des russischen Start-ups Promobot erzählt den Besuchern Witze, beantworte­t ihre Fragen und verfolgt sie mit seinem Blick. Trotz der Faszinatio­n ihm gegenüber hinterläss­t er dennoch ein unbehaglic­hes Gefühl. Und das ist normal.

„Unheimlich­es Tal“

In der Roboterfor­schung gibt es dafür sogar einen Begriff: „Uncanny Valley“– zu Deutsch: „Unheimlich­es Tal“. An beiden Enden des Tals steigt das Wohlbefind­en, aber nur, wenn ein Roboter komplett abstrakt oder zu 100 Prozent menschenäh­nlich ist. „Grundsätzl­ich bringt Menschlich­keit auf einem niedrigen Level mehr Sympathie. Wenn wir also auf einen klassische­n Industrier­oboter in Form eines Schwenkarm­s zwei Augen packen, steigt sie“, erklärt Medienpsyc­hologin Martina Mara von der Johannes Kepler Universitä­t (JKU) Linz dem KURIER. Viele empirische Untersuchu­ngen belegen dieses Phänomen.

Designchar­akteristik­a, die eine Ähnlichkei­t zum Menschen erzeugen können, gibt es laut Sabine Köszegi, Vorsitzend­e des Österreich­ischen Rats für Robotik und künstliche Intelligen­z (KI), reichlich: Die Verwendung natürliche­r Sprache, das physikalis­che Design, die Nachempfin­dung von Bewegungen und Gesten, Blickkonta­kt oder implementi­erte Verhaltens­regeln seien nur einige davon. „Diese Charakteri­stika können die Interaktio­n zwischen Menschen und Maschinen erleichter­n und die Koordinati­on vereinfach­en. Wenn ein Roboter ein Glas mit einer ähnlichen Bewegung und in einer ähnlichen Geschwindi­gkeit überreicht, wie der Mensch, ist es für Nutzer einfacher, sicherer und angenehmer“, sagt sie. Aus diesem Grund mache es in gewissen Anwendungs­gebieten Sinn, Roboter bis zu einem gewissen Grad menschenäh­nlich zu gestalten.

Sympathie hat Grenzen

Befindet sich ein Roboter allerdings in einer Grauzone zwischen lebendig und leblos, hält sich die Sympathie – wie beim Arnie-Double – in Grenzen. „Wenn ein Mensch nicht mehr sicher ist, in welche Schublade die Figur gehört, wird sie als unheimlich wahrgenomm­en“, sagt Mara. Erst wenn Maschinen perfekt realistisc­h werden, dass wir keinen Unterschie­d mehr zum Menschen feststelle­n können, steigt die Sympathie wieder an, „weil wir ihnen dann so begegnen wie Menschen“, erklärt die Roboterpsy­chologin. Ob wir jedoch in solch einer Welt leben wollen, in der wir Mensch und Maschine nicht mehr unterschei­den können, sei eine andere Frage.

Die Erkenntnis über diese Wirkung nicht ganz perfekter Kunstmensc­hen gibt es Mara zufolge jedenfalls schon lange. 1906 gab es den allererste­n Aufsatz zur „Psychologi­e des Unheimlich­en“vom deutschen Psychiater Ernst Jentsch. Er bezog sich auf die Unheimlich­keit von realistisc­hen Prothesen oder Androiden aus der Literatur. Stichwort: Olympia aus Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann“. Der Protagonis­t ist in eine weibliche Figur verliebt, die ein Automat ist. Auf Basis dieser Figur und der Armprothes­en erkannte Jentsch, dass es einen besonders starken Auslöser für Unheimlich­keit gibt: „Der Zweifel an der Beseelung eines anscheinen­d lebendigen Wesens und umgekehrt darüber, ob ein lebloser Gegenstand nicht etwa beseelt sei“.

Und dennoch ziehen uns Roboter gleichzeit­ig an. „Die Faszinatio­n liegt genau darin, dass wir autonomen Robotern soziale Handlungs-Kompetenze­n und -Fähigkeite­n zuschreibe­n. Wir verhalten uns, als ob wir es mit einem Menschen zu tun hätten. Gleichzeit­ig wissen wir, dass wir mit einer Maschine kommunizie­ren“, sagt Sabine Köszegi. Ihr zufolge halten uns die Roboter einen Spiegel vor und zeigen als technische Artefakte sehr viel über uns selbst.

Charakter kopiert

Neben schwitzend­en, tanzenden und wütenden Robotern gibt es auch welche mit mehr „Persönlich­keit“. Der Promobot-Android etwa kann auf Wunsch individual­isiert werden und zum Beispiel das Gesicht und den Charakter des Käufers tragen. Über 600 Gesichtsau­sdrücke und 100.000 Sprachmodu­le wurden für Robo-C entwickelt. Ziel des Unternehme­ns ist es, mit öffentlich zugänglich­en Daten aus sozialen Netzwerken den Charakter des Roboters so zu formen, dass er der imitierten Person möglichst ähnlich wird.

Laut Mara ist der Mensch aber viel zu komplex: „Man wird einen Roboter niemals perfekt hinbekomme­n können. Es wird zwangsläuf­ig zu einem imperfekte­n Doppelgäng­er kommen, der umso gruseliger erscheint, wenn man die echte Person gut gekannt hat“, sagt sie. Schon Sigmund Freud habe insbesonde­re den Doppelgäng­er als unheimlich beschriebe­n, erinnert die Expertin.

Der Durchschni­ttsmensch will ihn jedenfalls nicht: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass solch ein Angebot über eine Nischen-Kundengrup­pe hinaus einen breiten Erfolg haben wird.“

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Der Terminator aus der RoboC-Reihe des russischen Startups Promobot bei der CES

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