40 Jahre Grüne: Wohin steuert die Partei?
Analyse. Die Öko-Partei feiert ihren runden Geburtstag und bereitet sich aufs Regieren vor
Um 17.25 Uhr, schrieb die Zeit, fielen sich in der Karlsruher Stadthalle alle in die Arme. Nach zwei Tagen Wortund Streitgefechten zwischen Studenten, Landwirten, Kommunisten, DDR-Dissidenten und einigen Konservativen wurde aus einem Projekt eine Partei, die das Anti noch lange vor sich hertrug.
Heute, genau 40 Jahre später, sind sie dort angekommen, wo sie früher nie sein wollten. In den Bundesländern regieren sie in unterschiedlichen Konstellationen, 1998 stellten sie mit der SPD die Bundesregierung. Mittlerweile gilt Schwarz-Grün im Bund als Option. Nach der nächsten Wahl könnte es – mit Blick auf Umfragen – sogar die einzig mögliche sein.
Dass sich ein solches Bündnis in Österreich bildete, findet Ursula Münch von der Politischen Akademie Tutzing spannend, „da sich aus deutscher Sicht zwei gefunden haben, die weiter auseinander sind, als ihre bundesdeutschen Gegenstücke.“Die türkise ÖVP werde als rechter wahrgenommen als CDU/CSU, „die österreichischen Grünen linker als die deutschen“, erklärt sie. Daher laute der Tenor: „Wenn es dort gelingt, kann das bei uns auch nicht so schwer sein.“
Den Eindruck, dass Österreich Vorbild sei, versuchen die Grünen zu vermeiden. Sie wollen die nächste Bundesregierung
definieren, aber „nicht wie in Österreich als Juniorpartner eingepreist werden“, sagte Grünen-Chef Robert Habeck der taz. Die Ausgangslage seiner Partei ist anders. In Umfragen liegt sie seit Monaten vor der SPD und wenige Prozentpunkte von der Union entfernt (aktuell bei 22 Prozent, CDU/CSU bei 28 Prozent). Das sorgt für Selbstbewusstsein.
Selbstbewusste Signale
Vor dem Hintergrund sei die Reaktionen zu Türkis-Grün lesen, sagt Expertin Münch. Wenn Grünen-Chefin Annalena Baerbock mit Blick auf den koalitionsfreien Raum beim Asylthema erklärt, dass es mit ihnen keine Koalitionsverträge geben werde, „in denen wir Themenfelder ausklammern“, ist das ein Signal an die Union, nach dem Motto: So einfach machen wir es euch nicht. „Gleichzeitig will man Neumitglieder, Stammund Wechselwähler wissen lassen: Wir haben unsere Grundüberzeugungen und lassen uns das nicht einfach abkaufen.“
Damit mussten sie unter Rot-Grün Erfahrung machen. Als sie 1999 den Kosovo-Einsatz der Bundeswehr billigten, führte dies zur Zerreißprobe. Mit der Union wird es ebenfalls strittige Themen geben, wie etwa Migration und Klimaschutz.
Wie sie ihre Umfragewerte bis zur Wahl 2021 – sollte die Große Koalition nicht früher auseinandergehen – halten, wird zur Herausforderung. Bis auf die Landtagswahl in Hamburg, wo sie die erste Bürgermeisterin stellen wollen, gibt es heuer wenig Gelegenheiten zu trumpfen.
Inhaltlich plant man jedenfalls, sich breiter aufzustellen, um offen für alle Bündnisse zu sein. Habeck bereitet seine Partei schon für den Fall der Fälle vor: In Zeiten wie diesen könne man sich „Wunschparteien“für Koalitionen nicht mehr aussuchen.