Ortstarife für das Stromnetz
Energiemarktaufsicht plant deutliche Senkung der Netzgebühren für lokalen Strombezug
Ein Hausbesitzer mit Solaranlage am Dach liefert den Strom an seine Nachbarn. Ein Verbraucher kauft seinen Strom beim Windkraftwerk nahe seiner Wohnung und ein Kleinbetrieb am Flussufer versorgt sich aus dem Kleinwasserkraftwerk. Österreichs Strommarkt wird zunehmend regional und kleinteiliger. Nicht mehr nur die großen Wasserund Speicherkraftwerke sowie einige Gaskraftwerke beliefern die Haushalte mit Strom. Die Haushalte versorgen sich lokal selbst – und sie sehen nicht mehr ein, warum sie die hohen Kosten für das überregionale Stromnetz zahlen sollen.
„Tatsächlich ist der Autonomiegedanke in der Stromversorgung zunehmend populär“, betont Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand der Strommarktaufsicht E-Control, im Gespräch mit dem KURIER. Die E-Control arbeitet daher auch an einer Neugestaltung der Netztarife für lokale Energiegemeinschaften. „Das ist auch im Sinne der EU, die Energy Communities forcieren will, um den Umbau der Stromsysteme in Richtung Erneuerbare zu schaffen“, sagt Urbantschitsch. Diese Energiegemeinschaften sollten daher in Zukunft bei Netztarifen bevorzugt werden. Die E-Control arbeitet derzeit Modelle dafür aus. Ganz so einfach, wie es manche Teilnehmer von Energy Communities gerne hätten, ist die Sache aber nicht.
Wer zahlt fürs Netz?
Gut zwei Milliarden Euro im Jahr kostet das Stromnetz – von den Höchstspannungsleitungen bis zu den Hauszuleitungen. Bezahlt wird das von den Stromkunden, und zwar über einen Netztarif je Kilowattstunde Verbrauch. Der Tarif hängt nicht von der Entfernung ab, über die der Strom zum Kunden transportiert wird.
Das geplante neue Modell sieht nun Vergünstigungen beim Netztarif für Nachbarschafts-Lieferungen von Strom vor. „Ortstarif für Netze“nennt das Urbantschitsch, angelehnt an den früheren Ortstarif beim Festnetz-Telefonieren. Theoretisch könnten man die lokalen Energy Communities von den Gebühren für Hochspannungsnetze befreien. „Dann müssten sie nur den halben Netztarif zahlen“, sagt Urbantschitsch. „Aber wer kommt dann für die Netzkosten, die insgesamt ja unverändert bleiben, auf?“, fügt er hinzu. Würden nämlich viele dieser lokalen Energiegemeinschaften entstehen und alle nur die Hälfte der Netztarife zahlen, müssten alle anderen Stromkunden viel höhere Netztarife übernehmen.
„Wir wollen ein Modell, das eine faire Kostenverteilung beinhaltet“, betont der E-Control-Vorstand. Höchstens zehn bis 15 Prozent Nachlass beim Netztarif kann er sich vorstellen. Das könnte auch gerechtfertigt sein. Denn die lokalen Energiegemeinschaften würden durch ihren Stromaustausch das Übertragungsnetz entlasten und damit auch dessen Kosten drücken.
Neues Gesetz nötig
Noch aber ist es nicht so weit: Der nachbarschaftliche Strombezug ist derzeit nur in Mehrparteienhäusern mit einer gemeinsamen Solaranlage am Dach möglich.
Für den lokalen Stromtausch über Häusergrenzen hinweg mit vergünstigten Netztarifen sei ein neues Gesetz nötig, erklärt Urbantschitsch. Dieses hätte im Rahmen des Erneuerbaren Ausbaugesetzes eigentlich schon 2019 beschlossen werden sollen. Außerdem haben bei weitem nicht alle Stromkunden bereits einen digitalen Zähler. Dieser aber ist Voraussetzung für die Abrechnung der Netzkosten.