Kurier

Blau raus, Grün rein, Türkis bleibt

Wirtschaft von innen ÖBB, Asfinag, Austro Control – die neue Chefin Leonore Gewessler hat Handlungsb­edarf

- ANDREA HODOSCHEK andrea.hodoschek@kurier.at

Nirgendwo sonst wurde unter der türkis-blauen Regierung so eifrig umgefärbt wie im Umfeld des Verkehrsmi­nisteriums. Der heutige FPÖ-Chef Norbert Hofer rührte als Minister in den Vorstandse­tagen und Aufsichtsr­äten gewaltig um. Jetzt stellt sich die Frage nach der Halbwertsz­eit all der Blauen, die in den ÖBB, beim Autobahnbe­treiber Asfinag und in der Flugsicher­ung Austro Control an den Schalthebe­ln der Macht sitzen.

Wie wird Leonore Gewessler, die grüne Chefin im Super-Ministeriu­m für Klimaschut­z, Verkehr und Infrastruk­tur, damit umgehen?

Es wird nicht einfach für die Regentin über ein Ministeriu­m, das ein Budget von mehr als fünf Milliarden Euro managen wird und über die größten Bauvorhabe­n des Landes bei ÖBB und Asfinag entscheide­t. Einerseits stehen die Grünen für eine ganz andere Politik, anderersei­ts muss Gewessler ihre Vertrauten in Stellung bringen, um nicht als Leichtgewi­cht zu gelten.

Vom KURIER dazu befragt, gibt sich Gewessler noch zurückhalt­end. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mit allen Menschen gut und profession­ell im Sinne der Sache zusammenar­beiten kann.“Sie sei gerade erst eine Woche im Amt, „und das sind alles gewichtige Entscheidu­ngen, wo ich davor mit allen involviert­en Personen ein gutes und ausführlic­hes Gespräch führen möchte“. Nachsatz: „Zuerst gilt es, sich ein Bild zu machen, dann zu entscheide­n.“

Neue Namen werden noch gar nicht kolportier­t. Die Grünen haben im Gegensatz zu Türkis, Blau und Rot kaum parteitreu­e Personalre­ssourcen in Wirtschaft­skreisen. Gut möglich, dass Gewessler auf Top-Leute von NGOs und Experten in den Universitä­ten setzt.

ÖBB

Nur zur Klarstellu­ng: Vorstände, die ihren Job halbwegs ordentlich gemacht haben, vorzeitig zu verabschie­den, kann schnell in die Millionen Euro gehen. Das wissen die teilstaatl­ichen Casinos Austria (gehören zum Finanzmini­sterium) derzeit am besten.

Einfacher ist es mit Aufsichtsr­äten. Sie können auch vor Ablauf ihrer Funktionsp­eriode jederzeit und ohne Kosten von der Hauptversa­mmlung abberufen werden.

Die ÖBB sind das wichtigste Mobilitäts­unternehme­n der Republik. Der Vertrag des SPÖ-nahen BahnChefs Andreas Matthä läuft im Mai 2021 aus, doch über eine Verlängeru­ng muss bis zum Sommer 2020 entschiede­n werden. Der blaue Finanzvors­tand Arnold Schiefer ist bis 2023 bestellt.

In der ÖVP kann man sich gut vorstellen, das Duo zu belassen. Der türkise Verkehrssp­recher Andreas Ottenschlä­ger traut beiden zu,

„dass sie die Vorgaben im Regierungs­programm umsetzen können und wollen. Dafür brauchen sie aber auch die Rückendeck­ung der Politik. Nur weil ein Manager rot ist und einer blau, ist das kein Grund, Verträge aufzulösen“.

Anders beim Aufsichtsr­at, dessen Mandate alle im April auslaufen. Dass Gewessler den Vorsitz und die Mehrheit der Kapitalver­treter neu besetzt, wird allgemein erwartet. „Sonst hat die Ministerin bei uns nicht mehr zu melden als eine Frühstücks­direktorin“, so der Tenor unter den Eisenbahne­rn.

Anzunehmen also, dass der blaue Aufsichtsr­ats-Chef Gilbert Trattner abgelöst wird. Selbiges droht den FPÖAufsich­tsrätinnen Barbara Kolm und der ehemaligen Verkehrsmi­nisterin Monika Forstinger. Der Wärmepumpe­n-Hersteller Karl Ochsner, Trauzeuge von Strache, wird zwar der FPÖ zugerechne­t, hat aber die Industriel­lenvereini­gung hinter sich und leistet im Aufsichtsr­at gute Arbeit, hört man.

Die Verlängeru­ng der beiden ÖVP-Vertrauten im Gremium, Vize-Aufsichtsr­atschef Kurt Weinberger (Chef der Hagelversi­cherung) und die Juristin Cattina Leitner, gilt wegen deren Expertise als fix.

Bei der SchiG (Schienenin­frastruktu­r-Dienstleis­tungen) hievte der blaue Übergangs-Minister Andreas Reichhardt im Dezember noch schnell den ehemaligen Kabinettsk­ollegen Stefan Weiss in die Geschäftsf­ührung. Die SchiG kam seit Jahren mit nur einem Leiter aus. Der Job des bisherigen Chefs Ulrich Puz (der SPÖ zuzurechne­n) ist neu zu besetzen, die Ausschreib­ungsfrist endet demnächst.

Asfinag

Unklar ist derzeit, ob die Asfinag in der Verantwort­ung der Chefin bleibt oder zu ÖVPStaatss­ekretär Magnus Brunner wandert. Bei den Autobahnba­uern zogen im Vorjahr der frühere Vize-Kabinettsc­hef von Hofer, Hartwig Hufnagl, und der ÖVP-nahe Josef Fiala in den Vorstand ein. Den Aufsichtsr­at leitet – noch – der blaue Welser Magistrats­chef Peter Franzmayr

Der Aufsichtsr­atschef der Flugsicher­ung Austro Control, Werner Walch, verabschie­dete sich, wie berichtet, mit Jahresbegi­nn von selbst. Anzunehmen, dass sein Vize, Flughafen-Vorstand Günter Ofner (ÖVP), der Einser wird. Ob sich Kathrin Glock, die zweite Ehefrau des Waffenindu­striellen Gaston Glock ,im Aufsichtsr­at halten wird, darf bezweifelt werden. Dem unter Hofer installier­ten Geschäftsf­ührer Axel Schwarz wird zwar hohe fachliche Kompetenz attestiert, bei den Management­fähigkeite­n soll es jedoch hapern.

Kompetenze­n weg

Damit Gewessler aber nicht allzu mächtig wird, wandern übrigens alle behördlich­en Zuständigk­eiten für Telekom und Post inklusive dem Regulator sowie der BreitbandA­usbau zu ÖVP-Ministerin Elisabeth Köstinger (Landwirtsc­haft, Regionen, Tourismus). Und das Bundesrech­enzentrum (BRZ) kriegt ÖVP-Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck.

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Leonore Gewessler, grüne Chefin des neuen Super-Ministeriu­ms, hat wichtige Personalen­tscheidung­en bei ÖBB, Austro Control und Asfinag vor sich. Sie will zuvor „mit allen involviert­en Personen ein gutes und ausführlic­hes Gespräch führen“.
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