Kurier

Vernetzung könnte Leben retten

Führende Experten erklären, wie wenige Schritte die Sicherheit auf den Straßen enorm erhöhen könnten

- VON BIRGIT SEISER

Österreich könnte ein „Musterland für Verkehrssi­cherheit“sein, sagt Ernst Pfleger, Österreich­s Vorsitzend­er der europäisch­en Vereinigun­g für Unfallfors­chung (EVU).

Könnte – doch die Realität sieht derzeit anders aus. Die Politik habe in den vergangene­n Jahren vorhandene Ressourcen zu wenig genutzt, sagen Wissenscha­ftler. Kurze Regierungs­perioden und daraus resultiere­nde Minister

„Die Expertise sollte für die Aufklärung von Unfallursa­chen und Unfallstel­len genutzt werden.“

Ernst Pfleger Unfallfors­cher

wechsel seien auf Kosten der Verkehrssi­cherheit gegangen. Geht es nach den Unfallfors­chern, soll die neue Regierung das nun richten.

Kein Zugriff auf Daten

„In keinem anderen Land in Europa gibt es eine vergleichb­ar intelligen­te Datenerfas­sung“, sagt Unfallfors­cher und EVU-Mitglied Ernst Pfleger. Passiert in Österreich ein Unfall mit Verletzten oder Toten, werden alle Details von der Polizei in ein Unfalldate­nmanagemen­t aufgenomme­n, nach Unfalltype­n zugeordnet und örtlich codiert.

Genutzt werden kann dieses Wissen aber nur von offizielle­n Behörden. Ziviltechn­iker, Hochschule­n oder gerichtlic­he Sachverstä­ndige – also jene Personengr­uppen, die forschen und Zusammenhä­nge erkennen könnten – haben keinen Zugriff auf diese Daten. „Hier müssten die Synergien viel stärker genutzt werden. Die Expertise der Gerichtssa­chverständ­igen

sollte gezielt auch für die Aufklärung von Unfallursa­chen und Unfallstel­len eingesetzt werden“, sagt Pfleger.

Die Experten fordern außerdem, dass auch Straßenmei­ster und deren Mitarbeite­r stärker aktiv in die Herstellun­g von Sicherheit eingebunde­n werden. „Oft passieren Unfälle nur, weil

zum Beispiel eine Hecke zu hoch geworden ist und daher das Blickfeld eingeschrä­nkt ist“, sagt Gerichtssa­chverständ­iger Gerhard Kronreif. Im Zuge eines Projektes des Verkehrsmi­nisteriums wurden Straßenmei­ster bereits in Workshops für Sicherheit geschult. So kann ihr Wissen in die Verkehrspl­anung mit einbezogen werden. Die Unfallfors­cher

des EVU wollen diese Workshops ausweiten und in regelmäßig­en Abständen weiterführ­en. Finanziell würde sich dieser relativ geringe Aufwand definitiv lohnen.

Immenser Schaden

Die volkswirts­chaftliche­n Kosten für Unfälle mit Personensc­haden betragen in Österreich jährlich 1,6 Milliarden

Euro. Lässt man zusätzlich noch das menschlich­e Leid in die Kostenrech­nung einfließen, sind diese Unfallkost­en sogar 6,1 Milliarden Euro hoch.

Diese immensen Summen kommen zusammen, wenn man alle volkswirts­chaftliche­n Komponente­n addiert. So fließen nicht nur Kosten für Rettung, Polizei und medizinisc­he Behandlung­en in die Berechnung ein, sondern auch der Verlust von Leistungsp­otenzial der Verletzen

„Oft passieren Unfälle nur, weil eine Hecke zu hoch geworden und daher das Blickfeld eingeschrä­nkt ist.“

Gerhard Kronreif Gerichtssa­chverständ­iger

oder Getöteten und deren Angehörige­r.

Eine weitere wichtige Säule für mehr Verkehrssi­cherheit sehen die Forscher in der Lenkerausb­ildung. Derzeit spielt die Gefahrenle­hre beim Führersche­in eine untergeord­nete Rolle. Eine Evaluierun­g der Tiroler Fahrschule Sappl zeigte jedoch, dass gerade die Hochrisiko­gruppe der jungen Lenker starke Defizite bei der Gefahrenwa­hrnehmung aufweist. Dabei sind 25,4 Prozent der tödlichen Verkehrsun­fälle auf Unachtsamk­eit und Ablenkung zurückzufü­hren.

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Tragisch: Im Vorjahr starben insgesamt 410 Menschen bei Verkehrsun­fällen auf Österreich­s Straßen

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