Kurier

„Privat langweilig, aber lustige Filme“

Der palästinen­sische Regisseur Elia Suleiman über seinen neuen Film „Vom Gießen des Zitronenba­ums“

- VON GABRIELE FLOSSMANN

Er ist das, was man in Israel „arabischer Israeli“nennt. Ein Begriff, gegen den sich der derzeit wohl prominente­ste palästinen­sische Filmemache­r Elia Suleiman im KURIER-Interview vehement wehrt. Denn er sei „Palästinen­ser UND Israeli“und dazu noch Christ.

Suleiman wuchs in seiner Geburtssta­dt Nazareth auf, von wo er seinen Streifzug durch die (Film-)Welt begann. Sein neuestes Werk „Vom Gießen des Zitronenba­ums“(Kinostart: Freitag) ist eine melancholi­sche Satire über die Suche eines Menschen nach sich selbst und nach dem Gefühl einer Zugehörigk­eit.

KURIER: Sie stellen in Ihren Filmen immer schweigsam­e Einzelgäng­er dar und leben schon seit längerer Zeit außerhalb Israels – in New York und Paris. Haben Sie noch Freunde in Israel?

Elia Suleiman: Natürlich habe ich israelisch­e Freunde, aber nicht, weil sie Israelis sind, sondern eher, weil wir alle Menschen sind, die bestimmte historisch­e Erfahrunge­n und intellektu­elle Ideen teilen – auch jüdische Ideen.

In Ihren Werken spielt der Humor immer eine große Rolle, und Sie sagen selbst, dass Ihnen das nur gelingt, wenn Sie völlig ernst an Ihre Filmarbeit herangehen.

Wenn ich einen Gag so strukturie­ren kann, dass jeder auf der Welt darüber lachen kann, dann ist das ein kleines Wunder. Darin besteht die Magie des Kinos. Um diesen Moment zu erkennen, muss man hart arbeiten. Gleichzeit­ig ist jeder meiner Filme so etwas wie ein intimes Manifest meiner Verfassung. Ich möchte dem Publikum präzise meine Gefühle mitteilen, das ist wie Striptease. Bilder herzustell­en, ist sehr erotisch – wie Lieben und Wiedergeli­ebtwerden.

In „Vom Gießen des Zitronenba­ums“sind Sie quasi Sie selbst. Ein Regisseur, der von Produzent zu Produzent wandert, um seinen Film finanziert zu bekommen. Bildet das Ihre Realität ab?

Am Anfang stand eine Anekdote. Eine, die ich selbst erlebt habe. Beim Versuch, in New York Geld für einen Film aufzutreib­en, stellte mich ein Freund Clint Eastwood vor. Mit den Worten: „Das ist Elia Suleiman. Privat ist er ein Langweiler, aber er macht lustige Filme“. Clint Eastwood drehte sich daraufhin desinteres­siert wieder um – und steckte KEIN Geld in mein Projekt (lacht).

Ihr Film „Göttliche Interventi­on“wurde für den Oscar als „bester fremdsprac­higer Film“abgelehnt. Im neuen Film sprechen Sie kein Wort. Haben Sie gehofft, damit für den Haupt-Oscar in Frage zu kommen, weil Sie keine „fremde Sprache“sprechen?

Mir ist ein Oscar nicht wichtig – und das meine ich ausnahmswe­ise ehrlich (lacht). Aber es stimmt, dass mein Film damals abgelehnt wurde – mit der Begründung, dass Palästina kein Staat sei. Aber der Grund, warum ich im Film nicht spreche und ihn in mehreren Ländern spielen lasse, hat damit zu tun, dass die Filmemache­r heutzutage zu Touristen geworden sind. Sie schreiben ihre Geschichte­n rund um Städte, aus denen Fördergeld­er zu holen sind. So wie Woody Allen, der auch New York als Schauplatz verlassen hat, weil er seine Filme leichter in London oder

Paris finanziere­n konnte. Das wollte ich persiflier­en.

Wären zwei Staaten – ein israelisch­er und ein palästinen­sischer – für Sie immer noch eine mögliche Lösung ?

Ich persönlich bin gegen eine Zwei-Staaten-Lösung. Ich möchte für diese Region nur einen Staat, in dem Palästinen­ser und Israelis, Muslime und Juden friedlich nebeneinan­der leben können. Und da ich selbst Christ bin, möchte ich, dass auch die Christen dort ein friedliche­s Dasein haben. In einer globalisie­rten Welt wie der heutigen ist es doch unsinnig, immer mehr und immer kleinere Staaten zu bilden, damit alle verfeindet­en Gruppen ihr eigenes Territoriu­m haben. Ein friedliche­s Miteinande­r ist die einzige Lösung – und da muss es auch egal sein, ob das Land dann Israel oder Palästina heißt.

Glauben Sie, dass auch die Politik des US-Präsidente­n damit zu tun hat, dass der Nahe Osten immer mehr zum Pulverfass wird?

Es ist nicht nur Donald Trump, der das verursacht. Schon vor seiner Amtszeit waren Waffen-Lobbys daran interessie­rt, möglichst alle verfeindet­en Gruppen in dieser Region zu bewaffnen, damit sich die Konflikte immer mehr verschärfe­n und sie von allen Seiten kassieren können. Genaugenom­men ist das heutige Israel ein Produkt des Faschismus. Hätten die Nazis die Juden, die gerne in Europa geblieben wären, nicht ermordet oder vertrieben, hätte man für sie keinen neuen Lebensraum schaffen müssen. Die Zionisten hätte die Region womöglich auch friedlich integriere­n können. Aber jetzt werden wir zu ernst für die Komödie, dich ich ja machen wollte.

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Der palästinen­sische Filmemache­r Elia Suleiman (Mitte) als schweigsam­er, aber humorvolle­r Einzelgäng­er spielt (wieder) die Hauptrolle in seinem neuen Film: „Vom Gießen des Zitronenba­ums“

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