„Privat langweilig, aber lustige Filme“
Der palästinensische Regisseur Elia Suleiman über seinen neuen Film „Vom Gießen des Zitronenbaums“
Er ist das, was man in Israel „arabischer Israeli“nennt. Ein Begriff, gegen den sich der derzeit wohl prominenteste palästinensische Filmemacher Elia Suleiman im KURIER-Interview vehement wehrt. Denn er sei „Palästinenser UND Israeli“und dazu noch Christ.
Suleiman wuchs in seiner Geburtsstadt Nazareth auf, von wo er seinen Streifzug durch die (Film-)Welt begann. Sein neuestes Werk „Vom Gießen des Zitronenbaums“(Kinostart: Freitag) ist eine melancholische Satire über die Suche eines Menschen nach sich selbst und nach dem Gefühl einer Zugehörigkeit.
KURIER: Sie stellen in Ihren Filmen immer schweigsame Einzelgänger dar und leben schon seit längerer Zeit außerhalb Israels – in New York und Paris. Haben Sie noch Freunde in Israel?
Elia Suleiman: Natürlich habe ich israelische Freunde, aber nicht, weil sie Israelis sind, sondern eher, weil wir alle Menschen sind, die bestimmte historische Erfahrungen und intellektuelle Ideen teilen – auch jüdische Ideen.
In Ihren Werken spielt der Humor immer eine große Rolle, und Sie sagen selbst, dass Ihnen das nur gelingt, wenn Sie völlig ernst an Ihre Filmarbeit herangehen.
Wenn ich einen Gag so strukturieren kann, dass jeder auf der Welt darüber lachen kann, dann ist das ein kleines Wunder. Darin besteht die Magie des Kinos. Um diesen Moment zu erkennen, muss man hart arbeiten. Gleichzeitig ist jeder meiner Filme so etwas wie ein intimes Manifest meiner Verfassung. Ich möchte dem Publikum präzise meine Gefühle mitteilen, das ist wie Striptease. Bilder herzustellen, ist sehr erotisch – wie Lieben und Wiedergeliebtwerden.
In „Vom Gießen des Zitronenbaums“sind Sie quasi Sie selbst. Ein Regisseur, der von Produzent zu Produzent wandert, um seinen Film finanziert zu bekommen. Bildet das Ihre Realität ab?
Am Anfang stand eine Anekdote. Eine, die ich selbst erlebt habe. Beim Versuch, in New York Geld für einen Film aufzutreiben, stellte mich ein Freund Clint Eastwood vor. Mit den Worten: „Das ist Elia Suleiman. Privat ist er ein Langweiler, aber er macht lustige Filme“. Clint Eastwood drehte sich daraufhin desinteressiert wieder um – und steckte KEIN Geld in mein Projekt (lacht).
Ihr Film „Göttliche Intervention“wurde für den Oscar als „bester fremdsprachiger Film“abgelehnt. Im neuen Film sprechen Sie kein Wort. Haben Sie gehofft, damit für den Haupt-Oscar in Frage zu kommen, weil Sie keine „fremde Sprache“sprechen?
Mir ist ein Oscar nicht wichtig – und das meine ich ausnahmsweise ehrlich (lacht). Aber es stimmt, dass mein Film damals abgelehnt wurde – mit der Begründung, dass Palästina kein Staat sei. Aber der Grund, warum ich im Film nicht spreche und ihn in mehreren Ländern spielen lasse, hat damit zu tun, dass die Filmemacher heutzutage zu Touristen geworden sind. Sie schreiben ihre Geschichten rund um Städte, aus denen Fördergelder zu holen sind. So wie Woody Allen, der auch New York als Schauplatz verlassen hat, weil er seine Filme leichter in London oder
Paris finanzieren konnte. Das wollte ich persiflieren.
Wären zwei Staaten – ein israelischer und ein palästinensischer – für Sie immer noch eine mögliche Lösung ?
Ich persönlich bin gegen eine Zwei-Staaten-Lösung. Ich möchte für diese Region nur einen Staat, in dem Palästinenser und Israelis, Muslime und Juden friedlich nebeneinander leben können. Und da ich selbst Christ bin, möchte ich, dass auch die Christen dort ein friedliches Dasein haben. In einer globalisierten Welt wie der heutigen ist es doch unsinnig, immer mehr und immer kleinere Staaten zu bilden, damit alle verfeindeten Gruppen ihr eigenes Territorium haben. Ein friedliches Miteinander ist die einzige Lösung – und da muss es auch egal sein, ob das Land dann Israel oder Palästina heißt.
Glauben Sie, dass auch die Politik des US-Präsidenten damit zu tun hat, dass der Nahe Osten immer mehr zum Pulverfass wird?
Es ist nicht nur Donald Trump, der das verursacht. Schon vor seiner Amtszeit waren Waffen-Lobbys daran interessiert, möglichst alle verfeindeten Gruppen in dieser Region zu bewaffnen, damit sich die Konflikte immer mehr verschärfen und sie von allen Seiten kassieren können. Genaugenommen ist das heutige Israel ein Produkt des Faschismus. Hätten die Nazis die Juden, die gerne in Europa geblieben wären, nicht ermordet oder vertrieben, hätte man für sie keinen neuen Lebensraum schaffen müssen. Die Zionisten hätte die Region womöglich auch friedlich integrieren können. Aber jetzt werden wir zu ernst für die Komödie, dich ich ja machen wollte.