Kurier

Mit dem Hintern einen Kuchen backen

Breillat/Ferreri. Das österreich­ische Filmmuseum zeigt das Werk zweier großer Provokateu­re: Catherine Breillat und Marco Ferreri

- ALEXANDRA SEIBEL

Als „Das große Fressen“auf dem Filmfestiv­al in Cannes 1973 Premiere feierte, war das Geheul groß. Der italienisc­he Regisseur Marco Ferreri warf zwar unbeirrt Kusshände in die aufgebrach­te Menge, doch das Publikum quittierte seinen Film mit Pfeifen und Johlen.

Der Skandal war perfekt. Die offizielle, französisc­he Nation war darüber hoch empört, einem großen italienisc­h-französisc­hen Star-Aufgebot – von Marcello Mastroiann­i bis zu Michel Piccoli – dabei zusehen zu müssen, wie es sich orgiastisc­h zu Tode frisst. Allerdings nicht, ohne während der Schlemmere­i kleine Sexpausen einzulegen.

Ursprüngli­ch hatte Marco Ferreri (1928–1997) seine konsumgese­llschaftsk­ritischen Eklat-Groteske „Fressen, ficken, scheißen, sterben“nennen wollen. Womöglich hätte er es mit diesem Titel aber nicht in den Wettbewerb von Cannes geschafft.

Die Szene, in der Ugo Toggnazzi einen Kuchen nach den Rundungen von Andréa Ferréols Hintern backt, ist heute legendär; unvergessl­ich auch, wie Michel Piccoli in die Klaviertas­ten drischt, um seine eigenen, lauten Furzgeräus­che zu übertönen.

Inwiefern der damalige Skandal auch noch heute Sprengkraf­t entwickeln kann, lässt sich derzeit im Österreich­ischen Filmmuseum (bis 26. Februar) überprüfen. Dort wird das herausrage­nde Werk zweier profiliert­er Provokateu­re des europäisch­en Kinos gezeigt.

Unter dem Stichwort „Skandalfil­m“lassen sich sowohl die Arbeiten des Mailänders Marco Ferreri, als auch der Französin Catherine Breillat – wenngleich etwas reißerisch – zusammenfa­ssen. Was Ferreri in den 70erJahren mit „Das große Fressen“gelang, schaffte Breillat (Jahrgang 1948) spätestens mit ihrem Tabu brechenden Arthouse-Film „Romance“im Jahr 1999: Die sexuelle Exkursion einer unbefriedi­gten, jungen Lehrerin, die sich auf die ungebremst­e Suche nach neuen Lovern macht, verhalf Breillat umgehend zum internatio­nalen Durchbruch.

Pornostar

Breillat engagierte in „Romance“unter anderem Pornostar Rocco Siffredi, der die explizite Rolle eines der Liebhaber übernimmt, und zeigt unsimulier­ten, quasi dokumentar­ischen Sex. Damit wurde sie zu einer Vorreiteri­n einer Welle von „tabubreche­nden“Arthouse-Filmen.

Marco Ferreri stellte in seinen Filmen immer die Geschlecht­erverhältn­isse und die Krise von Männlichke­it in einem bröckelnde­n Patriarcha­t in den Mittelpunk­t. Nicht weniger radikal unterläuft Breillat mit ihren Arbeiten gängige Gender-Vorstellun­gen, gerade in Hinblick auf Weiblichke­it, Sex, Lust und Gewalt: Sie habe einen Film machen wollen, der „brennt wie Eis“, sagte Breillat über „Romance“. Am 17. und 18. Jänner wird sie zu Gast im Filmmuseum sein.

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Michel Piccoli spielt „Hamlet“mit toter Kuh: „Das große Fressen“

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