Kurier

Die mutigen Formen einer außergewöh­nlichen Frau

Kunst. Das mumok zeigt Zeichnunge­n von Eva Hesse. Schade nur, dass in Wien der Kontext fehlt.

- VON MICHAEL HUBER

Lange ist es her, seit man das Werk der US-amerikanis­chen Künstlerin Eva Hesse (1936 – 1970) zuletzt in Wien zu sehen bekam. Die Schau der Kunsthalle Wien im Jahr 2004 ist Ihrem Rezensente­n aber als prägendes Erlebnis in Erinnerung geblieben – wohl, weil Hesses Werk so außergewöh­nlich, sinnlich und revolution­är war und ist.

In nur zehn Jahren, zwischen 1960 und 1970, hatte die Künstlerin, die 1938 mit einem Kindertran­sport aus ihrem Geburtsort Hamburg weggeschic­kt worden war und 1939 mit ihrer Familie in die USA emigrierte, eine famose Entwicklun­g durchgemac­ht. Sie wandelte sich von der Malerin zur Bildhaueri­n, die sich mit Objekten aus Gummi, Fiberglas oder Schnüren von der harten Ästhetik der damals dominanten Minimal Art lossagte und eine ganz neue, dauerhaft fasziniere­nde Poesie des Materials entwickelt­e.

Im mumok allerdings sind nun bis zum 16. 2. nicht die Objekte, sondern ausschließ­lich Zeichnunge­n Hesses zu sehen. Die Schau mit dem Titel „Forms Larger and Bolder“(etwa: „Größere, mutigere Formen“, ein Zitat aus einem Brief Hesses) ist eine Art Gastspiel des Allen Memorial Museum am Oberlin College, Ohio, das große Teile von Hesses Nachlass bewahrt.

Aus der Schachtel

In einer gewitzten Ausstellun­gsarchitek­tur, deren Elemente an aufgesprun­gene Schachteln erinnern, ist ein Auszug aus Hesses durchaus vielfältig­em zeichneris­chen Oeuvre ausgebreit­et. Er beginnt bei relativ konvention­ellen Akt- und Blumenbild­ern, öffnet sich dann aber hin zu einer experiment­ellen Zeichenspr­ache. In dieser schreitet die Künstlerin ein Territoriu­m zwischen scheinbar spontanen Kritzeleie­n und rätselhaft anmutenden Entwürfen ab – man entdeckt

Pfeile, Verbindung­slinien und Systeme, die manchmal die Charakteri­stika einer Maschine tragen, dann eher an organische Formen denken lassen. Der US-Maler Arshile Gorky ist hier ein Referenzpu­nkt – gelernte Österreich­erinnen und Österreich­er denken aber eher an Bruno Gironcoli, dessen Zeichnunge­n 2018 von der Kuratorin Manuela Ammer, die auch die HesseAusst­ellung gestaltete, im mumok präsentier­t wurden.

Anders als bei Gironcoli lässt sich bei Hesse nun aber der Bezug zwischen zeichneris­chem und skulptural­em Werk für Laien kaum herstellen. Die Papierarbe­iten, wenngleich für sich genommen fasziniere­nd, sind doch Zeugnisse eines Suchprozes­ses, dessen Ausgangs- und Endpunkt sich kaum erraten lässt. Als Strohhalme dienen ein Filmsegmen­t und einige biografisc­he Anhaltspun­kte, die etwa auf Hesses schwierige, doch für die Findung des eigenen Stils wichtige Zeit in Deutschlan­d 1964/’65 verweisen. Man hätte so gern noch mehr gewusst, mehr gesehen: Es muss einfach eine größere Hesse-Ausstellun­g her.

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Bilder einer Suchenden: Ein unbetitelt­es Blatt von Eva Hesse aus dem Jahr 1964, derzeit im mumok

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