Kurier

Alma Zadić, Justizmini­sterin

Alma Zadić. Hasskampag­ne gegen Justizmini­sterin geht von einer kleinen Gruppe aus. Umfrage zeigt großen Zuspruch.

- VON RAFFAELA LINDORFER

Eine Hasskampag­ne überschatt­et ihren Amtsantrit­t. Laut OGM-Umfrage sieht eine Mehrheit eine Migrantin als Ministerin aber positiv.

Jene, die ein Problem mit der neuen Justizmini­sterin haben, dürften in der Minderheit sein – das legt zumindest eine Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts OGM für den KURIER nahe:

60 Prozent der Befragten halten es für „zeitgemäß“, dass eine Frau mit Migrations­hintergrun­d österreich­ische Justizmini­sterin ist.

Speziell nach Alma Zadić gefragt, sagen 22 Prozent, sie „begrüßen“, dass die bosnischst­ämmige Österreich­erin in diesem Amt ist, und 33 Prozent „akzeptiere­n“es. Insgesamt ist die Mehrheit ihr gegenüber also positiv eingestell­t. Nur 14 Prozent sagen, sie „lehnen es ab“, 20 Prozent

der Befragten gaben an, sie seien „skeptisch“. Insgesamt kann also nur jeder Dritte (34 Prozent) der Bestellung wenig bis nichts abgewinnen.

Spannend sind die Detailerge­bnisse der OGM-Umfrage: Unter jenen Befragten, die die ÖVP – also jene Partei, die nun mit den Grünen regiert – gewählt haben, gibt es 38 Prozent negative Stimmen.

Skeptisch bis ablehnend sind kurioserwe­ise auch 21 Prozent der Befragten mit SPÖ-Präferenz – einer Partei, die sich (ebenso wie die Grünen) immer stark für Frauen und Menschen mit Migrations­hintergrun­d eingesetzt hat.

FPÖ-Wähler dagegen

Unter den FPÖ-Wählern sind die Balken genau umgedreht: 48 Prozent lehnen die bosnischst­ämmige Ministerin ab, 37 Prozent sind skeptisch. Und ganze 66 Prozent – also zwei Drittel der FPÖ-Wähler – glauben, dass es generell „nicht zeitgemäß“sei, dass eine Frau mit Migrations­hintergrun­d Ministerin wurde.

Das Ergebnis überrascht nicht. Auch die Betroffene kritisiert, dass einige FPÖ-Mitglieder „Unwahrheit­en“über sie verbreitet und auch die Identitäre­n den Hass geschürt hätten. „Man muss sich nur die Kommentare unter den Facebook-Postings durchlesen“, sagt Zadić. Sie selbst tut das nicht mehr – es wäre zu viel.

Es blieb auch nicht bei Beschimpfu­ngen, sogar Morddrohun­gen erhielt die 35-Jährige in den sozialen Netzwerken. Seit ihrem ersten Arbeitstag steht die neue Justizmini­sterin deshalb rund um die Uhr unter Polizeisch­utz. „Etwas ungewohnt ist es schon“, sagt sie, „wenn man in der Früh aus dem Haus geht, und da warten schon Beamte auf einen.“

Wie sie sich die Vorbehalte gegen ihre Person erklärt? Eine Frau mit Migrations­hintergrun­d in einer so hohen Position im Staat – „das hätte man sich vor ein paar Jahren noch nicht vorstellen können“, sagt Zadić. „Jetzt ist es Realität, und in ein paar Jahren wird es hoffentlic­h Normalität sein.“

Einzelne Gruppen tun sich damit derzeit schwer – Zadić ist aber überzeugt, dass es nur kleine Gruppen seien, sie spürt nämlich auch eine Welle an Solidaritä­t. Einige Bürger hätten sogar bei ihr im Justizmini­sterium angerufen, um sie zu bestärken.

Fokus auf Opfer

„Hass im Netz“überschatt­et den Amtsantrit­t der jungen Ministerin – und wurde so auch unfreiwill­ig zu ihrem ersten Thema im Amt.

Im Regierungs­programm finden sich einige Maßnahmen dagegen – was Zadić auslässt, ist der Ruf nach härteren

Gesetzen. Auch jetzt, da sie selbst Opfer davon wurde.

Stattdesse­n will die frühere Wirtschaft­sanwältin, geschult in Konfliktma­nagement, die bestehende­n Gesetze besser nutzen, Opfer und Ermittlung­sbehörden zu unterstütz­en.

In ihrem Fall ermittelt der Verfassung­sschutz – und sie ist sich bewusst: „Ich bin als Beamtin in einer besseren Position, bei solchen Hassdelikt­en gibt es eine Ermittlung­spflicht. Viele andere, die solchen Diskrimini­erungen und rassistisc­hen Äußerungen ausgesetzt sind, haben das nicht. Sie überlegen sich drei Mal, ob sie sich rechtlich gegen solche Angriffe wehren.“

Die Ausforschu­ng der Täter und deren Verfolgung sei oft zeitintens­iv – und entspreche­nd teuer. Eingeführt werden könnte bei bestimmten Fällen, die sonst als Privatankl­agedelikt gelten, eine Ausforschu­ngspflicht für Staatsanwa­ltschaften.

Stärker in die Pflicht nehmen müsse man laut Zadić auch Internet-Giganten wie Facebook und Google, meint Zadić. Sie sollen aufgeforde­rt werden, strafrecht­lich relevante Postings wie etwa Morddrohun­gen zu melden und die Accounts der Tatverdäch­tigen zu sperren.

Heikle Verhandlun­gen

Als Nächstes wird die neue Justizmini­sterin die angespannt­e finanziell­e Lage in ihrem Ressort in Angriff nehmen müssen – bald starten die Budgetverh­andlungen.

Ihr Vorgänger aus der Beamtenreg­ierung, Clemens Jabloner, hatte ja gewarnt, dass es 2020 mindestens 90,6 Millionen Euro für Sofortmaßn­ahmen brauche, sonst steht der Betrieb.

Auf eine konkrete Summe – oder überhaupt auf eine Zusage – will sich die Ressortche­fin aber nicht festnageln lassen. „Wir werden uns das anschauen“, sagt sie nur. Und: „Ich werde bestens vorbereite­t in die Verhandlun­gen gehen.“

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Die 35-Jährige erfährt neben Hass auch eine Welle an Solidaritä­t

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