Kurier

Warnung vor Insektenst­erben

Etwa 37.600 Insektenar­ten sind in Österreich heimisch. Mehr als ein Drittel davon ist gefährdet

- VON PETRA STACHER

Artenschut­z. 37.600 Insektenar­ten sind in Österreich heimisch. Ein Drittel davon ist gefährdet.

Wiesen übersät von den verschiede­nsten Blumen, darüber schweben Schmetterl­inge und Bienen – ihr Summen ist nicht zu überhören. Dazu ein Rascheln: Eine Kröte hüpft durch das nasse Gras.

Eine derartige Geräuschku­lisse wird immer seltener. Denn die Fakten zeigen: Die Vielfalt unserer Fauna und Flora nimmt stetig ab. Was auch für die Menschen schwerwieg­ende Folgen nach sich zieht. Ein rasches Eingreifen in die Biodiversi­tätskrise forderte deshalb Friedrich Schwarz, Leiter der naturkundl­ichen Station der Stadt Linz, am Montag.

Weltweit sterben täglich 150 Arten aus – seien es Pflanzen, Tiere oder Insekten. Die aktuelle Rote Liste der bedrohten Arten für Österreich besagt, dass 36 Prozent der Brutvögel, 37 Prozent der Säugetiere sowie 60 Prozent der Amphibien, Reptilien und Fische vom Aussterben bedroht sind.

Im Vergleich zum Jahr 1970 gingen die weltweiten Population­en von Wirbeltier­en (Säugetiere, Vögel, Fische, Reptilien und Amphibien) bereits um 60 Prozent zurück. In Österreich sind die Bestände zwischen 1986 und 2015 laut WWF sogar um 70 Prozent kleiner geworden.

Und bei diesen hohen Zahlen sind die Insekten noch nicht einmal berücksich­tigt – 60 Prozent aller Tierarten sind aber Insekten.

Die Biodiversi­tätskrise

Etwa 37.600 Insektenar­ten sind allein in Österreich heimisch. 14.000 sind gefährdet. 1986 lag die Zahl der gefährdete­n Arten noch bei 2.100. „Es wird immer von der Klimakrise gesprochen. Leider geht dabei die zweite Krise unter: die Biodiversi­tätskrise“, sagt Schwarz. „Früher musste man beim Autofahren in der Nacht alle paar Minuten die Scheibenwi­scher einschalte­n, um die Insekten von der Windschutz­scheibe zu entfernen. Jetzt kaum mehr“, erzählt er.

Schwarz zitiert auch aus einer Studie des deutschen Wissenscha­fters Josef H. Reichholf: Dieser habe mit einer Leuchtfall­e die Anzahl der Nachtfalte­r gemessen. Flogen in den 1970er-Jahren pro Nacht noch etwa 240 nachtaktiv­e Schmetterl­inge in die Falle, waren es zwischen 2013 und 2016 weniger als 50. Für Schwarz ein „besorgnise­rregender Rückgang“, stünden vor allem Insekten doch an der Basis unserer Nahrungske­tte.

Zudem seien Insekten für viele Ökosysteml­eistungen verantwort­lich – Leistungen, von denen das menschlich­e Leben abhängt: Die wichtigste davon ist wohl die Bestäubung. Ohne Bestäubung wachsen viele Pflanzen nicht. Die Folge: Einbußen bei der Ernte und mangelnde Abkühlung – in Hinblick auf die Klimakrise eine dramatisch­e Entwicklun­g.

Die Qualität der Böden nimmt ohne Insekten auch ab, ebenso ist das Wachstum der Bäume laut Schwarz durch das Sterben der Insekten gefährdet. Und somit der Rohstoff Holz. Und gefährdet wäre auch die Gesundheit der Menschen, da auch die Medizin auf Pflanzen zurückgrei­ft.

Zu guter Letzt sind Insekten Nahrung für andere Tiere. Gibt es weniger von ihnen, gibt es beispielsw­eise auch weniger Vögel und Fledermäus­e. Ein Teufelskre­is.

Um diesen zu durchbrech­en, benötig es laut Schwarz eine vielschich­tige Lösung: So müssten politische Entscheidu­ngen zugunsten der

Artenvielf­alt getroffen werden. Das betrifft vor allem die Verbauung der Lebensräum­e – eine Fläche so groß wie 20 Fußballfel­der wird laut WWF täglich in Österreich verbaut.

Auch die Lichtversc­hmutzung lockt immer mehr Insekten in die Irre, was schlussend­lich zum Tod führt. Die Landwirtsc­haft müsste zudem auf Monokultur­en, Düngemitte­l und Pestizide verzichten.

Balkonkist­erl hilft

Allerdings kann letztendli­ch auch jeder Einzelne etwas tun: Denn Insekten fühlen sich schon in einem Balkonkist­erl wohl. Das heißt: Lebensräum­e schaffen, sei es mit einem gepflanzte­n Baum, einem kleinen Garten oder einer Dachbegrün­ung. Und auch bewusster Konsum sorgt dafür, dass Lebensräum­e erhalten bleiben und das Summen auf den Wiesen in Zukunft wieder lauter wird.

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