Kurier

Was muss ein Minister können?

Philosoph für Finanzen, Bauernlobb­yistin fürs Heer – und warum das trotzdem funktionie­ren kann

- VON B. GAUL, E. HOFER, J. HAGER

Gernot Blümel, in Socken auf einem Balance-Board stehend, Ovids „Metamorpho­sen“lesend. Das perfekt inszeniert­e Foto des studierten Philosophe­n, der auch in der Politik die Balance hält, ging durch alle Medien.

Doch reicht die Kenntnis von Ovid? Oder hätte Blümel vielleicht besser zu einem Standardwe­rk über Makroökono­mie greifen sollen? Denn jetzt, als frisch angelobter Finanzmini­ster, stellt sich so mancher die Frage, ob ein Philosoph als Herr der Zahlen am richtigen Platz ist.

Ähnlich ergeht es Heeresmini­sterin Klaudia Tanner. Die Juristin war im Kabinett von Innenminis­ter Strasser und zuletzt Direktorin des nö. Bauernbund­es. Militärisc­he Vorkenntni­sse hat sie keine.

Kann das gut gehen? Was muss ein Minister eigentlich können?

Rechtlich, das vorweg, gibt es keine besonderen Erforderni­sse, die ein Ministerka­ndidat mitbringen muss. „Die Verfassung sagt darüber nichts, außer, dass er oder sie über das passive Wahlrecht verfügen muss“, sagt Ex-Verfassung­sgerichtsh­of-Präsident Ludwig Adamovich. „Der Bundeskanz­ler muss überlegen, ob die Person ihre Sache fachlich gut machen wird, und ob sie auch in der Öffentlich­keit gut ankommt.“

Bei der Bestellung der Minister sei der Kanzler aber nur ein „Manager“. Denn das letzpositi­on te Wort habe immer der Bundespräs­ident. „Er führt sowohl formal als auch hinter den Kulissen Gespräche und beäugt die Kandidaten genau“, sagt Adamovich.

Paradigmen­wechsel

Doch zurück ins Heeresmini­sterium. Von 2000 bis 2003 leitete Herbert Scheibner (FPÖ) das Ressort. Er brachte durch eine Miliz-Laufbahn und als Chef des Landesvert­eidigungsa­usschusses Kenntnisse mit. Doch es komme nicht nur darauf an, sagt Scheibner heute im Rückblick: „Man braucht politische Erfahrung, muss die Usancen im Parlament kennen und mit der Opposition umzugehen wissen.“Vor allem sei man auf die Fachkenntn­is des Ressorts angewiesen.

Dass mit Klaudia Tanner erstmals eine Frau an der Spitze des Heeres steht, sei „der Zeit und dem längst überfällig­en Paradigmen­wechsel“geschuldet, glaubt Scheibner. Früher sei das Kabinett des Verteidigu­ngsministe­rs kein politische­s Büro, sondern eher eine militärisc­he Dienststel­le gewesen. „Damals musste auch ein Gesundheit­sminister mindestens Arzt sein. Das ist heute anders, und das ist gut.“

Und Blümel? Hat er das Zeug, die Bundesfina­nzen zu verwalten? „Gute Fachkräfte im Ministeriu­m, keine Parteigüns­tlinge – dann kann auch ein Philosoph durchaus ein

guter Finanzmini­ster sein“, meint Hans Pitlik, Budgetexpe­rte des WIFO, der nun schon seinen achten Finanzmini­ster erlebt. Wichtig sei für einen Finanzmini­ster, dass er „die Grundricht­ung vorgibt und über Verhandlun­gsgeschick verfügt“. Denn: „Bloße Fachsimpel sind auch simpel in ihrem Fach“, ergänzt Eckart Ratz, Innenminis­ter während der Kurzzeitre­gierung im Mai. Manchmal falle es fachfremde­n Personen sogar leichter, über den Tellerrand zu blicken.

Ähnlich sieht das der langjährig­e Budgetsekt­ionschef im Finanzmini­sterium, Gerhard Steger: „Der Finanzmini­ster muss ein Verständni­s für ökonomisch­e Zusammenhä­nge und für die Funktionsw­eise des öffentlich­en Apparats haben. Ein ausgewiese­ner Finanzspez­ialist muss er nicht sein, dafür hat er ja seine Beamten.“

Blödheiten verhindern

Diese Erfahrung der Beamten müsse er aber auch nützen. Steger: „Da gibt es nämlich seit ein paar Jahren den Trend, dass sich Finanzmini­ster große Kabinette halten, die letztlich nur De-Motivation­smaschinen für die Fachbeamte­n sind. Wenn dort junge Buberln und Mäderln glauben, sie seien wichtig und können allen alles anschaffen – das demotivier­t.“

Als Ex-Wächter über den Bundeshaus­halt hält Steger eine Ministerei­genschaft für besonders wichtig: „Nein sagen können. Der Finanzmini­ster muss wissen, dass er im Ernstfall immer alleine ist. Beim Geld hört die Freundscha­ft bekanntlic­h auf.“

In den 90er Jahren habe es einen Spruch gegeben: „In der Großen Koalition gibt es drei Parteien: die SPÖ, die ÖVP und den Finanzmini­ster.“Das habe die Wichtigkei­t unterstric­hen, sich nicht von Parteipoli­tik vereinnahm­en zu lassen. „Dafür braucht es aber eine spezielle Persönlich­keitsstruk­tur, das kann nicht jeder“, sagt Steger.

Auch dem Kanzler und den anderen Ministern gegenüber müsse der Finanzmini­ster „Nein“sagen können – und das immer mit guten Argumenten. „Was es letztlich braucht, ist Widerstand gegen Blödheiten.“Widerstand gegen die Kritik der Op

Gerhard Steger Langjährig­er Budgetsekt­ionschef

musste Blümel bereits leisten, nachdem bekannt wurde, dass es im Bundesbudg­et 2019 einen Überschuss von einer zusätzlich­en Milliarde gibt. Steuergeld, das den Österreich­ern zuvor „aus der Tasche gezogen wurde“, wie Neos-Wirtschaft­ssprecher Sepp Schellhorn sagte. Blümel konterte, das sei „eine „gute Basis, um die Menschen in Österreich zu entlasten“.

Steger sieht keinen Grund zur Aufregung: „So komisch es klingt: Eine Milliarde ist nicht viel im Vergleich zum gesamten Budget.“Nachsatz: „Ist doch gut, wenn man einen Überschuss macht.“

„Bloße Fachsimpel sind auch simpel in ihrem Fach. Fachfremde blicken über den Tellerrand.“

Eckhart Ratz Kurzzeit-Innenminis­ter

„Ein Finanzmini­ster muss Nein sagen können. Auch dem Kanzler und den Ministern gegenüber.“

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Klaudia Tanner, die erste Verteidigu­ngsministe­rin, büffelt gerade die Dienstgrad­e. Das mache aber nichts, meinen Auskenner. Minister müssten vor allem Politiker sein, nicht Fachsimpel
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Hat Gernot Blümel das Zeug zum Finanzmini­ster? „Er muss Nein sagen können“

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