Vorstoß für EU-weiten Mindestlohn
Kommission startet heute Konsultation, Arbeitgeber laufen gegen die Pläne Sturm
Sie gehört neben dem „Green Deal“für die europäische Wirtschaft zu den großen Vorhaben der neuen EUKommission: die Einführung eines europaweiten Mindestlohns. Gedacht ist dabei nicht an einen Einheitslohn für alle 28 (ab Februar dann nur noch 27) EU-Staaten. Vielmehr wird EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit heute vor dem EU-Parlament in Straßburg klarstellen: „Ich will ein gesetzliches Instrument vorschlagen, das jedem Arbeitnehmer in unserer Union einen fairen Mindestlohn garantiert.“Das könnte also ein Rahmen dafür sein, dass im jeweiligen EU-Staat die Lohnuntergrenze mindestens 60 Prozent des dortigen Durchschnittslohnes betragen muss.
Derzeit gibt es in 22 der 28 EU-Staaten gesetzliche Mindestlöhne – mit einer riesigen Bandbreite (siehe Grafik). So liegt er in Luxemburg mit über 2.000 Euro pro Monat am höchsten. Im ärmsten EU-Staat Bulgarien beläuft er sich hingegen auf nur rund 270 Euro.
Österreich ist anders
In Österreich gibt es ebenso wie in fünf anderen EU-Staaten keinen gesetzlichen Mindestlohn. Hier legen Kollektivverträge der einzelnen Branchen fest, wie viel die Arbeitnehmer mindestens verdienen müssen. Nur zwei Prozent der heimischen Arbeitnehmer fallen laut Angaben des Österreichischen Gewerkschaftsbundes nicht unter einen Kollektivvertrag.
Entsprechend gering fällt die Begeisterung vonseiten aller österreichischen Sozialpartner aus, ein existierendes erfolgreiches System umzukrempeln. Ähnlich starke Tarifsysteme haben Schweden, Finnland und Dänemark. Deren Gewerkschaften fürchten ebenso wie deren Regierungen, dass ihre gut funktionierenden Systeme mit einer EUweiten Regelung untergraben werden könnten.
Und sogar der Europäische Gewerkschaftsbund hält deshalb fest: „Gesetzliche Mindestlöhne sollten nicht in Ländern eingeführt werden, deren Sozialpartner sie nicht für notwendig halten.“Mehrheitlich aber tendieren die europäischen Gewerkschaften für einen Rahmen für europäische Mindestlöhne.
Diesen Befürchtungen hält der sozialdemokratische EU-Kommissar Schmit aus Luxemburg entgegen: „Wir werden unter keinen Umständen erzwingen, dass diese Länder ihre alten und gut etablierten Traditionen ändern müssen.“
Ein kategorisches Nein
Und ein kategorisches Nein zum EU-weiten gesetzlichen Mindestlohn kommt von den Wirtschaftskammern und der europäischen Industrie. „Lohnvereinbarungen fallen unter nationale Kompetenz und werden am besten von den Sozialpartnern auf nationaler Ebene getroffen“, führt Markus Beyrer, Generaldirektor
des Industrielobbyverbandes BusinessEurope gegenüber dem KURIER aus. „Löhne sollten nicht in ein Werkzeug zur Umverteilung von Wohlstand verwendet werden, das muss über Steuern und soziale Sicherheitsnetze geschehen.“
Konsultation beginnt
Vorerst aber ist es noch lange nicht so weit: Zunächst will die Kommission alle Sozialpartner konsultieren, ob sie eine EU-weite Regelung für nötig halten. Kommt es zu keiner Einigung, kann die Kommission selbst einen Gesetzesvorschlag unterbreiten – vermutlich noch vor Sommerbeginn.