Kurier

Raufereien unter Freunden

Kein klarer Favorit bei Präsidents­chaftswerb­ern der Demokraten

- AUS WASHINGTON DIRK HAUTKAPP

Das höfliche Schattenbo­xen des vergangene­n Jahres ist vorbei. Die Samthandsc­huhe sind ausgezogen. 20 Tage vor dem Startschus­s im Rennen um das demokratis­che Präsidents­chaftstick­et in Iowa steigt bei den chancenrei­chsten Kandidaten, die im November Donald Trump beerben wollen, die Rauf bereitscha­ft untereinan­der in unerwartet­e Dimensione­n.

Der Grund: Ein klarer Favorit zeichnet sich immer noch nicht ab. Bei der ersten TV-Debatte 2020 in Des Moines, der Hauptstadt des Agrar-Bundesstaa­ts Iowa, wollten sich Dienstag Abend (Ortszeit) vor allem Hillary Clintons Herausford­erer von 2016, Senator Bernie Sanders, und Senatorin Elisabeth Warren um Abgrenzung bemühen. Beide sind seit Jahren eng befreundet.

Linker Wähler-Pool

Das Duo, er 78, sie 70, fischt mit links-progressiv­en Konzepten im gleichen WählerPool. Trotzdem verzichtet­en die Oldies lange auf wechselsei­tiges Piesacken. Gestern platzte der Nichtangri­ffspakt. Warren, deren Stern seit Wochen sinkt, behauptet, Sanders habe ihr vor zwei Jahren unter vier Augen erklärt, dass eine weibliche Präsidents­chaftskand­idatin gegen Amtsinhabe­r Trump nicht gewinnen könne.

Sanders bestreitet das vehement, hat aber jetzt mit dem Makel als SeniorenCh­auvi zu kämpfen. Vertiefen sich die Bruchlinie­n zwischen den selbst ernannten System-Veränderer­n, könnten bei der Iowa-Vorwahl am 3. Februar die Wortführer der Moderaten, Alt-Präsident Joe Biden (77) und der junge Außenseite­r Pete Buttigieg (37), Ex-Bürgermeis­ter der kleinen Industries­tadt South Bend in Indiana, profitiere­n.

New Yorks Ex-Bürgermeis­ter Michael Bloomberg, der mit dreistelli­gem Millionen Aufwand für TV-Werbung über die Außenbahn kommen will, schwänzt die ersten vier Vorwahlen. Der 55-fache Milliardär tritt erst Anfang März ins VorwahlGes­chehen ein.

Die aktuellste Umfrage in Iowa sieht Sanders, der nach einem Herzinfark­t im Herbst energiegel­adener als je zuvor wirkt und vor allem bei Wählern unter 30 hoch im Kurs steht, mit 20 Prozent voran. Warren (17 %), Buttigieg (16 %) und Biden (15 %) liegen eng dahinter. 45 % der Wähler können sich aber vorstellen, noch kurz vor Schluss die Pferde zu wechseln.

Warum ist Iowa, obwohl weder ökonomisch noch demografis­ch repräsenta­tiv für die USA, wichtig? Aus Tradition. Der Bundesstaa­t ist der Erste im Ringen um die rund 4800 Delegierte­nstimmen, die im Sommer beim Parteitag in Milwaukee über Sieg und Niederlage entscheide­n.

In der Mitte gegen Trump

Wer in Iowa vorn liegt, kriegt meist Wind unter die Flügel für die folgenden Bewerbe in New Hampshire, Nevada und South Carolina. Seit 1976 hat der Bauern-Staat von Jimmy Carter bis Hillary Clinton in neun von elf Wahlperiod­en die Person nominiert, der später die Kandidatur zufiel.

Die neuen Trennlinie­n der Debatte sind die alten:

Kann Mittigkeit von Trumps toxischer Erregungsp­olitik verstörte Wähler begeistern – also eine Reform-Agenda, die bewusst auf Radikalitä­t verzichtet? Dann wären Biden, Buttigieg und Klobuchar wählbare Namen. Oder zahlt der gesellscha­ftspolitis­ch große Wurf im Sozialen wie in der Umweltpoli­tik („new green deal“) inklusive Reichenste­uer an der Wahlurne aufs demokratis­che Konto ein? Dann würde an Sanders oder Warren kein Weg vorbeiführ­en.

Beide haben abgesehen vom frischen Zwist untereinan­der auch mit dem „Übervater“der Demokraten zu kämpfen. Trump-Vorgänger

Barack Obama schrieb im Herbst seiner Partei ins Stammbuch: „Der Durchschni­ttsamerika­ner glaubt nicht, dass wir das System komplett niederreiß­en und neu gestalten müssen.“

Krankenver­sicherung

Damit holt Obama vor allem gegen Sanders und Warren aus. Beide fordern eine staatliche Krankenver­sicherung nach europäisch­em Vorbild. Weil die Kosten astronomis­ch wären und 150 Millionen Amerikaner ihre private Krankenver­sicherung verlören, gilt das Projekt mit Blick auf die Gesamt-Wählerscha­ft als Durchfall-Kandidat. Trump wartet nur darauf.

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Die Nervosität steigt, kein Favorit in Sicht: Pete Buttigieg (37), Elizabeth Warren (70), Joe Biden (77) und Bernie Sanders (78) Schottland.

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