Orbáns Gesetz gegen Flüchtlingshelfer droht zu kippen
Grundrechte. Die Regierung hat die Arbeit von Hilfsorganisationen massiv erschwert – teilweise ist das wohl nicht mit EU-Recht vereinbar
Ungarns Beschränkungen für Auslandsspenden an Hilfsvereine widersprechen mehreren EU-Bestimmungen. Das hat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der Spanier Manuel Campos Sánchez-Bordona, am Dienstag festgestellt. Es ist noch kein gerichtliches Urteil, aber meist folgen die EU-Richter ihren Gutachtern.
Das Gesetz der ungarischen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán verletzt, so der Generalanwalt, in vier Bereichen EU-Bestimmungen: freier Kapitalverkehr, Grundrechte zum Schutz personenbezogener Daten, Schutz der Privatsphäre und Vereinigungsfreiheit. Ungarn hatte 2017 ein Gesetz erlassen, wonach sich Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die Geld aus dem Ausland bekommen, ab einer bestimmten Spendenhöhe pro Jahr bei den ungarischen Behörden registrieren lassen müssen. Das gilt ab einem Spendenvolumen von 500.000 Forint, rund 1.500 Euro. Die Stoßrichtung: Hilfe für Flüchtlinge unmöglich machen.
Wahlkampfschlager
Die Kampagne gegen die Flüchtlingshelfer spielte in Orbáns Wahlkampf im Frühjahr 2017 eine zentrale Rolle. Bei der Wahl kam Orbán dann auf 48,5 Prozent – dank des ungarischen Wahlrechts
Orbán sah Flüchtlingshilfe als Frage der Souveränität Ungarns
eine knappe Zwei-DrittelMehrheit im Parlament.
Letztlich zielte der Feldzug der ungarischen Regierung gegen die NGOs auch auf einen ihrer wichtigsten Unterstützer, den heute 89-jährigen Milliardär George Soros. Die Regierung in Budapest unterstellte dem amerikanischen Philanthropen mit
Soros ist oft im Fokus rechter Verschwörungstheorien
ungarischen Wurzeln, er verfolge einen geheimen Plan zur Ansiedelung von Zehntausenden Migranten in Ungarn. Beweise dafür legte Orbán nie vor.
Die EU-Kommission leitete im Juli 2017 beim EuGH ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Budapest ein. Nun argumentierte Generalanwalt
Sánchez-Bordona: Weil Ungarns Bedingungen nur gelten, wenn die Spende aus dem Ausland kommt, handelt es sich um eine Beschränkung des Grundsatzes des freien Kapitalverkehrs. Außerdem verletzt Ungarn laut dem Generalanwalt den Datenschutz, schließlich würden die Hilfsorganisationen auf einer elektronischen Plattform veröffentlicht werden.
Stigmatisierung
Auch der Schwellenwert ist nach Einschätzung des Generalanwalts „unverhältnismäßig niedrig“. Der Generalanwalt sieht die Gefahr, dass die Veröffentlichung der Einzelheiten der Transaktionen eine „stigmatisierende Wirkung“auf Organisationen und ausländische Spender in Ungarn haben könne. TopJurist Sánchez-Bordona begründete dies damit, dass die mögliche ideologische Sympathie, die sich durch eine Spende vermuten lässt, in Ungarn „kompromittierend sein könnte“.
Die sogenannten Generalanwälte des EuGH sind Gutachter, die den Richtern unparteilich einen Vorschlag für ein Urteil zur Verfügung zu stellen, dies in Form von begründeten Schlussanträgen. Eine Niederlage gegen die NGOs vor dem EuGH würde für Orbán einen Rückschlag bedeuten.