„Bis 41 war ich immer im Minus“
Die Snowboarderin ist mit 46 immer noch Spitze. Das spricht für sie – und nicht gegen den Sport
Wenn sich Claudia Riegler immer alles zu Herzen genommen hätte, was manche Leute hinter ihrem Rücken so raunten, dann wäre sie schon längst Schnee von gestern. Sie solle es besser bleiben lassen, war da zu vernehmen gewesen, sie möge doch, bitteschön, den Platz endlich für die Jüngeren räumen, und überhaupt: Was hat jemand wie sie überhaupt noch auf dem Snowboard zu suchen? In ihrem Alter. Mit 46. „Man bekommt immer zu hören: ,Mit 35 ist Schluss‘“, erzählt Claudia Riegler. „Leider ist halt unser Gesellschaftsbild so. Aber das wollte ich nicht einfach so hinnehmen und akzeptieren.“
Zum Glück hat sie sich von all den Besserwissern nie aus der Bahn werfen lassen. Sonst wäre ihr auch einiges vorenthalten geblieben: die Goldmedaille bei der HeimWM 2015 am Kreischberg zum Beispiel. Oder der emotionale Erfolg vor einem Jahr beim Heimweltcup in Bad Gastein, der sie zur ältesten Siegerin in der Geschichte des Weltcups gemacht hat.
Positiver Zugang
„Es geht nur um die Einstellung“, sagt die nimmermüde Snowboarderin, die im Sommer 47 wird. Wer sie schon allein deshalb voreilig zum alten Eisen zählt, der hat keine Ahnung, wie diese Claudia Riegler tickt. Und wie wichtig
Eigenschaften wie Lebensfreude und Optimismus sind.
Würde man sie nicht immerzu an ihr fortgeschrittenes Alter erinnern, sie würde keinen Gedanken daran verschwenden, erklärte Riegler vor dem Heimweltcup in Bad Gastein. Der wird heute (13 Uhr) mit einem Teambewerb abgeschlossen; am Dienstag blieb sie freilich in der Qualifikation für den Einzelbewerb hängen und machte das Setup als Ursache ausfindig.
„Mir war’s ja sowas von wurscht, wie ich 30 geworden bin“, erzählt die Flachauerin, „auch der 40er hat mir nichts ausgemacht.“Ganz im Gegenteil: Jeder Winter, in dem sie sich aufs Neue behaupten kann, bestätigt sie in ihrer Leidenschaft fürs Rennfahren. „Ich will zeigen, dass viel möglich ist, wenn man einen positiven Zugang hat.“
Großes Privileg
Diese Frohnatur gepaart mit ihrer Erfahrung und ihrer Gelassenheit macht sie zu einer der erfolgreichsten Boarderinnen der Gegenwart. „Mir ist bewusst, dass es ein Privileg ist, dieses Leben zu führen und das zu tun, was mir am meisten Spaß macht“, sagt Riegler, deren Karriere erst spät richtig Fahrt aufgenommen hat. Ihre ersten WM-Medaillen gewann sie mit 37, als sie 2015 Weltmeisterin wurde, war sie bereits 41.
Die meisten hätten wohl niemals so lange durchgehalten. Die
Snowboarder fristen hierzulande oft ein Schattendasein, es braucht schon große Erfolge und besondere Leistungen, um Schlagzeilen zu schreiben und Sponsoren zu gewinnen. „Bis zum WM-Titel war ich immer im Minus“, gesteht Riegler, „das war teilweise echt stressig und ungut.“
Es würde nicht unbedingt für den Snowboardsport sprechen, wenn jemand in ihrem Alter dort reüssieren könnte, bekam Claudia
Stets mit positiver Energie: Claudia Riegler hat auch mit 46 noch lange nicht genug vom Borden
Riegler ebenfalls zu hören. „Das geht nur im Snowboard.“All den Kritikern hält sie dann gerne Ester Ledecka entgegen. Oder spricht es denn für den Skisport, dass eine Snowboarderin Olympiasiegerin wird? „Ester Ledecka war für unseren Sport wichtig“, sagt Riegler. Am Dienstag wurde die Tschechin bei ihrem Saisondebüt auf einem Brett übrigens Zweite hinter Ramona Hofmeister (GER).