Kein Platz für kranke Kinder
542 junge Psychiatrie-Patienten auf Erwachsenen-Stationen untergebracht
Es war ein KURIER-Bericht, der für Aufsehen sorgte: Im Sommer 2018 untersuchte die Polizei Hinweise auf einen möglichen gewaltsamen Übergriff eines erwachsenen Patienten auf ein 13-jähriges Mädchen auf der Psychiatrie-Abteilung des Otto-Wagner-Spitals.
Der Hintergrund: Das Kind war auf der Erwachsenenstation untergebracht, weil in der Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgrund von Kapazitätsmängeln kein Platz war.
Seit Jahren kritisieren Patientenvertreter die unsachgemäße Unterbringung von Kindern. Nun hat der Stadtrechnungshof erstmals die Dimension des Problems ermittelt: Zwischen 2015 und 2018 waren demnach insgesamt 542 Minderjährige an psychiatrischen Abteilungen für Erwachsene untergebracht. Zum Vergleich: An den Kinder- und Jugendpsychiatrien wurden im selben Zeitraum 2.190 junge Patienten aufgenommen, 121 an kurzfristig geschaffenen
Wegen der Engpässe mussten auf den Fachabteilungen Wartelisten für weniger dringliche Fälle geführt werden. So wurden im AKH 2017 rund 30 bis 35 Patienten auf der Warteliste geführt, wobei die Wartezeiten
Interimsstationen. 2018 berichtete der KURIER über einen möglichen Übergriff eines erwachsenen Patienten auf ein Kind im Otto-Wagner-Spital mehr als zwei Monate betrugen. Auf der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Rosenhügel lag sie sogar bei bis zu vier Monaten.
Als eines der Hauptprobleme orten die Prüfer, dass die Sollzahl an Spitalbetten für die jungen Patienten nicht einmal annähernd erreicht wurde. Sie wurde 2010 mit 106 definiert (2017 für das Jahr 2020 mit 149), tatsächlich gab es im Untersuchungszeitraum durchgehend lediglich 64 Betten.
Die Prüfer kritisieren aber auch den Mangel an Fachärzten und empfehlen daher umgehend Maßnahmen zur Erhöhung der Ausbildungsstellen. Bemängelt wurde weiters, dass auf einigen Stationen die räumliche Ausstattung nicht kindgerecht und zeitgemäß war. Immerhin: Solche Zustände sollten mittlerweile der Vergangenheit angehören. Laut Krankenanstaltenverbund (KAV) habe man bereits zusätzliche Kapazitäten geschaffen: 15 Betten am Rosenhügel 2019, 32 stationäre Betten und acht tagesklinische Behandlungsplätze bis Mitte 2020 im AKH sowie 30 neue Betten im Krankenhaus Nord. Wobei man dort wie berichtet nach wie vor die nötigen Fachärzte sucht.
Stadt stockte auf
„Der Rechnungshof-Bericht hat uns keine neuen Erkenntnisse gebracht, aber bestärkt uns in der Richtigkeit der Maßnahmen, die wir schon gesetzt haben“, sagt Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Um mehr Fachärzte rekrutieren zu können, fordert er von der Ärztekammer, den Ausbildungsschlüssel zu ändern. Derzeit darf ein Arzt nur einen Jungmediziner ausbilden. Dies sei laut Stadtrat zu wenig.
Von der Opposition hagelt es Kritik: „Die Stadt darf nicht bei der psychiatrischen Versorgung sparen und schon gar nicht bei den Kleinsten unserer Gesellschaft“, sagt ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec. Von einer „katastrophalen Situation“spricht FPÖVizebürgermeister Dominik Nepp. „Der KAV hat viel zu lange zugeschaut“, kritisiert Neos-Klubchef Christoph Wiederkehr.
Die Unterbringung von Kindern auf Erwachsenenstationen beschäftigte zuletzt auch die Gerichte. Wie berichtet, hat im Vorjahr erstmals eine Betroffene eine Schadenersatz-Zahlung von 2.200 Euro durch die Republik erstritten.