Kurier

Hinter Hasspostin­gs steckt oft System

Bilanz. 2019 wurden fast 2.000 verächtlic­he Kommentare gemeldet, Dunkelziff­er ist weit höher

- ELISABETH HOLZER

„A Kugel is der reserviert“: Justizmini­sterin Alma Zadić, Grüne, ist derzeit das bekanntest­e Opfer jener Menschen, die andere in der vermeintli­chen Anonymität des Internets attackiere­n. Daniela Grabovac, Leiterin der Antidiskri­minierungs­stelle Steiermark, weiß jedoch: Zadić ist nicht allein − 2019 gingen 1.822 Meldungen über Hasspostin­gs aus ganz Österreich in ihrer Einrichtun­g ein, acht Prozent davon betrafen Politiker, großteils weibliche. 25 Prozent betrafen Migranten, 13 Prozent Muslime.

„Geht’s ham, wo’s herkommts’, waren da noch die mildesten Meldungen“, resümiert Grabovac. Vielfach sind sie brutaler, direkter. „Drohungen, jemand zu erschießen, zu ertränken. Emojis mit Hitlergruß oder Bilder von Grabsteine­n mit dem Namen der Betroffene­n drauf.“

Melden mit einem Klick

Gemeldet wurden die Postings über „BanHate“, eine App, die Grabovacs Team entwickelt­e und 2017 freischalt­ete. Damit können Kommentare in sozialen Medien und Online-Foren mit einem Klick gemeldet werden. 43 Prozent der Postings des Vorjahres wurden an die Staatsanwa­ltschaft weitergele­itet.

Wie hoch die Dunkelziff­er an Hasspostin­gs sein könnte, wagt Grabovac nicht zu schätzen. „Wir nehmen natürlich an, dass viel mehr passiert, als bei uns gemeldet wird. Vor allem bei Politikern gibt es bestimmt mehr Vorfälle. Aber die sagen sich oft, ich stehe in der Öffentlich­keit, ich muss das aushalten.“

In den drei Jahren hat Grabovac zudem eine beunruhige­nde Entwicklun­g bemerkt: Die „besoffenen G’schichten“− also beleidigen­de Kommentare unter Alkoholein­fluss − scheinen abgenommen zu haben. Es verstärke sich jedoch das systematis­che Drohen im Internet. „Es gibt Gruppen, die planen richtig, jemanden fertigzuma­chen. Das ist die größere Gefahr als Leute, die betrunken um zehn am Abend einfach einen unpassende­n Kommentar abgeben.“

Kein Sieg für Trolle

Wer dahinter steckt, lässt sich oft nur schwer herausfind­en, bedauert Grabovac. Gehe es um Politiker, vermute man extremisti­sche Gruppen, die sich „so Gehör verschaffe­n wollen“. Bei Privatpers­onen seien es „oft Trolle, für die es ein Spaß ist, jemanden fertigzuma­chen.“Wenn sich Betroffene deshalb aus sozialen Medien zurückzieh­en, sei das verständli­ch, versichert die Expertin. „Aber dann würde deren Plan, dass man sich nicht mehr traut, seine Meinung zu sagen, aufgehen. Das

wäre der Sieg der anderen

Seite.“

Besser wäre konsequent­es Melden und Verfolgen, auch vonseiten der Politik wie der Justiz. Grabovac fordert die 2017 versproche­nen Sonderstaa­tsanwälte samt zusätzlich­er Planstelle­n sowie Adaptierun­gen des Strafrecht­s: Einer Frau eine Vergewalti­gung

zu „wünschen“, wie es oft in Hasspostin­gs vorkomme, sei strafrecht­lich nicht verfolgbar im Gegensatz etwa zu „wünschen“, jemand möge „in Dachau“enden. Nuancen, die organisier­te Hassposter kennen, ist Grabovac überzeugt. „Sie wissen, wie weit sie gehen dürfen.“

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1.822 Hasspostin­gs wurden im Vorjahr österreich­weit gemeldet

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