Biologe kritisiert 5G-Panik
Jahrzehntelange Forschung soll keinen Hinweis auf Gesundheitsgefahren liefern
Alle Jahrzehnte wieder: Die Strahlenangst geht um. Wie schon bei den Mobilfunktechnologien 3G und LTE herrscht angesichts der Einführung der neuen Mobilfunkgeneration 5G, die wesentlich höhere Internetbandbreiten und schnellere Verbindungen verspricht, Verunsicherung. Die Mobilfunkbranche hat die in sozialen Netzen kultivierte Besorgnis offenbar unterschätzt. Erst spät reagierte sie auf die dort geäußerten Bedenken, jetzt geht sie aber in die Gegenoffensive.
„5G ist keine neue Technologie, sondern nur ein neues, deutlich effizienteres Übertragungsprotokoll und somit eine Weiterentwicklung von Funktechnologien, die wir seit Jahren und Jahrzehnten verwenden. Meldungen, wonach Zigtausende neue Masten geplant sind, sind Unsinn. 5G wird zum Großteil auf bestehenden Masten mit neuen Antennen realisiert“, sagte Margit Kropik vom Forum Mobilkommunikation am Dienstag. Auch die Warnungen vor Gesundheitsgefahren würden jeglicher wissenschaftlicher Grundlage entbehren. Durch den 5G-Ausbau würde die an 450 Standorten gemessene elektromagnetische Strahlung von derzeit 0,9 Prozent des zulässigen Grenzwerts auf gerade einmal 1,3 Prozent steigen.
„Hutmenschen“
Um jegliche Gesundheitsbedenken zu zerstreuen, lud die Interessensvertretung der Mobilfunkbranche den Biologen Alexander Lerchl von der Jacobs University in Bremen. „Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis, weder im Tierversuch noch in klinischen Studien, dass 5G in den jetzt vorgesehenen
Funkfrequenzen zu einer erhöhten Tumorrate, einer Zunahme an Krankheiten oder einer höheren Sterblichkeit führt“, sagte Lerchl. Auf Nachfrage des KURIER, warum etwa die Wiener Ärztekammer, aber auch andere Ärzte vor den angeblichen Gefahren warnen, wurde Lerchl deutlicher.
„Das geht ein bisschen in Richtung Hutmenschen – man warnt mal und schaut, was dann passiert. Wissenschaftlich sind diese Warnungen nicht gerechtfertigt“, sagte Lerchl wohl in Anspielung auf den selbst gebastelten Aluhut, der Skeptikern zugeschrieben wird, um sich vor schädlichen Umwelteinflüssen oder eben Mobilfunkstrahlung und WLAN zu schützen.
Lerchl selbst ist unter 5GGegnern umstritten. So lieferte er sich etwa jahrelang einen erbitterten Streit mit einer Wiener Forschergruppe,
die beweisen wollten, dass hochfrequente elektromagnetische Felder zu Schädigungen des Erbguts führen können. Lerchl zweifelte die Ergebnisse an, sprach gar von Fälschung. Bis heute ist die Studie umstritten. Lerchl, der auch die wenigen anderen existierenden Studien auseinanderpflückte, die ein Gesundheitsrisiko durch Mobilfunk suggerieren, kämpft seither mit dem Ruf, ein „Gefälligkeitsforscher“und Lobbyist für die Mobilfunkbranche zu sein.
„Böser Bube“
„Weil ich die Erwartungen und Theorien dieser Leute nicht bestätige, bin ich nun der böse Bube. Damit muss ich wohl leben“, sagt Lerchl zum KURIER. Seine Aufgabe als Wissenschafter sehe er in erster Linie darin, aufzuklären und auch fehlerhafte Studien oder Missinterpretationen aufzuzeigen, gerade auch, weil es so viele irrationale Ängste beim Thema Mobilfunk und elektromagnetischer Strahlung gebe. „Das Problem für die Wissenschaft aber bleibt: Wenn es keinen gesundheitlichen Effekt gibt, werden wir das niemals nachweisen können.“
Auch Kropik wünscht sich eine wissenschaftlich fundiertere und interdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem Thema. „Viele der kritischen Geister scheuen eine Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Community – etwa auf Fachkongressen.“Dazu komme, dass sich völlig abwegige Geschichten über die Gefahren von 5G über Facebook und Co blitzartig verbreiten würden. „Leider hinterfragen die meisten Leute nicht, was und wer hinter solchen Meldungen steckt“, plädiert Kropik für weniger Alarmismus – auch vonseiten mancher Ärzte.