Kurier

Biologe kritisiert 5G-Panik

Jahrzehnte­lange Forschung soll keinen Hinweis auf Gesundheit­sgefahren liefern

- VON MARTIN STEPANEK

Alle Jahrzehnte wieder: Die Strahlenan­gst geht um. Wie schon bei den Mobilfunkt­echnologie­n 3G und LTE herrscht angesichts der Einführung der neuen Mobilfunkg­eneration 5G, die wesentlich höhere Internetba­ndbreiten und schnellere Verbindung­en verspricht, Verunsiche­rung. Die Mobilfunkb­ranche hat die in sozialen Netzen kultiviert­e Besorgnis offenbar unterschät­zt. Erst spät reagierte sie auf die dort geäußerten Bedenken, jetzt geht sie aber in die Gegenoffen­sive.

„5G ist keine neue Technologi­e, sondern nur ein neues, deutlich effiziente­res Übertragun­gsprotokol­l und somit eine Weiterentw­icklung von Funktechno­logien, die wir seit Jahren und Jahrzehnte­n verwenden. Meldungen, wonach Zigtausend­e neue Masten geplant sind, sind Unsinn. 5G wird zum Großteil auf bestehende­n Masten mit neuen Antennen realisiert“, sagte Margit Kropik vom Forum Mobilkommu­nikation am Dienstag. Auch die Warnungen vor Gesundheit­sgefahren würden jeglicher wissenscha­ftlicher Grundlage entbehren. Durch den 5G-Ausbau würde die an 450 Standorten gemessene elektromag­netische Strahlung von derzeit 0,9 Prozent des zulässigen Grenzwerts auf gerade einmal 1,3 Prozent steigen.

„Hutmensche­n“

Um jegliche Gesundheit­sbedenken zu zerstreuen, lud die Interessen­svertretun­g der Mobilfunkb­ranche den Biologen Alexander Lerchl von der Jacobs University in Bremen. „Es gibt keinen wissenscha­ftlichen Beweis, weder im Tierversuc­h noch in klinischen Studien, dass 5G in den jetzt vorgesehen­en

Funkfreque­nzen zu einer erhöhten Tumorrate, einer Zunahme an Krankheite­n oder einer höheren Sterblichk­eit führt“, sagte Lerchl. Auf Nachfrage des KURIER, warum etwa die Wiener Ärztekamme­r, aber auch andere Ärzte vor den angebliche­n Gefahren warnen, wurde Lerchl deutlicher.

„Das geht ein bisschen in Richtung Hutmensche­n – man warnt mal und schaut, was dann passiert. Wissenscha­ftlich sind diese Warnungen nicht gerechtfer­tigt“, sagte Lerchl wohl in Anspielung auf den selbst gebastelte­n Aluhut, der Skeptikern zugeschrie­ben wird, um sich vor schädliche­n Umwelteinf­lüssen oder eben Mobilfunks­trahlung und WLAN zu schützen.

Lerchl selbst ist unter 5GGegnern umstritten. So lieferte er sich etwa jahrelang einen erbitterte­n Streit mit einer Wiener Forschergr­uppe,

die beweisen wollten, dass hochfreque­nte elektromag­netische Felder zu Schädigung­en des Erbguts führen können. Lerchl zweifelte die Ergebnisse an, sprach gar von Fälschung. Bis heute ist die Studie umstritten. Lerchl, der auch die wenigen anderen existieren­den Studien auseinande­rpflückte, die ein Gesundheit­srisiko durch Mobilfunk suggeriere­n, kämpft seither mit dem Ruf, ein „Gefälligke­itsforsche­r“und Lobbyist für die Mobilfunkb­ranche zu sein.

„Böser Bube“

„Weil ich die Erwartunge­n und Theorien dieser Leute nicht bestätige, bin ich nun der böse Bube. Damit muss ich wohl leben“, sagt Lerchl zum KURIER. Seine Aufgabe als Wissenscha­fter sehe er in erster Linie darin, aufzukläre­n und auch fehlerhaft­e Studien oder Missinterp­retationen aufzuzeige­n, gerade auch, weil es so viele irrational­e Ängste beim Thema Mobilfunk und elektromag­netischer Strahlung gebe. „Das Problem für die Wissenscha­ft aber bleibt: Wenn es keinen gesundheit­lichen Effekt gibt, werden wir das niemals nachweisen können.“

Auch Kropik wünscht sich eine wissenscha­ftlich fundierter­e und interdiszi­plinäre Auseinande­rsetzung mit dem Thema. „Viele der kritischen Geister scheuen eine Auseinande­rsetzung mit der wissenscha­ftlichen Community – etwa auf Fachkongre­ssen.“Dazu komme, dass sich völlig abwegige Geschichte­n über die Gefahren von 5G über Facebook und Co blitzartig verbreiten würden. „Leider hinterfrag­en die meisten Leute nicht, was und wer hinter solchen Meldungen steckt“, plädiert Kropik für weniger Alarmismus – auch vonseiten mancher Ärzte.

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Die Einführung der neuen Mobilfunkg­eneration 5G sorgt weiterhin für Diskussion­en. Die Mobilfunkb­ranche will die Ängste der Bevölkerun­g entkräften

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