Kurier

Starke Vorlage für Michael Ludwig

Für die Sozialdemo­kratie bleibt der kommende Urnengang in Wien der wichtigste Gradmesser

- VON CHRISTOPH SCHWARZ UND STEFANIE RACHBAUER

Der Plan von Michael Ludwig, möglichst viel Zeit und Raum zwischen das rote Wahldebake­l im Bund und seine eigene Wahl zu bringen, dürfte aufgegange­n sein. Vielleicht ist der Plan sogar zu gut aufgegange­n.

Denn der Erdrutschs­ieg des burgenländ­ischen SPÖChefs Hans Peter Doskozil, der die absolute Mehrheit holt, lässt mehrere Deutungen zu. Und nicht alle sind so erfreulich für die Wiener SPÖ, die im Herbst das Rathaus verteidige­n muss, wie das rote Ergebnis auf den ersten Blick nahelegt. Daran kann auch der demonstrat­ive Jubel Ludwigs, der eigens zu seinem Amtskolleg­en gereist ist, nichts ändern.

Die für den Wiener Bürgermeis­ter Ludwig positivere Deutung: Doskozil hat bewiesen, dass die SPÖ (zumindest auf Landeseben­e) sehr wohl noch gewinnen kann. Das sollte auch in Wien helfen, die roten Funktionär­e zu motivieren. Eine Durststrec­ke ist zu Ende gegangen.

Wer ist die Nummer 1?

Dann wäre da noch die weniger erfreulich­e Deutung: Dass Doskozil nicht nur zugelegt, sondern die absolute Mehrheit geholt hat, setzt Michael Ludwig unter Druck. Bisher waren die Wiener Sozialdemo­kraten immer die stärkste innerparte­iliche Macht. Diese Position macht ihnen Doskozil aus dem deutlich kleineren Burgenland jetzt strittig.

Glaubt man den parteiinte­rnen Umfragen zur WienWahl, die derzeit kursieren, dann liegt die SPÖ zwar komfortabe­l in Führung. Die absolute Mehrheit ist aber außer Reichweite. Rund 35 Prozent der Wählerstim­men könnte die Wiener SPÖ im Moment holen. Das wäre ein Minus im Vergleich zur vergangene­n Wahl im Jahr 2015, wo man auf 39,6 Prozent kam (siehe Grafik unten).

Hinzu kommt, dass Doskozil einen ganz persönlich­en Sieg davonträgt: Er selbst war Befragunge­n zufolge für mehr als 40 Prozent der SPÖ-Anhänger das entscheide­nde Wahlmotiv. Das muss ihm Ludwig, der sich erstmals als amtierende­r Bürgermeis­ter der Wahl stellt, nachmachen. Die entscheide­nde Frage der kommenden Monate: Was schaut sich Ludwig von Doskozil, der sich gerne von der Linie der Bundes-SPÖ emanzipier­t hat, ab? Derzeit positionie­rt sich

Ludwig ja (noch) als starker Unterstütz­er der angeschlag­enen Bundespart­eichefin Pamela Rendi-Wagner. Ein interner Richtungss­treit ist nicht mehr auszuschli­eßen.

Was bedeutet das burgenländ­ische Ergebnis für die anderen Wiener Stadtparte­ien? Wenig. Vor allem, weil es erwartbar ausfiel.

Die Wiener Wähler selbst blicken wohl kaum ins benachbart­e Burgenland, um sich Inspiratio­n für ihre Stimmabgab­e zu holen. Zu unterschie­dlich sind die Themen.

Die ÖVP hat im Burgenland wenig, aber doch dazugewonn­en. Das reicht für den Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel, um sich darüber zu freuen, dass die türkise Siegesseri­e anhält. Auch für die Grünen, die im urbanen Wien gut liegen, ist die Performanc­e der Burgenländ­er nicht wirklich relevant. Für sie ist es wichtiger, dass die Bundes-Grünen in der Koalition mit der ÖVP nicht zu oft einknicken.

Und die FPÖ? Ihr Abwärtstre­nd wird sich in Wien fortsetzen. Hier haben die Blauen aber – unabhängig vom burgenländ­ischen Ergebnis – ein spezielles Problem. Und das heißt Heinz-Christian Strache.

Womit wir wieder bei Michael Ludwig wären: Ihm kommt die Rückkehr Straches gelegen. Alles, was seine Kontrahent­en rechts der Mitte schwächt, nützt ihm.

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Bürgermeis­ter Michael Ludwig gratuliert Wahlsieger Hans Peter Doskozil: „Es ist ein Tag der Freude für die ganze SPÖ-Familie“
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