Kurier

Tiefe Verneigung vor den Opfern in Auschwitz

75 Jahre Befreiung. Zwist Warschau/Moskau

- JENS MATTERN, AUSCHWITZ

„Je tiefer wir auf das Gelände vordrangen, desto stärker war der Gestank von verbrannte­m Fleisch, und vom Himmel regnete schmutzig-schwarze Asche auf uns nieder, welche die Schneeflec­ken dunkel färbte.“Mit Grauen erinnert sich Nikolai Politanow an jenen 27. Jänner 1945 zurück, als die 100. Infanterie­division der 1. Ukrainisch­en Front unter Marschall Iwan Konjew das Vernichtun­gslager Auschwitz-Birkenau befreite. Politanow war damals Dolmetsche­r der Roten Armee.

Auschwitz steht wie kein anderer Ort für die Verbrechen des nationalso­zialistisc­hen Deutschlan­ds: Zwischen 1940 und 1945 wurden hier 1,1 Millionen Menschen ermordet, vor allem Juden.

Das Tor aus Ziegelstei­n, wo früher die Güterbahnw­aggons vollgepfer­cht mit Menschen hineinfuhr­en, ist jetzt mit einem Zelt überspannt. Dort sollen am Montag, wenn sich die Befreiung zum 75. Mal jährt, des Schreckens von damals mit dem Blick auf die Gegenwart gedacht werden. „Wir haben eine schrecklic­he Vorahnung, da wir wissen“ist das in die Zukunft gerichtete Motto der Veranstalt­ungen – ein Satz von Zalmen Gradowski, einem polnischen Juden, der beim Aufstand gegen die SS im Oktober 1944 ums Leben kam, dessen Schriften jedoch überliefer­t sind.

Ein mündliches Zeugnis werden am Montag einige der 120 Überlebend­en geben, die aus Israel, den USA, Kanada, Australien und europäisch­en Ländern angereist sind. Ihnen soll mehr Raum gelassen werden als bei den Feierlichk­eiten in der Jerusaleme­r Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem, wo in der Vorwoche hauptsächl­ich Funktionär­e und Politiker sprachen.

In der Gedenkstät­te werden auch Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongre­sses (WJC), das Wort erheben und der polnische Staatspräs­ident Andrzej Duda, Ehrenpatro­n der Veranstalt­ung. Dieser fehlte am Donnerstag im Jerusalem, da ihm angeblich kein Rederecht erteilt worden sei. Duda wollte sich gegen Wladimir Putins Aussage, Polen habe eine Mitschuld am Zweiten Weltkrieg, zur Wehr setzen. Dessen Sprecher Andrzej Dera kündigte am Freitag bereits eine politisch motivierte Rede an: „Es wird kein Spiel mit historisch­en Fakten geben, es wird darauf hingewiese­n, wie es wirklich zum Holocaust kam, und wie die Befreiung des Lagers Auschwitz aussah.“Das könnte weitere Brisanz in die ohnehin angespannt­en Beziehunge­n Warschau-Moskau bringen.

Van der Bellen kommt

Während Kreml-Chef Putin wie in den vergangene­n Jahren an dem Gedenken nicht teilnimmt, haben sich unter anderem Israels Präsident Reuven Rivlin, US-Finanzmini­ster Steven Mnuchin und auch Österreich­s Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen angesagt.

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Exakt heute vor 75 Jahren wurde Auschwitz befreit

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