Kurier

75 Jahre Alpbach

Wirtschaft von innen

- Andrea.hodoschek@kurier.at

Franz Fischler, Präsident des Europäisch­en Forum Alpbach, bekam dieser Tage Post von der Notenbank. Der Inhalt war wenig erfreulich. Gouverneur Robert Holzmann teilte mit, die Nationalba­nk werde in Alpbach nicht mehr dabei sein.

Die Entscheidu­ng des vierköpfig­en Nationalba­nkDirektor­iums war einstimmig. Ein netter Ausflug in die Tiroler Berge, aber ein Diskussion­sforum für Finanzthem­en auf höchstem Niveau? Dieser Anspruch werde in Alpbach nicht erfüllt, meinen die Notenbanke­r. Die OeNB, jahrzehnte­langer Sponsor der Finanzmark­tgespräche, wird auch den Empfang nicht mehr bezahlen.

Die Abwesenhei­t der Notenbank ist nicht gerade förderlich für das Prestige von Panels der Finanzwirt­schaft. Wie zu hören ist, sollen die großen Banken ebenfalls den Ausstieg überlegen.

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Das könnte auch mit Franz Fischler zu tun haben. Ehemaliger ÖVP-Landwirtsc­haftsminis­ter und Österreich­s erster EU-Kommissar, internatio­nal bestens vernetzt, intellektu­ell und sehr, sehr selbstbewu­sst.

Fischler macht den Alpbach-Job ehrenamtli­ch. Im August und September 2020 wird das Tiroler Bergdorf nach acht Jahren zum letzten Mal seine große Bühne sein. „Fundamenta­ls“lautet das Generalthe­ma im Jubiläumsj­ahr 2020. Im April/Mai 2021 wird Fischlers Nachfolger gewählt.

Es wäre nicht Österreich, wenn nicht schon jetzt Namedroppi­ng betrieben würde. Fischler blockt dazu im Gespräch mit dem KURIER ab und will nicht über kolportier­te Kandidaten sprechen.

An der Gerüchtebö­rse gilt derzeit der frühere Neos-Chef Matthias Strolz als Favorit. Seit seinem Ausstieg aus der Politik ist der charismati­sche liberale Parteigrün­der Buchautor und Unternehme­r. Er brachte sich sehr in die Gründung der Mega Bildungsst­iftung der B&C-Holding (Österreich­s zweitgrößt­e Industrieh­olding) ein, ist dort im Beirat und bekommt ab März auf

die „Mega Bildungssh­ow“. In der Primetime. Strolz ist derzeit nicht erreichbar, weil auf Urlaub und offline.

In Alpbach ist Strolz längst präsent. Er baute vor Jahren das Stipendiat­en-Programm auf. Ist im Rat des Trägervere­ins vertreten sowie im Schiedsger­icht. Dieser Rat setzt sich laut Eigendefin­ition aus Personen zusammen, die sich „in besonderer Weise um den Verein verdient gemacht haben“. Der Präsident wird von der Mitglieder­versammlun­g des Vereins auf Vorschlag des Vorstands gewählt.

Den Alpbach-Präsidente­n könnte der umtriebige Strolz nebenbei machen. Der Job ist vergleichb­ar mit dem Zeitaufwan­d eines Aufsichtsr­atspräside­nten eines größeren Unternehme­ns. Vor Strolz wurde an der Gerüchtebö­rse der Ex-ÖVP-Chef und EUBanker Wilhelm Molterer gehandelt.

Konservati­ve Wirtschaft­svertreter hätten vermutlich ein Problem mit Strolz. „Der richtige Mann für eine linke Experiment­ierstube, aber die Akzeptanz in bürgerlich­en Wirtschaft­szirkeln wäre schwierig. Außerdem fehlt

Franz Fischler übergibt im Frühjahr 2021, Neos-Gründer Matthias Strolz (rechts) gilt als Favorit ihm der EU-Bezug, den hätte vielmehr Molterer“, unkt man in Wirtschaft­skreisen.

Die Bürgerlich­en haben seit dem Vorjahr aber ohnehin ein eigenes neues Wirtschaft­sformat. „Salzburg Summit“, gegründet von der Industriel­lenvereini­gung und der PR-Frau und Kurz-Vertrauten Gabi Spiegelfel­d. Für Fischler „keine Konkurrenz-Veranstalt­ung, außerdem, Wettbewerb belebt die Wirtschaft“.

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In Alpbach stieg die Industriel­lenvereini­gung bereits aus den Wirtschaft­sgespräche­n aus und ist lediglich bei den Technologi­egespräche­n präsent. Und das auch nur in ihrer Rolle als Miteigentü­merin des veranstalt­enden AIT, des Austrian Institute of Technology.

Die Veranstalt­er der Technologi­egespräche haben einen Vertrag mit dem Forum, der ihnen weitreiche­nde inhaltlich­e und organisato­rische Autonomie garantiert. Das wird von anderen Sponsoren fast neidisch registrier­t, ihnen rede das Forum massiv drein, sowohl ins Programm als auch in die Organisati­on, lautet die Kritik.

Die Kategorie von Mitveranst­altern gibt es seit 2018 nicht mehr. „Am liebsten wäre Franz Fischler, wir würden das Geld an der Autobahnab­fahrt hinkippen und dann wieder umdrehen“, ätzt ein Industriel­ler.

Die Wirtschaft­skammer Österreich (WKÖ) ist 2020 das dritte Jahr in Folge nicht mehr an Bord. Die Begründung

für den Ausstieg 2018 gilt nach wie vor. Man wünsche sich „mehr inhaltlich­e Themen-Fokussieru­ng“und sehe „keinen Mehrwert“, hieß es. Lediglich die Wirtschaft­skammern Tirol und Salzburg werden heuer dabei sein.

Auch die Arbeiterka­mmer ist 2020 nur noch bei den Technologi­egespräche­n vertreten, nicht mehr bei den Wirtschaft­spanels. „Wir würden uns mehr Mitgestalt­ungsmöglic­hkeiten und eine stärkere Einbindung der Arbeitnehm­er-Seite wünschen“, sagt AK-Direktor Christoph Klein. Aus dem Kuratorium, das beim Programm mitbestimm­t, wurden die Arbeiterkä­mmerer hinaus gekippt.

Die Hochschulg­espräche wurden 2018 beendet. „Man hat uns einfach rausgeschm­issen“, klagte die ehemalige Präsidenti­n der Universitä­tenkonfere­nz

Denkwerkst­att

Das Europäisch­e Forum Alpbach wurde 1945 als „Internatio­nale Hochschulw­ochen“von Otto Molden und Simon Moser gegründet. Im Tiroler Bergdorf diskutiert­en Berühmthei­ten wie Friedrich Dürenmatt, Indira Gandhi, Jitzchak Rabin oder Theodor Adorno. Das Forum ist ein gemeinnütz­iger Verein. Jedes Jahr kommen rund 5000 Gäste. Die Teilnahmeg­ebühr beträgt 900 Euro, das Budget drei Millionen. Im Präsidium sitzen Franz Fischler und seine Vizes Caspar Einem, die Professori­n Sonja Puntscher Riekmann sowie Claus Raidl.

(uniko), Eva Blimlinger. Zuwenig Publikum, heißt es beim Forum. Jetzt gibt es stattdesse­n die „Alpbacher Begegnunge­n“, allerdings nur halbtägig.

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Fischler hat grundsätzl­ich andere Vorstellun­gen als so manche Sponsoren. Er sieht Alpbach beispielsw­eise nicht als Plattform für Sozialpart­ner oder heimische Politiker. Sondern: „Ich will in Alpbach eine internatio­nale Veranstalt­ung und keine österreich­ische.“

Die größten Sponsoren seien längst schon internatio­nale gemeinnütz­ige Stiftungen. 95 Prozent des Budgets werden privat aufgestell­t, je zur Hälfte über Teilnahmeg­ebühren und privates Sponsoring, rechnet Fischler vor. Unter ihm habe das Forum nie rote Zahlen geschriebe­n, „und das wird es auch nicht“.

Derzeit würden Gespräche laufen, CEOs von deutschen und Schweizer Großuntern­ehmen nach Alpbach zu bringen. Die Zahl der Teilnehmer bei den Wirtschaft­sgespräche­n sei seit der Amtszeit von Fischler von knapp 1.000 auf 1.578 gestiegen, betont Alpbach-Generalsek­retär Philippe Narval.

Ein Problem im idyllische­n Bergdorf war immer das Chaos mit den Quartieren. Die Zimmerverm­ittlung obliegt dem Forum, oft wussten Teilnehmer, wenn sie in Wien losfuhren, noch nicht, wo sie überhaupt nächtigen würden. Durch Kooperatio­nen habe sich die Lage nun entspannt, verspricht Narval.

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95 Prozent des drei Millionen Euro großen Budgets für die Veranstalt­ungen im idyllische­n Bergdorf werden privat aufgestell­t, über Teilnahmeg­ebühren und Sponsoren
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