Wiens Kultur zu teuer für die Pet Shop Boys
Das Duo über die Berlin-CD, den Brexit und R&B-Partys
„Die Kunstszene bei euch ist hochinteressant.“Neil Tennant, Sänger der Pet Shop Boys, freut sich, jemanden aus Wien zu treffen, und erzählt, was ihn und seinen Duo-Partner Chris Lowe mit der Stadt verbindet: „Wir haben uns tatsächlich einmal überlegt, dorthin zu ziehen. Aber die Preise für Wohnungen in Wien sind so stark gestiegen.“
Deshalb sind die beiden doch bei Berlin als zweite Heimat geblieben und haben der Spree-Metropole das eben erschienene Album „Hotspot“gewidmet. Vor zehn Jahren haben sie in der Spree-Metropole eine Wohnung gekauft – wegen der Electronic-Szene, der Kunstgalerien und Antiquitäten-Läden und der Clubs in der Warschauer Straße. Jetzt verbringen sie rund zehn Wochen im Jahr in Berlin – vornehmlich im Sommer. „Man ist schnell an einem der Seen, es gibt viel Grün und viel Platz“, sagt Tennant. „Der Song ,You Are The One‘ handelt von einem perfekten Sonntag, wenn man nach Zehlendorf zum See fährt. Wir lieben außerdem den Tiergarten und das Café am Neuen See.“
U-Bahn-Klänge
Weil sie in Berlin oft mit der U1 fahren, haben Tennant und Lowe der Linie in dem Song „Will O’ The Wisp“ein Denkmal gesetzt, auf einer Fahrt sogar im Zug Geräusche aufgenommen und in den Song eingebaut. Das hatten sie davor nur bei ihrem Erstlingshit „West End Girls“, einer Hommage an das Londoner PartyViertel, in den 80er-Jahren gemacht.
Überhaupt kehrt das Duo mit „Hotspot“wieder mehr zu den Sounds jener Zeit zurück. „Wir waren im Hansa Studio, wo David Bowie ,Heroes‘ aufgenommen hat“, erzählt Tennant. Aber obwohl das für uns Briten immer eine große Sache ist, und wir uns immer gefragt haben, ob er wirklich vom Fenster aus die Berliner Mauer sehen konnte, ging es uns dabei nicht primär darum. Ich hatte 2014 im Hansa Studio für das deutsche Electronic-Duo Diamond Version den Song ,Were You There‘ eingesungen und gesehen, dass die dort viele analoge Synthesizer und alte Ausrüstung haben. Diesen Sound wollten wir auf diesem Album haben.“
Dass Berlin nicht mehr so lebenswert ist, wie es einmal war, weil die Gentrifizierung schnell voranschreitet, können die Pet Shop Boys nicht nachvollziehen: „Noch sind nicht alle kultigen Ecken, Lokale und Läden verschwunden“, sagt Lowe. „Offenbar sind die Mieten immer noch erschwinglich. Wir gehen dort nämlich immer in ein Restaurant, das köstliches Essen hat. Aber da ist außer uns nie jemand drinnen. Das geht nur mit günstiger Miete.“
Hip-Hop-Szene
Gemischt haben die Pet Shop Boys „Hotspot“im „Record Plant“-Studio in Los Angeles – in einer Atmosphäre, die Tennant noch mehr faszinierte als die im Hansa Studio in Berlin: „Das ist mit all den Hip-Hop und
R&B-Künstlern eine ganz eigene Szene. Die beginnen am späten Abend und feiern im Prinzip eine Party. Nebenbei nehmen sie dann einen Track auf. Wir kamen immer am Morgen an, haben die nie getroffen. Da war auch immer schon alles weggeräumt. Was sie nicht wussten, war, dass uns die Studioangestellten erzählten, was da alles weggeputzt wurde.“
Auch wenn sich „Hotspot“auf Berlin bezieht, handeln andere Songs
Es war einmal eine Katze, die liebte eine Maus, einen Mäuserich, Ignatz hieß der.
Aber Ignatz mochte die Katze überhaupt nicht, Ignatz war eine aggressive Maus und hielt meist einen Ziegelstein in der Hand.
Den Ziegelstein warf er auf die Katze, und traf er sie am Kopf, sah dies die Katze als Liebesbeweis an und liebte die Maus nur umso mehr. Sie war so voll Liebe, dass man sie für dumm halten konnte. (Und, mit Verlaub, das war sie auch.)
Es waren einmal Maus, eine Katze und auch noch ein Polizeihund, die Bulldogge Offissa Pupp.
Offissa Pupp bemühte sich sehr, den Ziegelwurf zu verhindern, oft genug erfolglos. Er war in die Katze heimlich verliebt und sperrte die
Maus ins Gefängnis, das übrigens nur für diese Maus gebaut worden war.
So ging das 9.500 Mal in allen Variationen. Täglich ab 1913 unter dem Titel „Krazy Kat“in den Zeitungen von Randolph Hearst: Unter der Woche schwarz-weiß, ab 1916 am Wochenende ganzseitig und bald danach in Farbe.
Surreal
„Krazy Kat“war der erste Comicstrip für Intellektuelle.
Das wird jetzt ein bisschen unangenehm, aber man muss hinzufügen: Die Zeitungsredakteure wollten „Krazy Kat“verhindern. Sie verstanden’s nicht. Wie auch manche Leser mit Surrealismus, Existenzialismus und Tiefenpsychologie damals nichts anfangen konnten und sich über das Chaos empörten: Wieso steht in Bild eins ein Kaktus in der Wüstenlandschaft und in Bild 2 stattdessen ein Baum und in Bild 3 sogar ein großer Baum?
Verleger Hearst aber gewährte George Herriman Narrenfreiheit. Er machte den bescheidenen Mann aus New Orleans zu einem der
Mit ihm starb 1944 auch „Krazy Kat“: George Herriman
erfolgreichsten und bestverdienenden Comiczeichner und -autoren seiner Zeit. „Krazy Kat“erschien bis zu Herrimans Tod 1944 in bis zu 40 Zeitungen. US-Präsident Woodrow Wilson war erklärter Fan, Chaplin ebenso, Gertrude Stein ließ sich eine Zeitung mit dem Strip regelmäßig nach Paris schicken ... Comics-Historiker Alexander Braun ist nicht der Einzige, der das absurde Tiertheater in einem Atemzug mit James Joyce, Samuel Beckett und Picasso nennt.
Sieben Kilo
Die bunten, experimentierfreudigen Sonntagseiten 1935 bis 1944 konnten komplett in Zeitungsarchiven gerettet werden.
Ein unmögliches Lesevergnügen ist das (samt 100 Seiten Biografie und Kulturgeschichte): Das Buch wiegt über sieben Kilo, es ist einen halben Meter hoch, im Bett erschlägt es einen beim Blättern, und ob man die Brille für Nah- oder Fernsicht aufsetzt, wird zum Problem.
Der Text blieb unübersetzt. Das ist wichtig. „Krazy Kat“ist nicht nur Bildende Kunst, sondern auch Sprachkunst. Der kreative Slang sprengte alles bisher Gelesenes. Einfaches Beispiel: Trifft ein Ziegelstein die Katze, schmachtet sie die immer zorniger werdende Maus an: „little dahlink (= darling) ...“
Man schaut und liest, und langsam stellt sich Mitleid ein ... mit der Maus!
WARUM?