Wie ein Fieber die Wirtschaft einfriert
Coronavirus. Unterbrochene Lieferketten und Transportwege, EU-Kommission trotzdem optimistisch
Die Straßen sind nahezu leer, die Unternehmen geschlossen. In der chinesischen Provinz Hubei mit knapp 60 Millionen Einwohnern gibt es praktisch kein öffentliches Leben mehr. Das wird vorläufig auch so bleiben. Die Behörden haben sämtliche Unternehmen in Hubei aufgefordert, ihren Betrieb nicht vor dem 20. Februar aufzunehmen.
Offen ist, ob die verordnete Starre in Hubei, dem Epizentrum für die Ausbreitung des Corona-Virus, noch viel länger anhalten wird. Eines steht allerdings fest: Manche Teile der Wirtschaft leiden jetzt schon so wie seit der Wirtschaftskrise nicht mehr. Laut Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) dürfte es heuer zum ersten Rückgang der globalen Rohöl-Nachfrage seit etwa zehn Jahren kommen. Die Öl-Nachfrage sei durch die neuartige Lungenkrankheit und die Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft hart getroffen worden, hieß es im IEA-Monatsbericht, der am Donnerstag in Paris veröffentlicht wurde. Anstatt dass nach mehr Öl verlangt wird, wie ursprünglich erwartet, werde der weltweite Bedarf im ersten Quartal sinken.
Um ein weiteres Ausbreiten des Virus zu verhindern, sind in Teilen Chinas Transportwege nach wie vor gesperrt. Mit der Konsequenz, dass unter anderem Sprit weniger nachgefragt wird. Nach anderen Branchenschwergewichten hat daher nun auch der staatliche Raffineriebetreiber ChemChina seine Produktion zurückgefahren.
Auch Kerosin wird in China jetzt viel weniger verbraucht. Seit dem Beginn der Epidemie ist die Zahl der Flüge von China ins Ausland um drei Viertel und die der Inlandsflüge um die Hälfte eingebrochen.
Wegen der angeordneten Transport-Einschränkungen fehlt es an Rohstoffen, außerdem haben viele Zuliefer-Betriebe geschlossen. Die unterbrochenen Lieferketten bremsen die chinesische Wirtschaft massiv ein. Branchenexperten rechnen etwa damit, dass die SmartphoneAuslieferungen in FestlandChina im ersten Quartal um 40 Prozent einbrechen.
Produktion gekappt
Auch Yuguang, einer der größten Blei- und Zinkkonzerne Chinas, musste die Produktion jetzt zurückfahren. Yuguang hat vor allem ein Entsorgungsproblem: Man kann die hohen Schwefelsäure-Bestände, die bei der Produktion anfallen, nicht mehr loswerden.
Sollte die Epidemie bald abflauen, wird die chinesische Wirtschaft einiges von dem Rückstand, der jetzt entsteht, wieder aufholen können. Das hat sich bei der SARS-Pandemie 2002/’03 gezeigt. Dennoch wird das Wirtschaftswachstum leiden. Die Experten der britischen Großbank HSBC haben daher ihre Konjunkturprognose für China gekappt. Statt 5,8 Prozent wird nun ein Plus von 5,3 Prozent vorausgesagt. Im ersten Quartal dürften es nur 4,1 Prozent werden – für ein Schwellenland wie China ein viel zu geringer Wert, um für den versprochenen Wohlstand sorgen zu können.
Unterbrochene Lieferketten und mit China ein riesiger Absatzmarkt, der zumindest teilweise ausfällt: Diese Kombination wird auch in der Entwicklung der Weltwirtschaft zu spüren sein. Ungeachtet dessen hält die EU-Kommission an ihrer Konjunkturprognose für die Eurozone fest. Wie schon im Herbst sagte die Kommission am Donnerstag erneut voraus: Das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone werde, wie im Vorjahr, heuer und 2021 um jeweils 1,2 Prozent zulegen.
Dieser Wert ist zwar weit weg von einer Konjunktur, die vor Kraft strotzt. Aber: „Die europäische Wirtschaft wächst und erlebt somit weiter den längsten Aufschwung seit der Einführung des Euro 1999“, betonte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Man arbeite mit der Annahme, dass noch im ersten Quartal der Höhepunkt der vom Coronavirus ausgelösten Krankheitswelle erreicht und die Weltwirtschaft nur wenig beeinträchtigt werde.
Die EU-Kommission ist sich aber sehr wohl bewusst, dass ihre Prognose nicht in Stein gemeißelt ist. „Die Dauer des Ausbruchs und der ergriffenen Eindämmungsmaßnahmen stellen ein wesentliches Abwärtsrisiko dar“, wurde betont.