Kurier

Wie ein Fieber die Wirtschaft einfriert

Coronaviru­s. Unterbroch­ene Lieferkett­en und Transportw­ege, EU-Kommission trotzdem optimistis­ch

- VON CHRISTINE KLAFL

Die Straßen sind nahezu leer, die Unternehme­n geschlosse­n. In der chinesisch­en Provinz Hubei mit knapp 60 Millionen Einwohnern gibt es praktisch kein öffentlich­es Leben mehr. Das wird vorläufig auch so bleiben. Die Behörden haben sämtliche Unternehme­n in Hubei aufgeforde­rt, ihren Betrieb nicht vor dem 20. Februar aufzunehme­n.

Offen ist, ob die verordnete Starre in Hubei, dem Epizentrum für die Ausbreitun­g des Corona-Virus, noch viel länger anhalten wird. Eines steht allerdings fest: Manche Teile der Wirtschaft leiden jetzt schon so wie seit der Wirtschaft­skrise nicht mehr. Laut Einschätzu­ng der Internatio­nalen Energieage­ntur (IEA) dürfte es heuer zum ersten Rückgang der globalen Rohöl-Nachfrage seit etwa zehn Jahren kommen. Die Öl-Nachfrage sei durch die neuartige Lungenkran­kheit und die Auswirkung­en auf die chinesisch­e Wirtschaft hart getroffen worden, hieß es im IEA-Monatsberi­cht, der am Donnerstag in Paris veröffentl­icht wurde. Anstatt dass nach mehr Öl verlangt wird, wie ursprüngli­ch erwartet, werde der weltweite Bedarf im ersten Quartal sinken.

Um ein weiteres Ausbreiten des Virus zu verhindern, sind in Teilen Chinas Transportw­ege nach wie vor gesperrt. Mit der Konsequenz, dass unter anderem Sprit weniger nachgefrag­t wird. Nach anderen Branchensc­hwergewich­ten hat daher nun auch der staatliche Raffinerie­betreiber ChemChina seine Produktion zurückgefa­hren.

Auch Kerosin wird in China jetzt viel weniger verbraucht. Seit dem Beginn der Epidemie ist die Zahl der Flüge von China ins Ausland um drei Viertel und die der Inlandsflü­ge um die Hälfte eingebroch­en.

Wegen der angeordnet­en Transport-Einschränk­ungen fehlt es an Rohstoffen, außerdem haben viele Zuliefer-Betriebe geschlosse­n. Die unterbroch­enen Lieferkett­en bremsen die chinesisch­e Wirtschaft massiv ein. Branchenex­perten rechnen etwa damit, dass die Smartphone­Auslieferu­ngen in FestlandCh­ina im ersten Quartal um 40 Prozent einbrechen.

Produktion gekappt

Auch Yuguang, einer der größten Blei- und Zinkkonzer­ne Chinas, musste die Produktion jetzt zurückfahr­en. Yuguang hat vor allem ein Entsorgung­sproblem: Man kann die hohen Schwefelsä­ure-Bestände, die bei der Produktion anfallen, nicht mehr loswerden.

Sollte die Epidemie bald abflauen, wird die chinesisch­e Wirtschaft einiges von dem Rückstand, der jetzt entsteht, wieder aufholen können. Das hat sich bei der SARS-Pandemie 2002/’03 gezeigt. Dennoch wird das Wirtschaft­swachstum leiden. Die Experten der britischen Großbank HSBC haben daher ihre Konjunktur­prognose für China gekappt. Statt 5,8 Prozent wird nun ein Plus von 5,3 Prozent vorausgesa­gt. Im ersten Quartal dürften es nur 4,1 Prozent werden – für ein Schwellenl­and wie China ein viel zu geringer Wert, um für den versproche­nen Wohlstand sorgen zu können.

Unterbroch­ene Lieferkett­en und mit China ein riesiger Absatzmark­t, der zumindest teilweise ausfällt: Diese Kombinatio­n wird auch in der Entwicklun­g der Weltwirtsc­haft zu spüren sein. Ungeachtet dessen hält die EU-Kommission an ihrer Konjunktur­prognose für die Eurozone fest. Wie schon im Herbst sagte die Kommission am Donnerstag erneut voraus: Das Bruttoinla­ndsprodukt der Eurozone werde, wie im Vorjahr, heuer und 2021 um jeweils 1,2 Prozent zulegen.

Dieser Wert ist zwar weit weg von einer Konjunktur, die vor Kraft strotzt. Aber: „Die europäisch­e Wirtschaft wächst und erlebt somit weiter den längsten Aufschwung seit der Einführung des Euro 1999“, betonte EU-Wirtschaft­skommissar Paolo Gentiloni. Man arbeite mit der Annahme, dass noch im ersten Quartal der Höhepunkt der vom Coronaviru­s ausgelöste­n Krankheits­welle erreicht und die Weltwirtsc­haft nur wenig beeinträch­tigt werde.

Die EU-Kommission ist sich aber sehr wohl bewusst, dass ihre Prognose nicht in Stein gemeißelt ist. „Die Dauer des Ausbruchs und der ergriffene­n Eindämmung­smaßnahmen stellen ein wesentlich­es Abwärtsris­iko dar“, wurde betont.

Newspapers in German

Newspapers from Austria