„Sorgen uns nicht um Daten-, sondern um Menschenschutz“
Big Data. Rotes Kreuz will mit freiwilliger App Infizierungen stoppen
Die knallrote Uniform ist sein Markenzeichen: Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes und Sonderberater des Gesundheitsministers, sticht bei jedem öffentlichen Auftritt zwischen den klassischen Anzugträgern hervor.
Das ist Absicht. „Erstens, weil ich ja im Einsatz bin“, sagt der 49-jährige Wiener, der neben seinen gewichtigen Aufgaben in zwei CoronaKrisenstäben auch noch aktiver Rettungssanitäter ist. Zweitens sei es gut für die „Credibility“, die Glaubwürdigkeit: „So wie ich sind Leute angezogen, die im Notfall Menschenleben retten.“
Menschenleben – darum geht es dem Krisenmanager auch mit einer neuen App des Roten Kreuzes, die heute zum Download bereitstehen soll. „Stopp Corona“diene dazu, das sogenannte Kontaktpersonenmanagement zu verbessern, erklärt Foitik. Das habe, verbunden mit Testungen, auch in China entscheidend dazu beigetragen, dass die Ausbreitung des Coronavirus eingedämmt wurde.
Von chinesischen Verhältnissen – Stichwort Überwachungsstaat – seien wir in Österreich aber weit entfernt. Er versichert: Die App entspreche den Datenschutz-Vorgaben und sollte Hackerangriffen standhalten. Und er betont: „Wir sollten uns nicht um Daten- sondern um Menschenschutz sorgen.“
Digitaler „Handshake“
Wie funktioniert die App? Person A installiert „Stopp Corona“auf ihrem Handy, Person B auch. Beide drücken den Knopf „Handshake“– und registrieren so, dass sie einander getroffen haben. Abgespeichert wird man als zufällig generierte Nummer. „Uns interessiert nicht, ob Sie sich mit dem Peter oder dem Franzi treffen. Die Daten sind anonymisiert“, wischt Foitik etwaige Bedenken in puncto „gläserner Bürger“weg.
Person B soll dann informiert werden und sich in Isolation begeben, sollte Person A Symptome zeigen. Ohne App müsste Person A erst überlegen, wen sie zuletzt getroffen hat. Das kostet Zeit – und Zeit sei ein entscheidender Faktor bei der Eindämmung des Virus, betont Foitik.
Die App wird weiter ausgebaut: In Schritt zwei werden mittels Fragebogen Symptome abgefragt. Bei Verdacht auf Corona wird Person A ersucht, ihre Handynummer bekannt zu geben, um für die Behörden erreichbar zu sein, und Person B wird gewarnt. Sollte der Test dann positiv ausfallen, wird Person B ebenfalls unter Quarantäne gestellt. Wenn nicht, erhält sie eine Entwarnung. Alles ist anonymisiert – Person B weiß nicht, dass Person A diejenige war, die sie angesteckt hat.
Bei Schritt drei des Ausbaus wird der „Handshake“automatisiert. Die Handys von Person A und Person B erkennen einander. Man muss die Begegnung also nicht mehr manuell eingeben – was wieder Zeit spart und Lücken vermeidet. Diese Funktion (das sagt Foitik in Richtung Datenschützer dazu) müsse vom Nutzer aber bewusst gewählt werden. Die App ergibt freilich nur Sinn, wenn sie von möglichst vielen Österreichern richtig angewendet wird.
Apropos: Wann zahlt sich die Disziplin und die Kooperation der Bevölkerung eigentlich aus – wann kann wieder Normalität einkehren? „Das weiß ich nicht“, sagt Foitik ganz offen. Der studierte Betriebswirt hat aber Zahlen parat: Das verordnete
„social distancing“diene ja dem Zweck, die Ansteckungsrate zu senken. Momentan liegt der „R0-Wert“bei 3,11 – ein Infizierter steckt im Schnitt also 3,11 Personen an. Ziel ist ein Wert unter 1, dann geht die Corona-Erkrankung zurück.
„Wir schauen uns an, welche Maßnahmen zu welchen Kosten den Wert am besten gesenkt haben und richten danach die weiteren Maßnahmen aus.“Beispiel: Restaurants zu schließen, sei sehr wirksam – koste aber Jobs und Geld. „Man könnte jenen, die gewährleisten, dass zwischen ihren Gästen der Mindestabstand eingehalten wird, und die besondere Hygienevorschriften beachten, erlauben, wieder zu öffnen“, sagt Foitik. Wenn der Wert aber nur auf 2 sinkt, wird man sich Verschärfungen überlegen müssen. „Tag der Wahrheit“ist der 13. April – bis dahin gelten die aktuellen Ausgangsbeschränkungen. Dann sollten die Testungen verbessert und die „Stopp Corona“-App weiter verbreitet sein.
Darauf, dass sich die Lage rasch entspannt, hofft der Krisenmanager auch privat. Seine Eltern – beide aufgrund von Alter und Vorerkrankungen in der Risikogruppe – sehen ihren Sohn derzeit nur im Fernsehen. Für ihn gilt wie für viele andere: „Das ist unangenehm, aber notwendig, um sie zu schützen.“