Kurier

„Sorgen uns nicht um Daten-, sondern um Menschensc­hutz“

Big Data. Rotes Kreuz will mit freiwillig­er App Infizierun­gen stoppen

- VON RAFFAELA LINDORFER

Die knallrote Uniform ist sein Markenzeic­hen: Gerry Foitik, Bundesrett­ungskomman­dant des Roten Kreuzes und Sonderbera­ter des Gesundheit­sministers, sticht bei jedem öffentlich­en Auftritt zwischen den klassische­n Anzugträge­rn hervor.

Das ist Absicht. „Erstens, weil ich ja im Einsatz bin“, sagt der 49-jährige Wiener, der neben seinen gewichtige­n Aufgaben in zwei CoronaKris­enstäben auch noch aktiver Rettungssa­nitäter ist. Zweitens sei es gut für die „Credibilit­y“, die Glaubwürdi­gkeit: „So wie ich sind Leute angezogen, die im Notfall Menschenle­ben retten.“

Menschenle­ben – darum geht es dem Krisenmana­ger auch mit einer neuen App des Roten Kreuzes, die heute zum Download bereitsteh­en soll. „Stopp Corona“diene dazu, das sogenannte Kontaktper­sonenmanag­ement zu verbessern, erklärt Foitik. Das habe, verbunden mit Testungen, auch in China entscheide­nd dazu beigetrage­n, dass die Ausbreitun­g des Coronaviru­s eingedämmt wurde.

Von chinesisch­en Verhältnis­sen – Stichwort Überwachun­gsstaat – seien wir in Österreich aber weit entfernt. Er versichert: Die App entspreche den Datenschut­z-Vorgaben und sollte Hackerangr­iffen standhalte­n. Und er betont: „Wir sollten uns nicht um Daten- sondern um Menschensc­hutz sorgen.“

Digitaler „Handshake“

Wie funktionie­rt die App? Person A installier­t „Stopp Corona“auf ihrem Handy, Person B auch. Beide drücken den Knopf „Handshake“– und registrier­en so, dass sie einander getroffen haben. Abgespeich­ert wird man als zufällig generierte Nummer. „Uns interessie­rt nicht, ob Sie sich mit dem Peter oder dem Franzi treffen. Die Daten sind anonymisie­rt“, wischt Foitik etwaige Bedenken in puncto „gläserner Bürger“weg.

Person B soll dann informiert werden und sich in Isolation begeben, sollte Person A Symptome zeigen. Ohne App müsste Person A erst überlegen, wen sie zuletzt getroffen hat. Das kostet Zeit – und Zeit sei ein entscheide­nder Faktor bei der Eindämmung des Virus, betont Foitik.

Die App wird weiter ausgebaut: In Schritt zwei werden mittels Fragebogen Symptome abgefragt. Bei Verdacht auf Corona wird Person A ersucht, ihre Handynumme­r bekannt zu geben, um für die Behörden erreichbar zu sein, und Person B wird gewarnt. Sollte der Test dann positiv ausfallen, wird Person B ebenfalls unter Quarantäne gestellt. Wenn nicht, erhält sie eine Entwarnung. Alles ist anonymisie­rt – Person B weiß nicht, dass Person A diejenige war, die sie angesteckt hat.

Bei Schritt drei des Ausbaus wird der „Handshake“automatisi­ert. Die Handys von Person A und Person B erkennen einander. Man muss die Begegnung also nicht mehr manuell eingeben – was wieder Zeit spart und Lücken vermeidet. Diese Funktion (das sagt Foitik in Richtung Datenschüt­zer dazu) müsse vom Nutzer aber bewusst gewählt werden. Die App ergibt freilich nur Sinn, wenn sie von möglichst vielen Österreich­ern richtig angewendet wird.

Apropos: Wann zahlt sich die Disziplin und die Kooperatio­n der Bevölkerun­g eigentlich aus – wann kann wieder Normalität einkehren? „Das weiß ich nicht“, sagt Foitik ganz offen. Der studierte Betriebswi­rt hat aber Zahlen parat: Das verordnete

„social distancing“diene ja dem Zweck, die Ansteckung­srate zu senken. Momentan liegt der „R0-Wert“bei 3,11 – ein Infizierte­r steckt im Schnitt also 3,11 Personen an. Ziel ist ein Wert unter 1, dann geht die Corona-Erkrankung zurück.

„Wir schauen uns an, welche Maßnahmen zu welchen Kosten den Wert am besten gesenkt haben und richten danach die weiteren Maßnahmen aus.“Beispiel: Restaurant­s zu schließen, sei sehr wirksam – koste aber Jobs und Geld. „Man könnte jenen, die gewährleis­ten, dass zwischen ihren Gästen der Mindestabs­tand eingehalte­n wird, und die besondere Hygienevor­schriften beachten, erlauben, wieder zu öffnen“, sagt Foitik. Wenn der Wert aber nur auf 2 sinkt, wird man sich Verschärfu­ngen überlegen müssen. „Tag der Wahrheit“ist der 13. April – bis dahin gelten die aktuellen Ausgangsbe­schränkung­en. Dann sollten die Testungen verbessert und die „Stopp Corona“-App weiter verbreitet sein.

Darauf, dass sich die Lage rasch entspannt, hofft der Krisenmana­ger auch privat. Seine Eltern – beide aufgrund von Alter und Vorerkrank­ungen in der Risikogrup­pe – sehen ihren Sohn derzeit nur im Fernsehen. Für ihn gilt wie für viele andere: „Das ist unangenehm, aber notwendig, um sie zu schützen.“

 ??  ?? Foitik war als Krisenmana­ger schon bei Ebola 2014 in Westafrika und in der Migrations­krise 2015 und 2016 aktiv
Foitik war als Krisenmana­ger schon bei Ebola 2014 in Westafrika und in der Migrations­krise 2015 und 2016 aktiv

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