Vater von Asterix.
Albert Uderzo, Zeichner der legendären Hefte, ist 92-jährig gestorben Die Blume – Teil 4
Beim Teutates.
So oft man in den vergangenen Tagen den sprichwortgewordenen Erstaunensruf aus den „Asterix“-Bänden auf den Lippen hatte, und dazu den Gedanken wälzte, ob uns jetzt der Himmel auf den Kopf fällt – jetzt muss man es sagen.
Asterix hat seinen zweiten Vater verloren. Beim Teutates. Albert Uderzo hat gemeinsam mit René Goscinny den widerborstigen kleinen Gallier und seinen in den Zaubertrank gefallenen großen Freund Obelix erfunden, Uderzo als Zeichner, Goscinny als Geschichtenerzähler. Und gemeinsam haben sie mit den rund drei Dutzend Bänden Comicliteraturgeschichte geschrieben.
Denn „Asterix“, das war nicht nur Sprichwortschleuder („In den See! Mit einem Gewicht an den Füßen!“) und Appetitmacher auf Wildschweinbraten.
Sondern die Bände waren auch so etwas wie der Zuckerguss, mit dem man den Eltern das Comiclesen versüßen konnte: Schau, Mama, da geht es um Geschichte! Und die sprechen auch manchmal Latein!
Denn auch wenn heute die Comicverfilmungen und alles, was rund um die Comics noch so entstanden ist, die Popkultur beherrschen (eine theoretische Herrschaft, bei all den geschlossenen Kinos), galten die bunten Bildbände früher als Untergang des Abendlands. Machtjanix! Asterix und sein kleines gallisches Dorf haben auch diesen Untergang erfolgreich bekämpft.
So ansatzlos können sich die Dinge ändern. Und rasant. Vor wenigen Minuten erst lag Rudi Pschemisl in seinem Bett, Herr über Raum und Zeit, der Innenhof sein Reich, die Anrainer seiner Willkür und seinem Wecker ausgeliefert. Nun aber war alles anders, der Spieß umgedreht. Nur warum? So ein Haufen Nachbarn kann sich doch nicht über Nacht in Luft auflösen. Was also war da los? „Denk nach, denk nach!“marschierte er wie ein Panther hinter Gittern in seinem schwarzen Flanell-Pyjama und schwarzen Lederschlapfen durch seine komplett mit Filmplakaten tapezierte Wohnung. Immer die gleiche Runde. Den großf lächig verlegten Vinylboden in Zementf liesenoptik entlang. Und mit jedem Schritt stellte sich Klarheit ein: „Die Morawetz. Wer sonst?“Wäre ja nicht das erste Mal.
Hat dieses unsägliche Frauenzimmer auf Tür Nummer 12 also wieder ordentlich zugelangt. Diese Nudistin, getrieben von dem ständigen Ansinnen, auch jeden anderen bloßzustellen. Denn wer hier in den Innenhof kam, um seinen Mist zu entsorgen, konnte sich sicher sein; kaum ist die Luft wieder rein, schleicht die Morawetz hinterher. Mülltonnen durchwühlen, und weiß
Albert Uderzo (rechts) mit seinem Kreativpartner René Goscinny – und ihrem „Kind“Asterix
Uderzo und Goscinny waren die Väter von Asterix, und wurden damit die Großväter einer von Comicbildern geprägten Welt. Sie haben diese mit dem Echo der französischen Bildungsverliebtheit angefüllt: Die späteren Bände, nachdem sich das mit den Prügel beziehenden Römern und ihren lustigen Schildformationen erledigt hatte, waren zugleich Landeskunde und ein liebevoller Blick von der Bretagne aus auf ein Europa der vielfältig Widerborstigen, voller spaßig unterlaufener Landesklischees.
Da trinken die Briten heißes Wasser mit einem Tropfen der Teufel was alles wieder mitnehmen, alte Lampenschirme, Kleiderhaken, Ledertaschen mindestens. Wahrscheinlich also hatte sie all die Teppiche, Kissenüberzüge, Tischdecken seiner Großmutter herausgezerrt und nun hauste sie damit. Pfui Teufel.
Seit fünf Jahren schon ging er ihr aus dem Weg. Zu Recht.
Herumschnüffler
„Wirklich, Herr Pschemisl! Das tut mir aber leid mit Ihrer Oma. Und sie ist wirklich gestürzt und war allein zu Hause? Die Arme! Dabei hab ich die gute Adolfine sogar noch Klavier spielen gehört, irgendwas von Bach, und viel schlechter als sonst. Hat sich fast nach Ihnen angehört, hahaha. Wo wird sie eigentlich beerdigt?“„Verteilt auf die ganze Stadt, hahaha!“hätte er ihr gern geantwortet. „So wie Leut’, die nicht aufhören können, herumzuschnüffeln!“Und zu diesem Zeitpunkt war ihm der Wunsch noch Vater
Milch (schließlich gab es vor Asterix noch keinen Tee dort). Die Schweizer ziehen lange Käsefäden und landen in der Bank. Und in Amerika trifft man, no na, Indianer.
Du nicht, Obelix!
Es sind, nimmt man sie heute zur Hand, natürlich Blicke, Witze aus einer anderen Zeit. Aber auch das ist derzeit nicht ganz falsch. Und die Prügelfeste und Sprachspielchen, die historischen Einmischungen und Freundschaftsdynamiken („Du kriegst keinen Zaubertrank, Obelix!“) machen auch beim Wiederbesuch noch Spaß.
Nur die Filme sind nicht zum Anschauen.
Schon gar nicht die Realverfilmungen.
Geld haben aber auch die in die Kassen gespült. Asterix bekämpfte zwar das römische Imperium auf einfallsreiche Art. Seine Väter aber, vor allem der nach Goscinnys Tod 1977 lange Jahre Asterix alleinerziehende Uderzo, bauten auf seinen Schultern selbst ein Imperium, über das sie eifersüchtig wachten.
Und das sie zur erfolgreichsten französischen Comicserie machten, mit weltweitem Wiedererkennungswert bis heute.
Der farbenblinde Illustrator Uderzo, 1927 als Sohn italienischer Einwanderer in der Nähe von Reims geboren, war eines gar wunderbaren Gedankens. Wie gesagt, er mochte sie eben, all die kleinen Mistkübeln mit ihren gefälligen Behältern. Viel mehr aber war ihm die ergiebige Hinterlassenschaft seiner Großmutter ans Herz gewachsen, da konnte er die Fragerei der Renate Morawetz wirklich nicht gebrauchen.
Wovon sonst hätte er denn leben sollen? Von seiner kleinen Videothek? Wozu noch Horror- und Actionfilme, Perlenvorhänge und das dunkelrote Nebenkammerl? FSK 18 spielt sich doch längst in den eigenen vier Wänden ab. Gewalt im Wohnzimmer, Turnübungen im Schlafgemach, Ergotherapie vorm Computer. Wer braucht heut noch Videotheken? Die endgültige Sperrstunde stand ihm also unmittelbar bevor, so wie längst all seinen Kollegen. Elende Streamingdienste, fehlte nur mehr einer von Disney. Elendes Internet. Elende Tabletts. Elende Handys – „Handy!“wurde ihm nun klar war das Geburtsjahr
Bände
Millionen auch selbst durchaus gallischen Herzens: Er mischte sich gerne ein. Und geriet zuletzt sogar in einen Rechtsstreit mit seiner eigenen Tochter, den die beiden jedoch nach einigen Gerichtsterminen gütlich beilegten.
Zuletzt zeichnete Uderzo nur noch für seinen Enkel: Mit Band 35 übergab dann auch Uderzo Asterix in neue Hände, seitdem gestalten Didier Conrad und Jean-Yves Ferri die Bände (und schneiden im Vergleich natürlich schlecht ab).
Nun ist eine große Trauerfeier im gallischen Dorf angesagt: Uderzo ist 92-jährig gestorben. Und nein, Troubadix, du darfst nicht singen.
„Logisch!“Nur eine Möglichkeit gab es für diese im Innenhof ausgebrochenen Zustände: Ein Komplott, bestehend aus dem Teppich, dem Präludium Nr. 6 und diesem Schweigen. Wahrscheinlich gab es die Gruppe namens: Wir tunken den Pschemsil ein! Abgesprochen mussten sich alle haben, hundertprozentig. Dieser ganze, bis zum Gipfel der Dummheit Saccharoseverseuchte Haufen. Zuckerberg, Zuckerberg, Zuckerberg. Facebook, Instagram, WhatsApp. Alle schwer geschädigt, dagegen ist sein Diabetes der reinste Schnupfen. In den Hof also wollte man ihn locken, bloßstellen, wahrscheinlich würden sie, kaum tritt er ins Freie, alle auf ihre Lichterketten-Balkone kommen, zu ihren erfrorenen Pflanzen, mit ihren selbstgemahlenen Siebträger-Espressos in der einen Hand, alles Pseudo-Baristas, ihren Handys in der anderen, stumm, ihn filmen aus allen Richtungen, und diese Videos als finale Gemeinheit ins Internet stellen. „Aber nicht mit mir!“wusste Rudi Pschemisl sofort, was zu tun sei. Nämlich das Gegenteil. Schwindelfrei war er ja, und droben auf dem Dach, der Sendemast über die Feuerleiter gut erreichbar. 4G, Ade. Nur leider ...
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