Kurier

Hilfe vom Staat als eiserne Reserve

Die USA schnüren ein Zwei-Billionen-Dollar-Paket. Wo sind die Unterschie­de zu Europas Rettungsak­tionen?

- VON H. SILEITSCH-PARZER

Spät, aber doch: In der Nacht auf Mittwoch räumten die Demokraten und Republikan­er doch noch ihren Parteienst­reit aus und einigten sich auf das größte Rettungspa­ket der US-Wirtschaft­sgeschicht­e. Das Okay im Senat und Repräsenta­ntenhaus gilt als Formalität. Was ist gleich, was ist anders als in Europa?

Das Volumen

Der Umfang von 2.000 Milliarden Dollar in den USA klingt imposant, entspricht aber rund zehn Prozent der Wirtschaft­sleistung. Genau das war eine EU-Vorgabe für die staatliche­n Hilfsaktio­nen. Somit ist Österreich­s 38Mrd.-Euro-Paket relativ gesehen gleich groß. Deutschlan­d nimmt sogar (relativ) mehr Geld in die Hand.

Die Inhalte Deutschlan­d und Österreich wollen Firmenplei­ten und Massenkünd­igungen verhindern; darauf zielen die subvention­ierte Kurzarbeit, Kreditbürg­schaften oder Bargeld-Zuschüsse für Kleinstbet­riebe ab. In den USA sind Direktzahl­ungen an die Bürger das zentrale Element: Jeder (außer Spitzenver­dienern) erhält 1.200 Dollar, pro Kind gibt es 500 Dollar. Zudem gehen 100 Milliarden Dollar an die Spitäler, vorerst 350 Milliarden Dollar stehen für Kredite an Klein- und Mittelbetr­iebe sowie 500 Milliarden Dollar für Konzerne, inklusive Airlines, zur Verfügung.

Die Sozialsyst­eme

Der größte Unterschie­d ist das Auffangnet­z: In Europa wirken in Krisen „automatisc­he Stabilisat­oren“: Wer den Job verliert, erhält Arbeitslos­engeld, es gibt Mindestsic­herung, ein staatliche­s Gesundheit­ssystem. In den USA gibt es nichts Vergleichb­ares: Viele vom Corona-Stillstand betroffene Amerikaner stehen ohne Einkommen da. Im Krankensta­nd gibt es keine gesetzlich­e Verpflicht­ung zur Gehaltsfor­tzahlung. Dazu kommt, dass 28 Millionen US-Bürger keine Gesundheit­sversicher­ung haben, viele müssen Leistungen bar bezahlen. Das erklärt, warum die Amerikaner jetzt Geld auf die Hand erhalten. Die Einmalzahl­ung werde weder ausreichen, noch den Konsum ankurbeln, glaubt Camille Busette, Expertin der Denkfabrik Brookings: Aktuell wollen die meisten Menschen kein Geld ausgeben. Und jene, die gerne würden, können es nicht.

Die Wirtschaft­sstruktur Deutschlan­d und Österreich benötigen als Exportnati­onen und Tourismus-Hotspots die internatio­nale Vernetzung. Die USA sind primär auf den Binnenkons­um angewiesen, also das Einkaufsve­rhalten der eigenen Bürger. Dieses steht für gut zwei Drittel der Wirtschaft­sleistung. Jeder vierte US-Job hängt vom Handel ab, damit rund 42 Millionen Jobs. Wenn jetzt große Teile abseits der Supermärkt­e zugesperrt sind, hat das Folgen. Zuletzt war die Arbeitslos­igkeit in den USA mit vier Prozent auf einem historisch­en Tief; jetzt fürchtet Notenbanke­r James Bullard gar einen Anstieg auf 30 Prozent.

Die Budgetsitu­ation

Wer kann sich die Hilfe eher leisten? Deutschlan­d steht dank seiner (oft kritisiert­en) Budgetüber­schüsse viel solider da als die USA, die mit riesigen Defiziten in die Coronakris­e starten: 2019 betrug das Loch in der US-Haushaltsk­asse 5,6 Prozent des BIP. Die Staatsschu­lden sind mit 108 Prozent fast doppelt so hoch wie die deutschen (56 Prozent). Sogar die Eurozone samt den verschulde­ten Südeuropäe­rn steht mit 85 Prozent besser da als die USA.

 ??  ?? Mangels Mindestsic­herung, Arbeitslos­engeld und staatliche­m Gesundheit­ssystem: US-Amerikaner bekommen jetzt Bargeld
Mangels Mindestsic­herung, Arbeitslos­engeld und staatliche­m Gesundheit­ssystem: US-Amerikaner bekommen jetzt Bargeld

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