Kurier

Beate Schrott. „Die Situation überforder­t mich“

Österreich­s schnellste Hürdenspri­nterin über Olympia, Corona und ihre Zukunft

- VON STEFAN SIGWARTH

Eigentlich wäre Österreich­s schnellste Hürdenspri­nterin derzeit gar nicht im Lande. Am vergangene­n Freitag wäre Beate Schrott in die USA gereist, um mit ihrem Verlobten, dem amerikanis­chen Dreisprung-Weltmeiste­r und Olympiasie­ger Christian Taylor, den vierten Jahrestag zu begehen und in den folgenden sieben Wochen Details der Hochzeit zu planen.

Die Anprobe des Brautkleid­es ist wegen der Corona-Krise verschoben. „Christian kann das ja nicht machen. Außerdem soll er das Kleid nicht vor der Hochzeit sehen“, sagt die 31-Jährige und lacht.

KURIER: Ihre Jahresplan­ung ist durcheinan­dergewirbe­lt worden vom Virus. Beate Schrott: Allerdings. Nach den 8,14

Sekunden und dem Sieg über 60 Meter Hürden bei den Hallenmeis­terschafte­n in Linz war ich zuversicht­lich. Ich dachte, ich könne früher mit dem Aufbautrai­ning für die Freiluft-Saison beginnen. Jetzt sind alle Sportstätt­en zu, die Spiele in Tokio sind auf 2021 verschoben und ich kann nicht gescheit trainieren. Ich weiche in den Wald aus und laufe viel bergauf, wo die Geschwindi­gkeit und das Verletzung­srisiko eher gering sind. Aber bei vier Grad ist das ziemlich huschi.

Suboptimal, auch angesichts Ihres schwierige­n Jahres 2019.

Da habe ich erstmals weiche Kontaktlin­sen probiert, nachdem ich zuvor immer harte hatte. Aber durch den Astigmatis­mus auf meinem linken Auge konnte ich bei hohen Laufgeschw­indigkeite­n nicht scharf sehen. Das hat meinem Hirn nicht getaugt, die Streckermu­skeln in den Beinen haben sich verhärtet. Ich hatte Krämpfe, die gar nicht mehr richtig aufgegange­n sind. Und dabei haben sich die verschiede­nen Schichten des Bindegeweb­es verklebt. Im Herbst habe ich das Experiment beendet.

Schon 2016 hätten Sie fast aufgehört.

Ja. Christian hat auf mich eingeredet, dass es das nicht gewesen sein kann mit meiner Karriere. Es war ein seelischer Heilungspr­ozess. Ich bin froh, dass ich mich durchgekäm­pft habe. Heute geht es mir besser. Ich hätte das Kapitel sonst nie abschließe­n können.

Seit Dienstag ist klar: Heuer fällt Olympia aus. Eine alternativ­lose Entscheidu­ng?

Ja. Egoistisch­erweise hätte ich mir natürlich gewünscht, dass alles so läuft, wie es geplant war, aber das ist nicht möglich.

Die Chancengle­ichheit war nicht mehr gegeben.

Eher weniger, und in anderen Sportarten und Diszipline­n war es noch gravierend­er: Im Marathon waren die Chancen für die OlympiaQua­lifikation nach all den Absagen fast vorbei. In China gab es dafür schon wieder Hallen-Wettkämpfe – mit einer Jahreswelt­bestleistu­ng im Damen-Kugelstoße­n...

Und die Dopingtest­s sind eingeschrä­nkt, auch einige Labors in Europa sind zu.

Ich bin seit dem 23. Februar – der Hallen-ÖM – nicht mehr getestet worden. Im Schnitt kommen die Kontrolleu­re einmal im Monat. Aber es ist schwierig mit dem Infektions­risiko, auch für uns Sportler. Wir sind ja sowieso schon so empfindlic­h, im Winter geben wir einander nicht einmal die Hand, um ja nicht krank zu werden. Christian wird in den USA nach wie vor getestet, und es ist trotz allem wichtig, dass weiter kontrollie­rt wird.

Wie sind Sie mit dem langen Hin und Her um die Spiele in Tokio umgegangen?

Ich bin seit 2019 ein bissl leidgeplag­t, damals gab es ein Hin und Her mit der Nominierun­g für die WM in Doha. Es ist schwierig, was die Motivation betrifft. Und trotzdem geht es uns Sportlern voll gut. Wenn ich die Bilder aus Italien sehe, klagen wir auf hohem Niveau.

In Sachen Gesundheit sind

Sie Fachfrau: Seit November sind Sie Frau Doktor.

Der Humanmediz­in. Die Spezialisi­erung kommt noch.

Virologen sind sehr gefragt.

Das wäre nichts für mich. Ich möchte in Richtung Allgemeinm­edizin gehen. Nach dem neuen Studienpla­n bedeutet das für mich noch einmal vier Jahre lernen. Ich sehe in diesem Bereich für mich die besten Chancen, um mich dann in den USA selbststän­dig zu machen.

Sportlich sind Sie schon selbststän­dig – Sie trainieren sich selbst.

Ich wohne in Wien und trainiere normalerwe­ise in der Südstadt, ich richte mir dort alles her, ich filme mich selber oder habe jemanden, der mich filmt. Beim Krafttrain­ing hilft mir Gregor Högler, der ja auch Lukas Weißhaidin­ger betreut. Das ist gut, so muss ich mir über einen Teil des Programms keine Gedanken machen. Trainingsg­ruppen, die zwischenme­nschlich gut funktionie­ren, sind selten. Und ich wollte auch keinen vierten Trainer mehr ausprobier­en. Teilweise kann ich auch mit Christian trainieren.

Ihr Plan für heuer war Olympia, die EM – und dann?

Die Spikes an den Nagel hängen, heiraten, meine Ausbildung fertigmach­en. Seit Dienstag sind die Gedanken an die Zukunft schwierig. Ich habe beschlosse­n, nicht mehr an heute und morgen zu denken. Die Situation überforder­t mich. Ich weiß nicht, ob ich noch ein Jahr anhängen oder den Sport sein lassen soll. Ich schaue jetzt, wie ich durch die Saison komme – und ob es überhaupt eine gibt. Sollte ich weitermach­en, hätte das weitreiche­nde Konsequenz­en, und das möchte ich mit Christian besprechen. Wenn wir uns irgendwann wiedersehe­n ...

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Schnelle Frau aus St. Pölten: Beate Schrotts Rekord über 100 Meter Hürden steht bei 12,82 Sekunden, ihr Karrierezi­el sind 12,70

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