Matthias Schrom, ORF2-Infochef
Journalismus. ORF2-Chefredakteur Schrom über die Corona-Berichterstattung und Pläne für die Zeit nach der Krise
Isolationszimmer und Videokonferenzen: Wie die „Zeit im Bild“Redaktion Corona bewältigt.
Die enorm hohen Zuseherzahlen belegen es: Der ORF ist für viele eine Hauptanlaufstelle in Sachen Corona-Information. ORF2-Chefredakteur Matthias Schrom über die Virus-Krise, die Pläne für die Zeit danach und die GIS.
KURIER: Was unterscheidet Ihre journalistische Arbeit aktuell von z. B. Ibiza? Matthias Schrom: Ibiza war eine journalistisch spannende Geschichte – aber für niemanden lebensbedrohlich. Jetzt geht es um unser aller Gesundheit. Da haben wir mehr als nur eine journalistische Verantwortung. Ein gewisses Vertrauen der Bevölkerung in das Funktionieren der Organe und Behörden unserer Republik halte ich für eminent wichtig. Aufgrund des Zuschauerinteresses kommt uns hier eine wichtige Rolle zu. Diese nehmen wir an und machen das, was wir können: faktenbasiert informieren.
Schwierig in dem Zusammenhang ist Social Media, zumal aufgrund von gefälschten Videos: Wie versucht die ORFInformation, dem nicht auf den Leim zu gehen?
Das ist eine enorme Herausforderung. Hier arbeiten wir in verschiedenen Projekten mit. Es gibt hier auch technologisch spannende Möglichkeiten, die Authentizität von Material zu prüfen. Wir haben eine eigene Gruppe, die sich damit beschäftigt.
Eines Ihrer Ziele beim Antritt 2018 war, die TV-Information schneller und flexibler zu machen. Das ist auf ORF2 gelungen, wie Corona zeigt.
Ja, wir bemühen uns. Es klingt pathetisch – ich habe bei meiner Bewerbung gesagt, dass ich mir wünschen würde, dass ich wieder mehr ORF-Pickerl auf Autos sehe, wenn ich durch die Garage gehe und die Leute wieder stolz auf den ORF sind – ich gehe grad nicht durch die Garage,
aber ich habe das Gefühl, seit Ibiza und auch jetzt wieder sind wir insgesamt selbstbewusster.
Die Corona-Krise hat auch zur Durchschaltung der „Zeit im Bild“in den Einser-Kanal geführt. Hat das das Zeug zur Dauereinrichtung?
Ganz ehrlich – ich weiß es nicht. Jetzt ist eine spezielle Zeit, aus der man nicht für die Normalzeit valide Rückschlüsse ziehen kann. Es geht da um vieles – das Programm, das Publikum, das etwa die „ZiB 20“sehr gut angenommen hat, das Programmumfeld usw. Jetzt ist die „Zeit im Bild“ja de facto eine tägliche Sondersendung und mehr als doppelt so lange wie normal.
In Ihre Verantwortung sind jüngst die aktuellen ORF1Infosendungen sowie ein Teil der Mannschaft übersiedelt.
Ich glaube, es ist das ein wechselseitiger Gewinn, weil die Kolleginnen und Kollegen jetzt die weite Welt von zur Verfügung haben und
kann nun auf die schon rein quantitativ hohe Zahl an Kompetenz von noch leichter zugreifen. Mein Ziel für ORF1 ist da gleich dem bei ORF2: relevante, gute Nachrichtenformate zu produzieren und Talente zu fördern.
Ein großes Thema für Sie ist die Regionalisierung – bei Corona leider auch nötig.
Gerade die Corona-Sondersendungen zeigen, wie wichtig unser dichtes Netz in den Dörfern, Städten und Bezirken im ganzen Land ist. Es macht einen Teil unserer Kompetenz aus. Ich habe in zwei Landesstudios und bei
Radio Holiday“gearbeitet – ich weiß um die Kompetenz der Mitarbeiter und bin dankbar, davon in den „ZiBs“oder in „Aktuell in Österreich“profitieren zu können.
Mitte April sollte eine kleine „Zeit im Bild“-Reform kommen mit u. a. Tobias Pötzelsberger als neuen Co-Anchor. Muss umgedacht werden?
Tobias Pötzelsberger wird die „Zeit im Bild“moderieren, das ist fix. Die Weiterentwicklung im dramaturgischen und optischen Bereich werden wir vorantreiben, sobald diese Krise durchgestanden ist.
Die ORF-Performance ist so, dass die FPÖ ihre GIS-Kampagne eingepackt hat. Ist die Information die Rettung des Öffentlich-Rechtlichen?
Ich hoffe, dass unsere Berichterstattung einen Beitrag zum Ende der Gebührendebatte geliefert hat. Ich dachte eigentlich, Ibiza wäre schon Beweis genug dafür gewesen, wofür es uns braucht. Ich finde es schade, dass eine Parlamentspartei offensichtlich der Annahme ist, dass wir bzw. die Beitragsfinanzierung ein geeignetes Feindbild abgeben, um Parteifans zu mobilisieren. Wobei ich weiß, dass es viele FPÖ-Wähler gibt, die zufriedene Konsumenten unserer Produkte sind.
Auch die Anfeindungen Sie betreffend als „türkis-blauer Wunschkandidat“sind verstummt. Ist der Misstrauensvorschuss aufgebraucht?
Also ich habe durchaus das Gefühl, dass ich den einen oder anderen Kollegen positiv überraschen konnte. Vermutlich ist das so ähnlich, wie wenn ein Fußballer nach einer soliden Karriere plötzlich Cheftrainer wird. So selten gelingt der Rollenwechsel im Sport aber auch nicht: Luis Enrique, Zidane, Klopp, Foda – alle haben auch ehemalige Mitspieler trainiert.