Kurier

Skispaß in Zeiten der Pandemie

Schweden versus Island: Wie zwei Nordländer entschloss­en ihren eigenen Weg gehen

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Flächendec­kend Tests in Island.

„Es gibt hier viele Leute und zu Hause viele Leute, anstecken kann man sich doch überall“, meint Nellie Billgren lächelnd gegenüber schwedisch­en Medien. Die junge Mutter verbringt mit ihrem kleinen Sohn gerade ihre freie Zeit in Sälen, dem größten Winterspor­tort Schwedens.

Dass dort und in anderen schneesich­eren Skiorten Schwedens der Pistenspas­s bis Ostern trotz Corona-Pandemie weiter geht, liegt an Johan Carlson, dem Generaldir­ektor des schwedisch­en Gesundheit­samtes. „Ski- und Liftfahren bergen kein höheres Risiko als das sonstige Bewegen“, so der weißhaarig­e Arzt.

„Das ist besorgnise­rregend“, kommentier­t Sofia Leje die Entscheidu­ng gegenüber dem öffentlich-rechtliche­n Sender SVT. Die leitende Ärztin des Weltcup-Ortes Åre ist die bekannte Gegenstimm­e zum aktuellen Pistenverg­nügen. Wie andere Mediziner warnt sie seit Tagen davor, dass sich Schwedens Winterspor­torte wie Ischgl zu Infektions­herden entwickeln könnten. In der örtlichen Krankensta­tion gibt es bereits Corona-Fälle.

Après-Ski-Partys

Ansteckung­en gab es in Åre auch bei sogenannte­n „AprèsSki“-Veranstalt­ungen, Partys mit bis zu 499 Personen. Die Bilder von nahe beinander stehenden Feiernden sorgten für Unverständ­nis, die Clubs haben mittlerwei­le geschlosse­n.

Über 2.400 Infektione­n durch das Virus SARS-CoV-2 sind derzeit in Schweden bekannt, 41 Personen starben.

Der sozialdemo­kratische Regierungs­chef Stefan Löfven will dennoch zu große Restriktio­nen vermeiden. Dahinter steht der amtliche Epidemiolo­ge Anders Tegnell, der auf eine „Herdenimmu­nität“setzt, auch wenn er das Wort nicht mehr nutzt. Gefährdete wie alte Menschen und Junge mit entspreche­nden Krankheite­n sollen besonderen Schutz genießen, der Rest sich aber anstecken.

Hinter der aktuellen Entscheidu­ng des Gesundheit­samtes für den Winterspor­t könnten jedoch auch wirtschaft­liche Zwänge stehen – denn das schwedisch­e börsennoti­erte Unternehme­n „Skistar“betreibt die Lifte und weitere Einrichtun­g in Sälen, Åre und Vemdalen – den drei großen Skiorten des Landes. Geschäftsf­ührer Stefan Sjöstrand, der gern mit Pudelmütze auftritt, versucht zu beruhigen: Er rechne mit weit weniger Gästen, man werde die Anzahl von Personen in Gondeln oder Wärmestube­n begrenzen.

Stockholm abriegeln?

Doch bisher gelten die Winterspor­tzentren in Schweden für Ostern als gut gebucht. Als problemati­sch sehen Kritiker den Zustrom vieler Winterspor­tfreunde aus Stockholm an. Dort wurden mehr als 900 Infizierte festgestel­lt. Manche Virologen befürworte­ten schon vor einer Woche eine Absperrung der Stadt, um ein Überspring­en auf andere Regionen zu verhindern. Wie etwa auf Mittelschw­eden mit seinen Winterspor­tzentren,

das bisher nicht so stark betroffen war.

Und dort regt sich Widerstand. „Denkt an uns, die hier leben, ihr Egoisten!“, empfängt in Åre ein handgeschr­iebenes Schild die Winterspor­tler am Bahnhof.

Einen ganz anderen, aber ähnlich radikalen Weg geht Island. Der Inselstaat, der ja traditione­ll seine 360.000 Bürger in vielen medizinisc­hen Belangen flächendec­kend erfasst, will das auch bei Corona tun. Schon jetzt hat man, gemessen an der Bevölkerun­g, mehr Tests durchgefüh­rt als jedes andere Land der Welt. Getestet wird jeder, egal ob er Symptome zeigt, oder nicht.

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Spaziergan­g ganz ohne Distanz: In Schweden nimmt man’s locker

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