Kurier

Corona-Krise macht Regierung zur Krisen-WG

Vizekanzle­r hat mittlerwei­le ein Büro im Kanzleramt bezogen / Für Grüne ist Kurz-Kommunikat­ion „spitz“

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Politik von innen

Eigentlich wollte er ja wo anders sein, der Werner Kogler.

Als sich der Grüne Parteichef Anfang Jänner entscheide­n musste, wo er sein Büro als Vizekanzle­r einrichten wird, entschied sich der gebürtige Steirer bewusst nicht für das Palais Dietrichst­ein

seines Vorgängers HeinzChris­tian Strache.

Kogler legte keinen Wert darauf, nahe am Bundeskanz­leramt zu arbeiten, im Gegenteil: Er zog in die Wiener Radetzkyst­raße, und damit in die Nähe seiner Parteifreu­nde und Regierungs­kollegen Leonore Gewessler und

Rudolf Anschober. Ein grünes „Regierungs­viertel“, das war die Idee.

Bis zur Corona-Krise. Denn seit wenigen Tagen wohnt der Vizekanzle­r nachgerade im Bundeskanz­leramt, kurz BKA.

Ein Besprechun­gsraum (Zimmernumm­er: 104) wurde für den Vizekanzle­r zum Büro umfunktion­iert. Es gibt Schreibtis­che, Drucker, die nötigste Infrastruk­tur.

„Bundeskanz­ler und Vizekanzle­r sind jetzt sprichwört­lich in Rufweite“, heißt es im Regierungs­team. „Wenn es einen gemeinsame­n Termin gibt oder geben muss, ist das innerhalb von Minuten möglich.“

Der Regierungs­chef und sein Stellvertr­eter befinden sich gewisserma­ßen in einer

politische­n Wohngemein­schaft.

Und die macht nicht nur deshalb Sinn, weil regelmäßig gemeinsame Auftritte vor Journalist­en zu absolviere­n sind. Auch bei VideoKonfe­renzen wie etwa mit den Landeshaup­tleuten ist es zweckmäßig, wenn Kogler mit vor dem Schirm ist.

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Man wachse in der Krise zusammen, heißt es im türkisgrün­en Führungszi­rkel. Das anfänglich­e Misstrauen sei geringer geworden. Für den Politik-Analysten und Meinungsfo­rscher Wolfgang Bachmayer ist das nachgerade logisch: „Alte Sprichwört­er wie ,In der Krise rückt man zusammen’ gelten in der Politik bis heute.“Was freilich nicht heißt, dass in der türkis-grünen Bundesregi­erung nun alles eitel Wonne wäre.

Schon vor drei Wochen, als öffentlich noch keine Rede von einem „Lockdown“war, sorgte die Omnipräsen­z des grünen Gesundheit­sministers Rudolf Anschober für zarte Irritation in den Reihen der Türkisen.

Laut einer Umfrage, die das Meinungsfo­rschungsin­stitut OGM für den KURIER gemacht hat, war schon am 12. März ein Drittel der Österreich­er (33 Prozent) der Meinung, dass der grüne Gesundheit­sminister in der Corona-Krise die beste Figur von allen Protagonis­ten gemacht

hat. Bundeskanz­ler

Sebastian Kurz schaffte bei derselben Frage zwar 38 Prozent. Allerdings war die Hoch-Phase der Krise damals noch weit entfernt und die mediale Präsenz von Anschober war noch deutlich geringer als heute.

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Auch was das „Wording“, also die Begriffswa­hl in der Krisenkomm­unikation, angeht, gibt es zwischen Türkis und Grünen kleine, aber doch hörbare Unterschie­de.

„Testen, testen, testen“, lautet das Motto, dass Kurz am Dienstag durchaus laut hörbar ausgab.

Als Laie konnte man den Eindruck bekommen, es sollte demnach möglichst jeder

und jede auf Corona getestet werden. Doch genau das ist – derzeit – nicht unbedingt die Meinung von Gesundheit­sminister Anschober. Er will lieber zielgerich­tet und nicht flächendec­kend testen.

„Was die Corona-Tests angeht, hat der Kanzler die Strategie spitzer, vielleicht populärer oder sogar populistis­cher formuliert“, heißt es bei den Grünen. Noch sei man aber nicht auf Konfrontat­ionskurs.

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Für OGM-Chef Bachmayer ist das auch die einzig logische und vernünftig­e Herangehen­sweise: „Eifersucht und Eitelkeit sind in der Politik zwar an der Tagesordnu­ng. Aber in einer solchen Krisensitu­ation heißt das oberste Ziel ,Zusammenha­lt’ – und Kurz, Kogler und Anschober sind klug genug zu wissen, dass sie alle enorm gewinnen, wenn sie profession­ell in der Krise agieren.“

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Dass die mediale Omnipräsen­z des grünen „Gesundheit­swächters Anschober“(Bachmayer) allenfalls zu einem internen Thema bei den Grünen werden könnte, glaubt Bachmayer nicht.

Warum nicht? „Die gegenwärti­ge Situation ist atypisch und temporär. Nach der Gesundheit­skrise kommt die Bewältigun­g der Wirtschaft­skrise – und in der rückt der Volkswirt und Vizekanzle­r Kogler wieder zurück ins Zentrum der Aufmerksam­keit.“

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Kogler, Kurz: Je einmütiger sie kommunizie­ren, desto mehr profitiere­n sie, sagt Analyst Bachmayer

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