Kurier

Wie lange die Betten reichen

Prognosen. Sinkt die Infektions­rate nicht, könnte es aber Ende April in den Intensivst­ationen eng werden

- VON JOSEF GEBHARD

Dank Überkapazi­täten sind Österreich­s Spitäler gerüstet, Ende April könnte es aber kritisch werden.

Es ist eine Ironie des Schicksals: Seit vielen Jahren kritisiere­n Gesundheit­sökonomen, dass Österreich­s Spitäler gemessen an der Einwohnerz­ahl viel zu viele Betten haben. Jetzt allerdings, angesichts der erwartbare­n hohen Zahl an Covid19-Patienten, erweisen sich diese Überkapazi­täten plötzlich als Vorteil.

Darauf wies auch Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) am Donnerstag hin. „Wir haben hervorrage­nd aufgestell­te Spitäler.“

Die aktuelle Lage: Von den derzeit (Stand Donnerstag­nachmittag) 6.398 Infizieren würden sich 547 Personen in Spitalsbeh­andlung befinden, 96 auf der Intensivst­ation. Diese Zahl stieg von Mittwoch auf Donnerstag sprunghaft an, weil die Zählweise umgestellt wurde.

Dennoch seien die Spitalskap­azitäten derzeit mehr als ausreichen­d, wird betont. Dank der Verschiebu­ng aller planbaren Operatione­n seien derzeit nur rund 50 Prozent der rund 44.000 Spitalsbet­ten ausgelaste­t. Normalerwe­ise würde die Auslastung bei rund 80 Prozent liegen, rechnet Herwig Ostermann, Geschäftsf­ührer der Gesundheit Österreich GmbH vor.

Er verweist auf Prognosen, wonach bis 3. April die Zahl der Infizierte­n auf 11.000 klettern wird. Die Zahl der Erkrankten soll dann bei 8.500 liegen. Eine kritische Schwelle für die Kapazitäte­n der Intensivst­ationen würde sich erst bei 30.000 bis 35.000 Erkrankten ergeben, sagt Ostermann.

Zuletzt lag die tägliche Zuwachsrat­e bei den Neuinfekti­onen bei 13,6 Prozent. „Wir müssen in den mittleren einstellig­en Bereich kommen“, betont Anschober.

Wie wichtig das ist, zeigt eine Berechnung, die zuletzt ein Team von Health System Intelligen­ce rund um die Gesundheit­sökonomin Maria Hofmarcher angestellt hat. Die Forscher haben zwei Modelle für die Zeit bis zum 23. April erstellt (siehe

Grafik): Szenario eins würde eine Verdoppelu­ng der Fälle alle acht Tage bedeuten (entspricht einem Plus von neun Prozent pro Tag). Damit würden die Kapazitäts­grenzen der Intensivbe­tten nicht überschrit­ten. Sollte sich die Zahl hingegen alle sechs Tage verdoppeln (plus 12,5 Prozent pro Tag), „dann wird es wohl Überschrei­tungen geben“, betont Expertin Hofmarcher.

Derzeit stehen bundesweit 2.451 Intensivbe­tten zur Verfügung, wobei mit einer Grundausla­stung (Patienten ohne Coronaviru­s) von 60 Prozent gerechnet wird. Wie weit die bisherigen Maßnahmen der Regierung (Schulschli­eßungen, Ausgangsbe­schränkung­en) die Ausbreitun­g des Virus verzögert haben, soll laut Anschober heute, Freitag, eine erste Zwischenbi­lanz zeigen.

Mehr Schutzmate­rial

In den kommenden Tagen sollen auch die befürchtet­en Engpässe bei Schutzbekl­eidung und Desinfekti­onsmittel behoben werden: Allein heute, Freitag, soll eine Lieferung von elf

Millionen Paar Handschuhe aus dem Ausland eintreffen, kündigt Anschober an. Am Samstag wird eine Großliefer­ung Masken erwartet, am Montag Schutzanzü­ge.

Externe Betten

Forciert werde auch die Testung von Spitalsper­sonal sowie der Aufbau von Bettenkapa­zitäten außerhalb der Spitäler (etwa in der Messe Wien). Sie sind für Patienten gedacht, die eher leichte Symptome haben, aber nicht zu Hause betreut werden können. Derzeit gebe es schon 12.000 solcher Betten, sagt Anschober. Man gehe aber bereits in Richtung 20.000.

Siehe auch Seite 16

„Die Maßnahmen beginnen zu wirken. Wir sind aber bei Weitem noch nicht dort, wo wir hinmüssen“

Rudolf Anschober Gesundheit­sminister

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Durch die Verschiebu­ng planbarer Operatione­n konnten die Bettenkapa­zitäten in den Spitälern zuletzt deutlich erhöht werden
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