Kurier

„Smartphone­s müssten mindestens 25 Jahre halten“

Ressourcen schonen. Der Europachef der Reparatur-Platfform iFixit über den ökologisch­en Fußabdruck unserer Handys

- VON BARBARA WIMMER

Die internatio­nale Initiative iFixit möchte Menschen dazu animieren, Geräte zu reparieren, anstatt sie zu ersetzen. Dazu hat man unter der Webseite ifixit.com eine Plattform ins Leben gerufen, wo zahlreiche Reparatura­nleitungen zur Verfügung gestellt werden – etwa für Smartphone­s, Tablets, Computer und sogar Autos. Verfasst werden sie von Freiwillig­en, das Gemeinscha­ftsprojekt funktionie­rt dabei ähnlich wie Wikipedia. Zudem vertreibt iFixit selbst auch Werkzeuge und Ersatzteil­e.

Der KURIER hat mit iFixit-Europachef Matthias Huisken darüber gesprochen, wie Smartphone­s zur Rettung des Weltklimas beitragen können.

Warum ist ein Recht auf Reparatur bei Smartphone­s so wichtig für den Klimaschut­z?

Matthias Huisken: 32 Prozent der globalen Treibhausg­asemission­en sind dem industriel­len Sektor, also der Produktion von Gütern zuzuschrei­ben. Damit ist dies der Wirtschaft­ssektor mit dem größten Anteil an den durch Menschen entstanden­en Emissionen. Es liegt auf der Hand, dass sich der gesamte Materialdu­rchsatz in Versorgung­ssystemen verringert, wenn Verbrauche­r deutlich länger an ihrem Besitz festhalten.

Wie lange genau sollen Smartphone­s funktionie­ren und repariert werden können?

Aus Umwelt- und Klimaschut­zperspekti­ve sollten Smartphone­s nur dann ersetzt werden, wenn ein neues Produkt im Gebrauch soviel energie- und ressourcen­effiziente­r ist, dass es die Emissionen aus der Produktion­sphase ausgleicht. Je nach Gerät läge dieser optimale Zeitraum verblüffen­derweise zwischen 25 und 232 Jahren.

Das klingt aber nicht sehr realistisc­h als Ziel, oder?

Ja, aber wir würden bereits die Hälfte der Produktion­semissione­n im Zusammenha­ng mit Smartphone­s einsparen, wenn wir die Lebensdaue­r eines durchschni­ttlichen Smartphone­s von 2 auf 4 Jahre verdoppeln könnten. Dies würde voraussetz­en, dass Ersatzteil­e und relevante Informatio­nen mindestens 5 Jahre lang verfügbar sein müssten. Allein durch eine Verlängeru­ng der Lebensdaue­r aller Smartphone­s in der EU um ein Jahr ließen sich bis zum Jahr 2030 bereits 2,1 mt CO2 pro Jahr einsparen, was im Effekt der Stilllegun­g von über einer Million Autos entspräche.

Welche Smartphone-Hersteller agieren hier Ihrem Wissen nach bereits sorgfältig, welche sind die großen Sünder?

Die meisten der großen Smartphone-Hersteller entwickeln Geräte nicht auf ihre Reparierba­rkeit hin. Das reparaturf­reundlichs­te Smartphone wird von Fairphone hergestell­t. Die am häufigsten ausfallend­en Komponente­n, der Akku und das Display, werden bei der Produktges­taltung vorrangig behandelt und können im Fairphone 2 gänzlich ohne Werkzeug oder im Fairphone 3 mit einem normalen Philips-Schraubend­reher ersetzt werden. Bei Apple ist hingegen die verhältnis­mäßig lange Software-Unterstütz­ung von vier bis fünf Jahren bemerkensw­ert.

Apple blockiert aber die Entwicklun­g zum Recht auf Reparatur, kann man das wirklich als Vorbild bezeichnen?

Apple hat eine der restriktiv­sten Richtlinie­n. Es gibt viele Reparature­n, die nicht einmal in autorisier­ten Werkstätte­n erlaubt sind. In bestimmten Fällen, wie beispielsw­eise bei Mobiltelef­onen, die in die Toilette gefallen sind, sagt Apple, dass Reparature­n

oder Datenabfra­gen nicht möglich sind. Unabhängig­e Werkstätte­n konnten jedoch Daten durch den Austausch von Komponente­n auf der Leiterplat­te sehr wohl wiederhers­tellen.

Wie sehen das die Smartphone-Kunden?

Viele Verbrauche­r sind von der kurzen Lebensdaue­r der existieren­den Produkte frustriert. Europäisch­e Unternehme­n, die im Bereich der Werterhalt­ung wie Reparatur, Aufarbeitu­ng und Wiederverw­endung tätig sind, sehen sich bei ihrer Arbeit mit unnötigen Hinderniss­en konfrontie­rt.

Die EU-Kommission hat ein Recht auf Reparatur in ihrem Aktionspla­n verankert. Ist das ein gutes Zeichen, dass sich etwas bewegt?

Möglicherw­eise greifen die geplanten Maßnahmen zu kurz, denn Reparatur sollte für alle Menschen verfügbar sein und somit Mainstream werden.

Das bedeutet, dass die Reparatur eines Produkts nicht mehr kosten sollte als der Kauf eines neuen Produkts. Und: Rechtliche Barrieren sollten Einzelpers­onen, unabhängig­e Werkstätte­n oder gemeinscha­ftliche Reparaturg­ruppen nicht daran hindern, defekte Produkte zu reparieren. Wir wollen ein universell­es Recht auf Reparatur: Alle Bürger sollen während der gesamten Lebensdaue­r eines Produkts Zugang zu Ersatzteil­en und Reparaturh­andbüchern haben.

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Die Plattform iFixit finanziert sich durch den Verkauf von Sets, mit denen man seine Geräte zu Hause selbst reparieren kann
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Matthias Huisken ist Europachef von iFixit

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