Kurier

Wolfgang Katzian, ÖGB-Präsident

ÖGB-Chef. Wolfgang Katzian über die Belastunge­n für Arbeitnehm­er in der Krise und die Kooperatio­n mit dem Kanzler

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Über die ideologisc­hen Grenzen hinweg sei „Gewaltiges“gelungen, um Arbeitsplä­tze in der Krise zu retten, lobt der Chef des ÖGB.

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian über die Corona-Krise und die neue Bedeutung der Sozialpart­ner.

Herr Präsident, wie bewerten Sie das Krisenmana­gement der Bundesregi­erung?

Im Großen und Ganzen passt das gut. Wir dürfen nicht vergessen: Das ist eine Situation, die wir in dieser Form noch nie hatten. Trotzdem oder gerade deshalb bemühen sich alle sehr. Es wird eng zusammenge­arbeitet.

Das klingt, als hätte die Krise Regierung und Sozialpart­ner wieder näher zusammenge­bracht.

Das kann man vermutlich so sagen. In den letzten beiden Wochen ist Gewaltiges gelungen – und zwar über alle ideologisc­hen Grenzen hinweg. Für mich wurde da eine neue Qualität erreicht: Ich hatte zwar unter Schwarz-Blau eine grundsätzl­iche Gesprächsb­asis zur Regierung. Zu ernsten Verhandlun­gen ist es aber nie gekommen. Jetzt ist das anders. Schon vor der Corona-Krise gab es Signale, dass man mit dem ÖGB wieder zusammenar­beiten will. Und die Krisen-Situation hat das schnell auf eine neue Ebene gebracht. Ich schätze das.

Meinen Sie damit Ihre Gesprächsb­asis zum Kanzler?

Nicht nur, aber auch. Ich komme über das Kabinett relativ schnell an ihn heran, wobei Sebastian Kurz ohnehin weiß, dass ich nicht sieben Mal am Tag lästig bin. Aber ich habe den Eindruck, dass man uns wieder wahr- und ernst nimmt. Und dieses Feedback bekomme ich auch draußen von den Menschen. Der Zustand ist jetzt, wie er eigentlich sein sollte: Eine gute Wirtschaft lebt von guten Arbeitnehm­ern. Insofern ist es logisch, dass man ÖGB und AK nicht nur anhört, sondern mit ihnen verhandelt.

Die Bundesregi­erung hat 38 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Krise versproche­n. Reicht das?

Das kann man nicht seriös beantworte­n, wir wissen es nicht. Aber wir sind zutiefst überzeugt, dass die beschlosse­nen Maßnahmen richtig sind. Die Rettung der Unternehme­n und Arbeitsplä­tze ist alternativ­los, weil die Menschen auch nach der Krise gute Jobs haben müssen. Ich sage aber auch: Wenn Firmen Förderunge­n kassieren und gleichzeit­ig Menschen kündigen oder trotz Kurzarbeit weiter 100 Prozent arbeiten lassen, dann versteht das niemand.

Wie sehen Sie den Lockdown? Wie lange geht das gut?

Ich bin kein Psychologe, aber aus eMails, Gesprächen und Rückmeldun­gen im ÖGB weiß ich: Für viele Österreich­er ist die Situation jetzt schon sehr belastend.

Was belastet am meisten? Menschen, die „an der Front“arbeiten, haben mitunter Angst, krank zu werden. Andere, im Homeoffice, kämpfen mit der Situation: Wenn zwei Partner zu Hause arbeiten, ständig Video-Calls haben und sich 80 Quadratmet­er mit den lernenden Kindern teilen, verursacht das leider mitunter Aggression­en. Der Kopf sagt, dass der soziale Abstand richtig ist, allerdings bestehen wir nicht nur aus dem Kopf. Fragen Sie ältere Menschen: Die sind extrem gefährdet. Trotzdem ist das Alleinsein für sie eine harte Probe.

Was ist Ihre persönlich­e Lehre bislang aus der Krise?

Eines zeigt sich ohne Zweifel: Ein gut ausgebaute­r Sozialstaa­t hat seinen Wert. In England und den USA setzt man auf private Gesundheit­sversorgun­g. Das bedeutet in der aktuellen Situation: Wer nicht auf der Butterseit­e des Lebens zu Hause ist, der kann nur hoffen, dass er überhaupt einen Arzt sieht.

 ??  ??
 ??  ?? ÖGB-Chef Katzian: Die Gesprächsb­asis mit der Regierung hat sich normalisie­rt
ÖGB-Chef Katzian: Die Gesprächsb­asis mit der Regierung hat sich normalisie­rt

Newspapers in German

Newspapers from Austria